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Nach Missbrauchsvorwürfen: Verdächtige Sportschüler dürfen bleiben

Update. Die Gesamtlehrerkonferenz der Elite-Sportschule „Friedrich Ludwig Jahn“ hat laut Ministeriumssprecher Stephan Breiding entschieden, dass die Schüler, gegen die ermittelt wird, an der Schule bleiben dürfen.

Potsdam - Nach den Missbrauchsvorwürfen gegen zwei Schüler der Potsdamer Elite-Sportschule „Friedrich Ludwig Jahn“ dürfen die beiden 16-Jährigen trotzdem weiter an der Einrichtung lernen. Das habe die Gesamtlehrerkonferenz der Schule „mehrheitlich“ nach stundenlanger Sitzung entschieden, erklärte Stephan Breiding, Sprecher des Bildungsministeriums, am Mittwochabend. Die Schüler würden jedoch die Androhung eines Schulverweises erhalten, „als eine Art Warnschuss und letzte Chance“. Jeder weitere Vorfall würde zum Ausschluss führen. Ebenso müssten sie sich auf „gezielte Erziehungsmaßnahmen“ innerhalb der Sportschule einstellen, so Breiding. Welche Art diese Maßnahmen sein sollen – etwa ein Täter-Opfer-Ausgleich oder Strafarbeiten – ist demnach unklar und wird erst noch entschieden. Die Schule wolle den Vorfall „pädagogisch“ aufarbeiten, so Breiding. Die zwei Nachwuchshandballer des VFL Potsdam sollen sich im Internat der Schule unter anderem mit einem Bestenstiel an den zwei jüngeren Mitschülern vergangen haben. Deswegen ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen sexueller Nötigung. Unterdessen gibt es Streit zwischen Elternvertretern der Schule und der Stadtverwaltung um die Konsequenzen aus den Geschehen. Uneinigkeit herrscht über den Umgang mit den suspendierten Mitarbeitern des Internats. Vor allem gibt es Streit, ob die Leiterin des Internats das Haus verlassen muss. Rathaussprecher Jan Brunzlow bestätigte den PNN, dass die Leitungsstelle neu ausgeschrieben wird – von der kommunalen Luftschiffhafen GmbH, die das Wohnheim seit Sommer betreibt. Bisher hatte die Stadtverwaltung lediglich erklärt, die Leitung sowie weitere Angestellte des Wohnheims würden bis zur Klärung der Vorwürfe gegen sie nicht mehr dort arbeiten. Eine für drei Monate eingesetzte Interimsführung hat bereits die Führung des Hauses übernommen. Mit der Entscheidung zur Neuausschreibung der Leitungsstelle steht damit aus Sicht der Stadt offensichtlich fest, dass Mitarbeiter des Internats den Missbrauchsverdacht nicht unverzüglich der Justiz gemeldet haben, obwohl die mutmaßlichen Opfer – zwei 13 und 14 Jahre alte Jungen – sich nach der Tat Ende September mit Bitte um Hilfe an Erzieher im Wohnheim gewandt hatten. Wenige Tage nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe hatte auch das Bildungsministerium erklärt, die Krisenkommunikation habe in dem Fall „nicht funktioniert“. Die Elternvertreter an der Sportschule wehren sich nach PNN-Informationen gegen den kompletten Austausch der Heimspitze. In einem Brief an die Eltern schreiben der Vorsitzende der Schul- und der Leiter der Elternkonferenz der Schule, der fragliche Vorfall sei „sehr wohl beachtet“ worden – jedoch habe man „dessen Brisanz bedauerlicherweise nicht sofort erkannt“. Aus Sicht der Elternvertreter habe aber „zu keiner Zeit“ die Absicht bestanden, „den Vorfall zu vertuschen“ oder „unter den Teppich zu kehren“. Potsdams Schulbeigeordnete Iris Jana Magdowski (CDU) hatte sich empört, die Schüler hätten sich „ihren nächsten Vertrauenspersonen offenbart und anscheinend keine Hilfe erhalten – das ist für mich unfassbar.“ In den vergangen Tagen hatten sich die Vorwürfe gemehrt, am Internat der Elite-Sportschule sei es in den vergangenen Jahren regelmäßig zu Gewalt und Mobbing gekommen. Die Rede war von Schülern, die von älteren Mitschülern kopfüber aus Fenstern ihres 14-stöckigen Wohnheims gehängt worden sein sollen, bis sie sich vor Angst in die Hose machten. Solche Schilderungen hatte Tino Fischer öffentlich gemacht, Chef der Jungen Union in Potsdam und bis 2008 selbst an der Sportschule, aber nicht untergebracht in dem Wohnheim. Er erklärte, Fälle von Mobbing und gewalttätigen Übergriffen in dem Internat seien „schon lange an der Tagesordnung“ gewesen – und sie seien toleriert worden. Gesprochen habe er mit sechs ehemaligen Mitschülern: „Und jeder konnte von Fällen von Gewalt erzählen.“ Es sei ihm eine „Herzensangelegenheit“, dass es nie wieder Übergriffe in dem Wohnheim gebe, so Fischer.

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