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Vor einer Woche war die "Polarstern" aus der Arktis nach Bremerhaven zurückgekehrt. 

© Mohssen Assanimoghaddam/dpa

Nach "Polarstern"-Expedition: Land fördert Aufbau eines Potsdamer Arktis-Labs

Ein Jahr lang waren Potsdamer AWI-Forscher mit der "Polarstern" auf Arktis-Expedition. Diese Forschung soll auf dem Telegrafenberg nun ausgebaut werden. 

Potsdam - Die Brandenburger Landesregierung will die Polarforschung am Alfred-Wegener-Institut (AWI) auf dem Telegrafenberg mit einem Millionenbetrag fördern. „Wir investieren 1,5 Millionen Euro in ein neues Potsdamer InnoLab für Arktisforschung am AWI“, sagte Wissenschaftsministerin Manja Schüle (SPD) am Montag in Potsdam bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Leiter der Arktisexpedition auf dem Forschungsschiff „Polarstern“, Professor Markus Rex. Dort sollen die Polar-Kompetenzen des Instituts gebündelt werden.
„Zusammen mit den klugen Köpfen des Deutschen Geoforschungszentrums, des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und des Leibniz-Instituts für Astrophysik Potsdam vereint sich auf dem Telegrafenberg die wissenschaftliche Klimaexpertise“, erläuterte Schüle das Konzept des InnoLabs. Die in der vergangenen Woche beendete Expedition in der Zentralarktis war vom Potsdamer AWI koordiniert worden.

Markus Rex vom AWI in Potsdam hat die Arktisexpedition geleitet. 
Markus Rex vom AWI in Potsdam hat die Arktisexpedition geleitet. 

© Bernd Settnik/dpa

Rex: "Grenzen des Machbaren verschoben"

Vor mehr als einem Jahr waren die Potsdamer AWI-Forscher mit der „Polarstern“ aufgebrochen. Sie hatten das Schiff auf einer Eisscholle in der Arktis einfrieren lassen, um das Entstehen und Schmelzen des arktischen Eises zu beobachten. Auf der Eisscholle wurde ein Camp mit 70 Tonnen Material errichtet, insgesamt waren rund 450 Wissenschaftler aus 37 Nationen im Laufe des Jahres vor Ort. Stürmen und gefühlten 60 Grad Minus wurde ebenso getrotzt wie dem Coronavirus und knapp 60 Besuchen von Eisbären. 
Rex’ Bilanz fiel äußerst positiv aus: „Wir haben die Grenzen des Machbaren in der Arktisforschung verschoben“, sagte der Wissenschaftler. Die hochgesteckten Ziele der Expedition seien vollständig erreicht worden. „Wir haben den gesamten Jahreszyklus des arktischen Meereises und der Klimaprozesse in der Zentralarktis abdecken können.“ Insgesamt wurden 150 Terrabyte Daten gesammelt, und rund 10 000 wissenschaftliche Proben genommen. „Die Arktis ist das Epizentrum des Klimawandels“, sagte Rex. „Kein anderer Ort verändert sich so schnell.“ Das Klimasystem sei wie ein kompliziertes Uhrwerk. „Wir haben jetzt jedes Rädchen, und jedes Schräubchen vermessen können und verstehen es jetzt besser.“ 

Nur noch zehn Jahre bleiben zur Arktis-Rettung

Und die Befunde waren ebenso deutlich wie erschreckend. „Wir haben dem Eis beim Sterben zugeschaut“, so Rex. „Wir haben vielleicht noch ein Jahrzehnt, um das sommerliche Meereis zu retten.“ Wenn die weltweiten Treibhausgasemissionen bis dahin nicht gestoppt werden, werde statt des weißen Pols vom Weltall aus ein dunkler Ozean zu sehen sein – mit unabsehbaren Folgen für Wetter und Klima auch in Mitteleuropa. „Wir gehen davon aus, dass das im Wesentlichen eine Verstärkung der Wetterextreme in unseren Breiten zur Folge hat.“ Ihm selber tue es weh, „wenn ich daran denke, dass meine Kinder vielleicht schon nicht mehr in der Lage sein werden, das arktische Meereis zu erleben“.

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Schüle sieht Politik in der Pflicht

Für das Land Brandenburg ist die Expedition der Potsdamer Forscher ein wissenschaftliches Aushängeschild. „Es ist kein Zufall, dass die Strippen für diese Expedition auf dem Telegrafenberg zusammengelaufen sind“, sagte Schüle. „Er ist ein Wissensberg.“ Die Ministerin sieht die Politik beim Kampf gegen den Klimawandel in der Pflicht. "Mir begegnet nicht selten die Vorstellung, dass die Wissenschaft eindeutige Ergebnisse liefern soll", sagte Schüle. "Manchmal habe ich auch den Eindruck, dass Teile meines Berufsstandes sich hinter dem Rücken der Wissenschaft verstecken sollen." Eine Politik, die in Bezug auf den Klimawandel den wissenschaftlichen Konsens ignoriere, handele verantwortungslos, so Schüle. Rex forderte von der Politik faire und ausgewogene Konzepte. (mit dpa)

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