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Die Tat im Thusnelda-von-Saldern-Haus blieb 45 Minuten lang unentdeckt. 

© Andreas Klaer

Nach Gewalttat im Oberlinhaus: Tatverdächtige war nicht allein im Dienst

Am Tatabend hatten drei Mitarbeitende Spätschicht, die Pflege erfolgte in Einzelzimmern. Die Tat blieb 45 Minuten unentdeckt.

Potsdam - Die Gewalttat in einem Behinderten-Wohnheim des Oberlinhauses blieb 45 Minuten unbemerkt: Diese Information hat die diakonische Einrichtung knapp eine Woche nach den Ereignissen am 28. April öffentlich gemacht. Am Tattag hätten wie jeden Abend auf der Station für Wohnpflege in der Spätschicht drei Pflegekräfte die 20 hilfebedürftigen Klienten betreut, sagte Oberlin-Sprecherin Andrea Benke am Dienstag auf PNN-Anfrage. Darunter sei auch die tatverdächtige 51 Jahre alte Pflegekraft gewesen. Das Oberlinhaus hatte am Montag zunächst nur der „Märkischen Allgemeinen“ Auskunft gegeben, obwohl entsprechende Fragen der PNN bereits vorlagen. 

Kein Personalengpass

Benke betonte, an dem fraglichen Mittwochabend habe es keinen wie auch immer gearteten Personalengpass vor Ort gegeben. „Kollegen waren mit ihren Aufgaben betraut.“ Die drei Mitarbeitenden auf der Etage hätten die Betreuung der schwerbehinderten Bewohner „wie immer“ untereinander aufgeteilt und diese in ihren privaten Zimmern betreut – „bei verschlossenen oder angelehnten Türen“ zum Schutz der Privatsphäre. 

Vor dem Saldern-Haus haben Angehörige und Anwohner Blumen und Kerzen niedergelegt. 
Vor dem Saldern-Haus haben Angehörige und Anwohner Blumen und Kerzen niedergelegt. 

© Andreas Klaer

Die tatverdächtige langjährige Mitarbeiterin soll laut Benke direkt nach der Gewalttat zu ihrem Ehemann nach Hause gefahren sein, der gegen 21 Uhr sowohl die Polizei als auch eine Mitarbeiterin in dem betroffenen Thusnelda-von-Saldern-Haus alarmiert habe. Daher seien die vier Todesopfer und eine schwer verletzte 43 Jahre alte Bewohnerin bereits vor dem Eintreffen der Polizei von der Angestellten entdeckt worden. 

Das Zeitfenster zwischen den Taten und Entdeckung betrage rund 45 Minuten, das Verbrechen war gegen 21.30 Uhr bekannt geworden. Die stündlichen Rundgänge in der Nacht stünden erst gegen 22 Uhr auf dem Programm, machte Benke deutlich: „Am Tage gibt es keine Kontrollrunden, denn alle Kolleginnen und Kollegen arbeiten gemeinsam nach den Ablaufplänen und individuellen Bedürfnissen der Klienten.“ Die Pflege sei dabei rotierend geregelt – es sei also nicht nur ein Mitarbeitender für immer die gleichen Bewohner zuständig. In der Wohnpflege-Station würden Menschen nach Unfällen oder schweren Erkrankungen wie Hirnblutungen versorgt.

Keine Voranzeichen

Die 51-jährige Tatverdächtige habe „als sehr fürsorgliche Kollegin“ gegolten, sie habe auch in der Vergangenheit „keine Auffälligkeiten“ gezeigt. Es habe keine Voranzeichen gegeben, auf die man hätte reagieren müssen, betonte Sprecherin Benke. Ein Arbeitgeber erhalte jedoch keine Diagnosen psychischer Erkrankungen. Allerdings müssten Angestellte vor der Einstellung beim Betriebsarzt ihre physische Eignung vorweisen, auch erweiterte Führungszeugnisse würden turnusmäßig abgefragt.

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Zudem gebe es zum Beispiel jährliche Mitarbeitergespräche. Bei einem problematischen Umgang mit Schutzbefohlenen werde arbeitsrechtlich reagiert, „mit Abmahnung bis zur Kündigung“. Laut Betriebsvereinbarung gebe es auch jährliche Angebote für verpflichtende Supervisionen, Fallberatungen und Teamtage. 

Eine Sprecherin der Potsdamer Staatsanwaltschaft erklärte, die Tatverdächtige sei zwar vernommen worden, habe sich zu den Tatvorwürfen aber nicht geäußert. Zu weiteren Ermittlungsergebnissen äußerte sie sich nicht. Die 51-Jährige war nach der Gewalttat festgenommen und einen Tag später vorläufig in eine psychiatrsiche Einrichtung gebracht worden. (mit dpa)

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