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Burhan Kesici, Vorsitzender des Islamrats für die Bundesrepublik, Imam Kamal Mohamad Abdallah und Potsdams Sozialbeigeordneter Mike Schubert (SPD, v.l.)

© Manfred Thomas

Nach Schweinekopf-Attacke in Potsdam: Wird in Potsdam bald eine neue Moschee gebaut?

Tag der offenen Moschee: Die islamische Gemeinde in Potsdam und ihre Gäste demonstrierten Geschlossenheit. Wegen des Winters nimmt sie das Angebot der Stadt an und zieht für die Freitagsgebete in die Orangerie der Biosphäre. Irgendwann will sie ein neues Gemeindezentrum bauen.

Am Tag der Deutschen Einheit gibt es Gebäck, das so süß ist, dass die Zunge leicht am Gaumen kleben bleibt: tunesisches, syrisches, afghanisches, pakistanisches. Eigentlich hätte man aber auch ein Stück Bienenstich dazwischen schummeln können. Am gestrigen Montag, dem deutschen Nationalfeiertag, war nämlich auch der Tag der offenen Moschee in Potsdam, seit sechs Jahren gibt es den schon, und wahrscheinlich wäre der auch in diesem Jahr zu einem heimeligen Treffen bei Tee und süßem Gebäck geworden. Diesmal aber war der Andrang groß: Fernsehen, Radio, Zeitung – alle drängten sich in die viel zu kleine Moschee.

Islamfeindliche Aufkleber, die AfD und ein Schweinekopf

Denn gerade in Potsdam, das sich gern als besonders tolerant definiert, bekam die islamische Gemeinde in den letzten Tagen Gegenwind: Erst tauchten islamfeindliche Aufkleber auf, dann baute die AfD einen Stand auf, am Samstagabend lag schließlich ein Schweinekopf vor der Tür.

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„Ich bin angewidert und fassungslos“, ärgert sich Flüchtlingspfarrer Bernhard Fricke immer noch. „Religion kann natürlich infrage gestellt werden, aber hier wird sie rassistisch überhöht.“ Das habe auch direkt mit der AfD zu tun: „Was sich Alternative für Deutschland nennt, ist ein Rückschritt für Deutschland.“ Auch Burhan Kesici, der Vorsitzende des Islamrats für die Bundesrepublik Deutschland, kam wegen des Schweinekopf-Vorfalls und sagte der Gemeinde seine Unterstützung zu.

Der bisherige Gebetsraum: ein Provisorium

Der Potsdamer Friedensdemo-Aktivist Michael Meixner trägt den Button vom Anti-Rechts-Bündnis „Potsdam bekennt Farbe“ am Revers, jetzt erst recht. Vorurteile baue man nur ab, wenn man das Gespräch suche, sagt er. „Es sei denn, man möchte seine Vorurteile bestätigt sehen.“ Mancher bringt die Vorurteile aber gleich mit in die Moschee: „Der Erdogan will doch das Mittelalter wieder einführen!“, beschwert sich ein älterer Herr bei einem der jungen Syrer. Der guckt ratlos. Erdogan? Was soll er dazu auch sagen.

Barfuß läuft man über den Teppich, weicht Kameras und Mikrofonen aus, die immer auf irgendjemanden gerichtet sind. Die Moschee ist eher spartanisch eingerichtet, fast wie ein Provisorium, über dem Tisch mit dem Kuchen hängt ein großes Blatt Papier mit konjugierten Verben: kommen, wohnen, spielen. Ganz am Rand vom ersten Raum steht Ahmed, Ende 20, schwarzer Bart, sein Deutsch ist flüssig. Er erklärt das Gebet: „Das Freitagsgebet ist Pflicht“, sagt er etwa, „Aufruf, Predigt, danach Gebet“, feste Abläufe. Und Allah heiße einfach nur Gott: Auch arabische Christen sagen Allah. Ahmed sagt es gern direkt heraus: „Es gibt einen Unterschied zwischen Religion in Regierungen und Religion in den Menschen.“ Was er damit meint? „Der Iran zum Beispiel macht alles falsch“, sagt er.

Freitagsgebet in der Orangerie - aber langsfristig ein Moschee-Neubau

Imam Kamal Mohamad Abdallah sitzt kurze Zeit später auf dem Teppich, neben ihm der Sozialbeigeordnete Mike Schubert. Abdallah freut sich, er lächelt. „Ich möchte euch kein Ohr abkauen“, sagt er einmal zwischendurch, und dass im Islam niemand mit Diabetes zum Fasten gezwungen werde – die Lacher sind auf seiner Seite. Wie lange es den Tag der offenen Moschee schon gibt, wird er gefragt: „Bei uns jeden Tag“, lächelt er zurück. Und es geht um die Orangerie der Tropenhalle Biosphäre, die als Ausweichquartier für die Freitagsgebete von der Stadt Potsdam vorgeschlagen wurde: „Wir nehmen das Angebot an“, verkündet Abdallah, „und ihr seid natürlich alle freitags eingeladen!“ Schon wegen des nahenden Winters nehme man das Angebot an. Die Potsdamer Moschee ist die einzige des Landes. Bis zu 500 Gläubige kommen zu den Gebeten. Eigentlich wolle man aber nicht abgeschottet werden. Langfristig sei der Bau eines festen Gemeindezentrums in Potsdam angestrebt. 

Den Frieden will sich an diesem Nachmittag niemand kaputtmachen lassen, erst recht nicht mit Propaganda wie Aufklebern und Schweineköpfen: „Das Freitagsgebet auf der Straße haben manche als Auslöser missbraucht“, sagt Schubert, aber die Religionen in Potsdam stünden zusammen. Und Abdallah ergänzt: „Wir erlauben niemandem, unser friedliches Miteinander zu stören.“ Spätestens da ist Potsdam wieder das Potsdam der Toleranz: „Es gibt manche Menschen, die sind einfältig“, sagt Imam Abdallah. „Aber ich danke Gott, dass die meisten Menschen vielfältig sind.“ 

Oliver Dietrich

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