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Aus dem einstigen RAW soll ein Digitalzentrum werden.

© Andreas Klaer

Nach Kritik von "Stadt für alle": Investor für Potsdamer RAW verurteilt Angriffskrieg

Das linke Netzwerk "Stadt für alle" kritisiert angesichts von Putins Krieg die Russland-Verbindungen des RAW-Investors. Der reagiert mit deutlichen Worten - und auch die Stadt äußert sich.

Potsdam - Angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine flammt in Potsdam die Debatte um den Investor für das geplante Millionenprojekt RAW-Digitalzentrum nahe des Hauptbahnhofs wieder auf. Das linke Netzwerk „Stadt für alle“ hat mehrere Nachrichten via Twitter abgesetzt. Das Rathaus müsse sich nun entscheiden, heißt es darin: Hilfe für die Ukraine „oder Investitionen von russischen Erdölhändlern“ in das RAW-Projekt mit Hunderten Arbeitsplätzen in der Digitalbranche – „was hier niemand braucht“, wie das Netzwerk unterstellt.

Verbunden werden die Angriffe mit einem sogenannten Dossier des Netzwerks. Darin wird behauptet, Investor Michael Zeligman habe „beste Kontakte zum russischen Energieministerium“, sein Unternehmen Concept Oil Ldt. sei „der zehntgrößte Lieferant von Erdölprodukten aus Russland“. Er sei bestens vernetzt mit Firmen, „die jetzt auf der Sanktionsliste stehen“.

Investorenvertreter: „Den Angriffskrieg verurteilen wir."

Die Reaktion von Zeligsmans Vertreter in Potsdam, Mirco Nauheimer, fiel eindeutig aus. „Mit großem Entsetzen und tiefer Trauer nimmt Herr Zeligman Anteil am Geschehen in der Ukraine“, teilte Nauheimer am Donnerstag auf PNN-Anfrage mit. Und weiter: „Den Angriffskrieg, den Russland gegen die Ukraine führt, verurteilen wir und wünschen einen sofortigen Stopp der Kriegshandlungen.“ 

Die Lage sei überraschend: „Nichts hat für uns bis vor wenigen Tagen darauf hingewiesen, dass sich die Situation in der Ukraine in dieser Art und Weise entwickelt.“ Im Rahmen der Möglichkeiten würden Zeligman und The RAW Potsdam GmbH jenen Freunden, Mitarbeitern und in Not Geratenen in der Ukraine nicht nur mit abstrakten Bekundungen helfen, „sondern vor allem durch konkrete humanitäre Aktionen“. 

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Nauheimer betonte, Zeligman selbst sei nicht Russe, sondern lettischer Staatsangehöriger und damit EU-Bürger. „Er ist nicht von irgendwelchen Sanktionen betroffen.“ Zu den Geschäften des Unternehmens Concept Oil erklärte Nauheimer: „Die erlassenen Sanktionen gegen Russland studieren wir genau und ziehen daraus, wie alle ausländischen Unternehmen, die mit Russland Handel getrieben haben oder dort Fabriken besitzen, unsere Schlussfolgerungen, um auch weiterhin gesetzeskonform zu handeln.“ In dieser unübersichtlichen und gefährlichen Situation wolle man sich nicht weiter öffentlich äußern, so Nauheimer.

So soll das RAW-Digitalzentrum in der Friedrich-Engels-Straße einmal aussehen
So soll das RAW-Digitalzentrum in der Friedrich-Engels-Straße einmal aussehen

© Visualisierung: J. Mayer H. Architekten

Rathaus: Keine eigenen Sanktionen

Auch das Rathaus reagierte auf PNN-Anfrage. Der Investor und sein Unternehmen stünden nicht auf Sanktionslisten. „Die Landeshauptstadt Potsdam kann und wird daher nicht ohne Absprache mit der Landesregierung handeln oder gar allein über Sanktionsmaßnahmen entscheiden“, so eine Sprecherin. Die Kontrolle von internationalen Mittelherkünften und Geldflüssen liege ferner nicht im Kompetenz- und Verantwortungsbereich der Stadt. 

Man könne daher auch nicht sicherstellen, dass auf dem RAW-Gelände kein Geld aus Erdölgeschäften in und mit Russland investiert wird. Das ohne offizielle Autoren agierende Netzwerk „Stadt für alle“ mit Sitz in Babelsberg hatte auch behauptet, dass ein Wirtschaftskrieg für ein Scheitern des Projekts sorgen könne. Forderungen nach einer singulären Absicherung möglicher Risiken für das RAW-Projekt wären laut Rathaus aber „nicht vereinbar mit dem geltenden Wettbewerbs- und Gleichbehandlungsgrundsatz“.

Die Vision für das RAW-Digitalzentrum von oben.
Die Vision für das RAW-Digitalzentrum von oben.

© Visualisierung: J. Maier H. Architekten

Ein millionenschweres Großvorhaben

Erst im Januar hatten die Stadtverordneten einen finalen Beschluss für das Großprojekt gefasst - und zwar für den nötigen Satzungsbeschluss zum Bebauungsplan und für einen Vertrag mit dem Investor. Es geht um den Umbau der RAW-Halle hinter dem Hauptbahnhof zu einem Digitalzentrum. Der denkmalgeschützte Bau in der Friedrich-Engels-Straße soll saniert und um zwei Neubauten ergänzt werden. Der Entwurf stammt vom Stararchitekten Jürgen Mayer H. 

Rund 1000 Arbeitsplätze sollen entstehen. Das Investitionsvolumen liegt bei mehr als 100 Millionen Euro. Investor ist der in Monaco lebende Zeligman. Noch in diesem Jahr könnte der Baustart sein, hieß es zuletzt. Diskutiert wurden in den vergangenen Monaten auch die sozialen Auswirkungen der Ansiedlung – aber die angekündigte Milieuschutzsatzung für die angrenzende Teltower Vorstadt wird wie berichtet frühestens im Jahr 2023 kommen. Anwohner befürchten steigende Mieten in der Umgebung und die Verdrängung von Bewohnern.

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