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Die Wohn- und Pflegeeinrichtung "Thusnelda-von-Saldern-Haus" in Babelsberg.

© Andreas Klaer

Nach der Gewalt im Thusnelda-von-Saldern-Haus: Heim soll eine neue Leitung bekommen

Das Babelsberger Thusnelda-von-Saldern-Haus soll nach der Gewalttat mit vier Toten neu aufgestellt werden. Doch das ist nicht so einfach, erst sind juristische Fragen zu klären. 

Potsdam - Nach der Gewalttat mit vier Toten im Babelsberger Thusnelda-von-Saldern-Haus versucht der Träger Oberlin einen Neuanfang, der auch mit personellen Veränderungen verbunden ist. So soll das Heim für Menschen mit schwersten Behinderungen, in dem die Pflegekraft Ines R. vergangenen April vier Bewohner ermordete, eine neue Leitung bekommen. Doch das ist mit Hindernissen verbunden. Mit der bisherigen Chefin des Thusnelda-von-Saldern-Hauses ist sich der diakonische Träger bislang nicht über deren weitere Verwendung einig geworden. Am Freitag trafen sich beide Seiten vor dem Arbeitsgericht Potsdam zu einer Güteverhandlung – die scheiterte. 

Die Heimleiterin geht gegen eine Änderungskündigung vor 

Dass die Heimleiterin, die seit 30 Jahren in verschiedenen Funktionen bei Oberlin tätig ist, hochkant rausgeworfen worden sein soll, wie es gerüchteweise schon während des Strafprozesses gegen Ines R. die Runde machte, ist allerdings falsch. Vor dem Arbeitsgericht ging es lediglich um eine Änderungskündigung, wie auch der Anwalt der Heimleiterin, Alexander Günzel, ausdrücklich betonte. Zu den Details der Arbeitsrechtsstreits schweigen beide Seiten. Eine Änderungskündigung kann ausgesprochen werden, wenn die Änderung des Arbeitsverhältnisses per Weisung oder Versetzung nicht möglich ist. Das bedeutet aber auch, dass der Mitarbeiterin ein anderes, vergleichbares Angebot innerhalb des Unternehmens gemacht, etwa die Leitung einer anderen Einrichtung bei Oberlin angetragen worden sein muss. Dass eine außerordentliche Änderungskündigung ausgesprochen worden sei, habe formale Gründe, erläuterte Richterin Hilde Fuhrmann. Aufgrund ihrer sehr langen Betriebszugehörigkeit habe die Mitarbeiterin einen besonderen Schutz gegen eine ordentliche Kündigung. Diese lässt – ein üblicher Vorgang in solchen Fällen – die Änderung per Kündigungsschutzklage nun überprüfen. Da keine gütliche Einigung erzielt werden konnte, will das Arbeitsgericht nun am 9. März entscheiden. Bis dahin muss Oberlin die Kündigungsgründe dem Gericht einzeln darlegen.

Gütetermin am Freitag vor dem Arbeitsgericht.
Gütetermin am Freitag vor dem Arbeitsgericht.

© Andreas Klaer

Im Strafprozess ging es auch ums Betriebsklima in dem Haus 

Zu diesen äußert sich das Oberlinhaus „aus datenschutzrechtlichen Gründen und auch zum Schutz der Mitarbeiterin“ nicht öffentlich, so Sprecherin Andrea Benke. Eine massive Verfehlung scheint Oberlin der Heimleiterin jedenfalls nicht zur Last zu legen, sonst wäre das Arbeitsverhältnis gekündigt worden. Dass es ein „Weiter so“, ein Übergehen zur Tagesordnung nach der Tat dennoch nicht geben könne, hatte Oberlin mehrfach erklärt. Im Mordprozess vor dem Landgericht Potsdam war deutlich geworden, dass es – auch wenn die Heimaufsicht bei einer Kontrolle keine Mängel feststellte – mit dem Betriebsklima im Haus nicht zum Besten bestellt gewesen sein kann. Vor allem ehemalige Mitarbeiter schilderten vor Gericht die aus ihrer Sicht extrem stressige, Personalmangel geschuldete Arbeitssituation, den „alltäglichen Wahnsinn“, und nutzten ihre Aussage, so der Eindruck, auch für eine Abrechnung mit der Heimleiterin, die als sehr dominant beschrieben wurde. In Gesprächen, etwa nach Krankmeldungen, habe sie Mitarbeiter unter Druck gesetzt, Kritik nicht angenommen. 

Die Heimleiterin machte Ines R. ein Angebot zum Wechseln 

Auch die Leiterin selbst sagte vor Gericht aus und räumte ein, dass die Arbeitssituation oft belastend sei, besonders in der Corona-Zeit, wenn immer wieder Mitarbeiter wegen Quarantäne ausfallen. „In der Pflege gibt es keine Schonplätze“, sagte sie. Was ihre Mitarbeiterin Ines R. angehe, habe sie sich aber nichts zuschulden kommen lassen. Sie habe ihr angeboten, in einem körperlich weniger anstrengenden Bereich zu arbeiten. Das habe sie abgelehnt. Eine berufsbegleitenden Ausbildung zur Pflegefachkraft, die ihr danach einen besseren Verdienst gebracht hätte, habe Ines R. aber auch abgelehnt, so die Leiterin. Von den psychischen Problemen ihrer Mitarbeiterin habe sie nichts gewusst. Dass die Tat die Heimleiterin selbst psychisch stark belaste, war deutlich geworden. Sie war es, die die Angehörigen der Opfer informierte. „Das waren die schwersten Gespräche meines Lebens“, hatte sie vor Gericht gesagt und erklärt, dass sie seit längerer Zeit krankgeschrieben sei.

Anonymisierte Mitarbeiterbefragung beauftragt 

Das Oberlinhaus hat mittlerweile einen externen Dienstleister mit einer anonymisierten Mitarbeiterbefragung beauftragt. Die Auswertung sei für das dritte Quartal geplant ist. „Dabei geht es um die Beurteilung der Führungskräfte und um die Themen Wertschätzung und Hilfen am Arbeitsplatz. Für das Jahr darauf ist eine Befragung der Bewohner:innen und ihrer Angehörigen geplant“, so Tina Mäueler, Bereichsleiterin Wohnen der Oberlin Lebenswelten. Zudem will das Diakonie-Unternehmen eine Expertenkommission einsetzen, um allgemein Probleme in der Behindertenhilfe wie unzureichende Personalausstattung aufzugreifen. 
Doch zunächst ist wieder das Arbeitsgericht gefragt: Am 1. Februar wird die Kündigungsschutzklage der inzwischen als Mörderin verurteilten Ines R. weiterverhandelt. Das Oberlinhaus hatte der Potsdamerin nach der Tat die fristlose Kündigung ausgesprochen. 

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