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Schockmoment: Auch die CDU Brandenburg zeigte sich bei ihrer Wahlparty in Potsdam teils fassungslos über das Ergebnis.

© Thilo Rückeis

Nach der Bundestagswahl: Potsdamer Wahlverlierer ringen mit eigener Niederlage

CDU und Linke sind bei der Bundestagswahl in der Landeshauptstadt abgestürzt. Welche Folgen hat das für die Stadtpolitik - und für wichtige Zukunftsentscheidungen?

Potsdam - Nach den teils dramatischen Verschiebungen bei der Bundestagswahl in Potsdam stehen nun vor allem die Verlierer im Fokus – und die Frage, wie sie mit dem Ergebnis umgehen. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem Linken-Kreisverband, dessen Wählerschaft in Potsdam sich nahezu halbiert hatte.

Denn zugleich ist die Linke-Fraktion auch Mitglied in der rot-grün-roten Rathauskooperation, die angesichts der finanziellen Einbußen im Zuge der Coronakrise auch vor möglicherweise schmerzhaften Haushaltsentscheidungen steht. Doch die Sorge in der Rathausspitze ist groß, ob solche Entscheidungen mit einer angeschlagenen Partei auf der Suche nach ihren einstigen Kernwählern noch möglich sind.

Aber einen Oppositionskurs in der Rathauskooperation wird es mit Linke-Fraktionschef Stefan Wollenberg nicht geben, wie er den PNN auf Anfrage sagte: „Unmittelbare Ableitungen aus dem Bundestagswahlergebnis für die Arbeit unserer Fraktion sehe ich nicht.“ 

Die Bundestagswahl und auch der Wahlkampf seien eine ganz andere Ebene gewesen – zumal die Linke in ganz Ostdeutschland verloren habe. Am Wahlabend hatte Wollenberg via Facebook die Devise ausgegeben, man müsse trotz Niederlage für ein gerechteres Land weiterkämpfen, „an der Seite der Menschen“.

Wie berichtet steht die Stadt vor schwierigen finanziellen Zeiten, muss laut Kämmerer Burkhard Exner (SPD) in den kommenden Jahren an die knapp 200 Millionen Euro Rücklage gegangen werden. Allein im nächsten Jahr ist ein Minus von 32 Millionen Euro geplant, trotz aller angekündigten Sparbemühungen – zu denen Details bisher noch nicht bekannt sind.

Brandenburger Sparkurs könnte Sozialprojekte platzen lassen

Allerdings hatte Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) bereits angekündigt, dass gerade ein Projekt wie die von den Linken gewünschten zusätzlichen Ausstellungsräume für Kunst aus dem Potsdam Museum aktuell nicht finanzierbar sei.

Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) sieht keinen finanziellen Spielraum für mehr Ausstellungsräume.
Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) sieht keinen finanziellen Spielraum für mehr Ausstellungsräume.

© Ottmar Winter/PNN

Gleichzeitig drohen wegen des Sparkurses auf Landesebene auch weitere Einschnitte im Kommunaletat – und es könnten auch in Potsdam noch Projekte in Schieflage geraten, was weitere Haushaltsdiskussionen bedeuten könnte, ob nicht das Rathaus finanziell aushelfen könnte. 

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So wirbt ein neues Bündnis von Sozialprojekten unter dem Titel „Uns könnt Ihr Euch nicht sparen”, dass im Zuge der Haushaltsverhandlungen im Land soziale und kulturelle Projekte geschützt werden müssten – also freiwillige Leistungen der öffentlichen Hand. Mit dem Bündnis hat sich zum Beispiel auch die Linke-Stadtverordnete Anja Günther schon solidarisch gezeigt. 

Potsdamer CDU trägt Zoff öffentlich aus

Sie gilt als Vertreter des linken Flügels in der Partei – dagegen stehen andere Vertreter der Fraktion zum Beispiel für mehr Politik im Sinne von Autofahrern, was regelmäßig zu internem Streit führt. Allerdings werden solche Debatten derzeit nicht öffentlich ausgetragen – anders als etwa in der oppositionellen CDU, der zweiten großen Verliererin der Wahl in Potsdam. 

Dies hat nun am Montagabend ihre auch noch geschrumpfte Fraktion neu aufstellen müssen. Ihr Chef ist nun der Pensionär Matthias Finken, der die Fraktion schon zwischen 2014 und 2019 angeführt hatte. Einstimmig wurde er als Nachfolger von Götz Friederich ins Amt gewählt, teilte die Fraktion mit.

Matthias Finken hat den Franktionsvorsitz bei der Potsdamer CDU übernommen.
Matthias Finken hat den Franktionsvorsitz bei der Potsdamer CDU übernommen.

© promo

Am Montag zuvor hatte Friederichs Parteiaustritt und Rückzug als Fraktionschef für Schlagzeilen gesorgt – zumal der Steueranwalt zunächst als parteiloser Stadtverordneter im Kommunalparlament bleibt, die CDU-Fraktion also von sieben auf sechs Mitglieder schrumpft. 

Babelsberger CDU-Politikerin kritisiert Umgang mit Friederich

Friederich, der in den vergangenen Monaten in der CDU unter anderem wegen seiner Personalführung immer weiter unter Druck geraten war, hatte seinen Rücktritt und Parteiaustritt nicht weiter begründet. Nachfolger Finken wiederum gilt als einer der größten Kritiker der Friederich-Jahre.

Zugleich zeigte sich, dass es mit dem Rückzug in der Partei weiter brodelt. So erhielt der einstige Oberbürgermeisterkandidat Friederich am Montagabend noch Unterstützung seines nun Ex-Kreisverbands in Babelsberg. 

Dessen Chefin Tanja Mutschischk erklärte, ihr Verband könne die Beweggründe von Friederich nachvollziehen: „Denn diese Entscheidung ist die Folge eines unsachlichen Umgangs einiger Mitglieder innerhalb der eigenen Partei und von persönlichen Angriffen.“ 

Bleibt Friederich fraktionslos?

So ein Verhalten gegenüber einem verdienten Mitglied der CDU sei zu verurteilen. Die Fraktion veröffentlichte in ihrer Nachricht zum neuen Vorsitzenden hingegen keine einzige Zeile zu Friederich.

Götz Friederich hat die Segel in der CDU Potsdam gestrichen und ist nun fraktionsloser Stadtverordneter.
Götz Friederich hat die Segel in der CDU Potsdam gestrichen und ist nun fraktionsloser Stadtverordneter.

© Andreas Klaer

Offen ist, ob Friederich sich noch einer anderen Fraktion anschließt. Als mögliche Partner werden von Eingeweihten das Bürgerbündnis und die FDP genannt, mit denen nach PNN-Informationen auch schon Gespräche über eine Zusammenarbeit geführt worden sind. 

Allerdings gibt es bisher kein greifbares Ergebnis. Gerade das Bürgerbündnis hatte immer wieder als Auffangbecken für Ex-CDU-Politiker:innen gedient, die nicht mehr in den Machtkämpfen der Potsdamer Union bestehen wollten oder diese verloren hatten. 

Auch wegen ihrer Zerstrittenheit war die CDU zuletzt auf Platz vier in der Potsdamer Parteienlandschaft zurückgefallen – und gilt auch wegen dieser Unberechenbarkeit als schwieriger Verhandlungspartner. Ein Ersatz für die Linke ist also auch in dieser Hinsicht nicht in Sicht.

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