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Polizei vor der besetzten Fachhochschule. Die Räumung am Donnerstag blieb weitgehend friedlich, die Nacht zum Freitag ruhig.

© Sebastian Gabsch

Nach der Besetzung der Fachhochschule in Potsdam: Die Ruhe nach der Räumung

Nach der Räumung der Potsdamer Fachhochschule am Donnerstagabend ist es in der Nacht ruhig geblieben. Die Polizei ist weiter mit vielen Beamten präsent. Die Abrissgegner wollen weiter protestieren.

Potsdam – Nach der Besetzung und nächtlichen Räumung des alten Fachhochschulgebäudes (FH) in Potsdams Zentrum durch die Polizei ist es in der Nacht ruhig geblieben in der Stadt. Zehn Menschen übernachteten vor dem Gebäude am Alten Markt, teilte die Polizei am Morgen mit. Sie war mit sichtbar starker Präsenz auch in den frühen Morgenstunden vor Ort. Die Abrissgegner haben laut Polizei bis Sonntag mehrere Versammlungen angemeldet. Details dazu blieben zunächst offen.

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Auf dem Gelände zwischen Fachhochschule und Landtag blieb es bislang friedlich. Gegen 10 Uhr hatten sich rund 20 Abrissgegner auf dem Protestcamp versammelt.

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Am späten Donnerstagabend hatte die Polizei, die mit rund 200 Beamten vor Ort war, das FH-Gebäude am Alten Markt nach rund zehn Stunden Besetzung geräumt. 29 Menschen hatten bis zu diesem Zeitpunkt in dem Bau aus DDR-Zeit, der im Herbst abgerissen werden soll, ausgeharrt. Zu Beginn der Besetzung Donnerstagmittag waren es den Angaben nach rund 60 Besetzer, die offensichtlich vor allem der politisch linken Szene in Potsdam zuzuordnen sind.

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Gegen 36 Personen wurden Strafanzeigen wegen Hausfriedensbruchs erstattet

Die Räumung der FH verlief weitgehend friedlich. Um kurz vor 23 Uhr hätten die letzten Protestierenden die FH verlassen, sagte ein Polizeisprecher. Die meisten hätten nicht mit Zwang aus dem Gebäude gebracht werden müssen, sondern seien Platzverweisen der Polizei gefolgt. Vereinzelte wurden aus dem Gebäude herausgetragen. Gegen insgesamt 36 Menschen seien Strafanzeigen wegen Hausfriedensbruch von der Leitung der FH gestellt worden. Zudem seien die Personalien von 46 Personen festgestellt worden. Etwa zehn Abrissgegner hatten die FH am Abend freiwillig verlassen. Die Brandenburger Polizei hatte für den Einsatz Unterstützung aus Berlin angefordert. Potsdams Bürgermeister Burkhard Exner (SPD) und Brandenburgs SPD-Generalsekretärin Klara Geywitz hatten vor Ort stundenlang verhandelt, um eine Räumung zu vermeiden. Die Gespräche blieben jedoch zunächst erfolglos.

Als die Besetzer am späten Donnerstagabend das Gebäude verließen, wurden sie davor von Protestierenden mit lautem Applaus empfangen. Sprechchöre lauteten: "Wir sind hier, sind laut, weil man uns die Häuser klaut", aber auch "BRD Bullenstaat" und "Ganz Potsdam hasst die Polizei". Über der Szenerie kreiste einige Stunden ein Hubschrauber. Vor der FH haben die Abrissgegner ein Protestcamp aufgebaut, das bis in den späten Abend von vielen Menschen besucht wurde. Es soll bis Sonntagabend stehen. Dies haben die Protestierenden bei der Polizei so beantragt.

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Verletzt wurde bei dem Einsatz nach bisherigen Erkenntnissen ein Polizist; einmal setzte die Polizei Pfefferspray ein, das sei nötig geworden,  nachdem mehrere Personen versucht hätten, in das abgeriegelte FH-Gebäude einzudringen. Unklar blieb, was es mit dem angeblichen Fund von Pflastersteinen in einem Raum im Gebäude auf sich hat. Möglicherweise seien diese schon lange dort gewesen, hieß es von einigen. Andere vermuteten, Abrissgegner könnten sie zur Abwehr bei Räumung dort platziert haben.

Besetzer: Alle Mittel im Rahmen der Parteipolitik sind ausgeschöpft, es gehe nur noch "aufgeben oder besetzen"

Die Besetzung hatte um kurz nach 13 Uhr am Donnerstagmittag begonnen. Protestierende kletterten an der Fassade der FH und entrollten mehrere Banner, unter anderem mit der Aufschrift „Bitte stehen lassen“ und „Stadt für alle“. Die Besetzer, die sich Initiative "Bitte stehen lassen" nennen, erklärten zeitgleich in einer Pressemitteilung, sie hätten sich mit einem offenen Brief an die FH-Leitung gewandt. Darin hieß es, der Betrieb der FH könne während der Besetzung weiterlaufen, das Gebäude werde nicht beschädigt – im Gegenteil: Man wolle einen Teil der Fassade neu streichen. Damit begann eine Demonstrantin in Maleranzug auch. „Wir sehen im Fachhochschulgebäude eine wichtige Ressource, zu der alle Menschen in Potsdam Zugang haben sollten und wollen diese retten“, schreiben sie weiter.  Sie abzureißen und stattdessen historisierende Fassaden und Häuser in Privatbesitz zu errichten, würde diese Ressourcen zerstören. „Deshalb haben wir sie uns angeeignet und werden sie von nun an allen Interessierten frei zugänglich halten. Das ist unverhandelbar.“ Man lade alle Potsdamer dazu ein, die frei werdenden Räume gemeinsam zu gestalten.

Die Mittel, die im Rahmen der Parteipolitik in der Stadt zur Verfügung stünden um einen Abriss zu verhindern, seien inzwischen ausgeschöpft, heißt es in der Erklärung von „Bitte stehen lassen“. Daher sei nun die „direkte Aktion“ die angemessene Handlungsform, es gebe nur noch die Alternativen: „Aufgeben oder Besetzen“. Und weiter: „Wo ein ,Bitte stehen lassen!’ kein Gehör mehr findet, wird ziviler Ungehorsam notwendig.“

"Potsdamer Mitte neu denken" meint: Privatisierung und Nichtbeteiligung der Potsdamer sind "das größte Verbrechen"

Solidarisch erklärte sich die Initiative „Potsdamer Mitte neu denken“. Es gehe um friedliche Proteste gegen eine Politik, „die Leute zwingt, solche drastischen Mittel zu ergreifen“, so Sprecher André Tomczak vor den knapp 200 anwesenden Unterstützern des Camps. Seine Initiative teilte mit, die „Privatisierung wertvollster öffentlicher Flächen“ und „die Nichtbeteiligung der Potsdamer“ bei der Entwicklung ihrer Stadtmitte seien „das größte Verbrechen“.

Schon seit Wochen gibt es Aufrufe aus der linken Szene, die FH zu besetzen (PNN berichteten). Auf dem Internet-Blog von „Bitte stehen lassen“ wurde auch ein Flugblatt mit dem Titel „Was tun? Wie unterstütze ich eine Besetzung?“ veröffentlicht. Die erst vor wenigen Wochen gegründete Initiative „Bitte stehen lassen“ speist sich aus der linken Szene der Stadt mit ihren verschiedenen Haus- und Kulturprojekten.

Was die Besetzer konkret forderten, erklärte Tomczak von „Potsdamer Mitte neu denken“  am Nachmittag in einer Rede vor Ort: Zunächst sollten die Abrisspläne durch ein Moratorium auf Eis gelegt werden. Anschließend solle eine einjährige Zwischennutzung der FH erfolgen. Drittens mache man sich stark für ein Partizipationsverfahren, mit dem die Potsdamer an der Entscheidung über die Zukunft des Bau beteiligt würden. „Und eines steht fest: Wir werden das Gebäude freiwillig nicht wieder aufgeben“, hieß es von der Initiative „Bitte stehen lassen“.

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So kam es dann am Abend auch: Die Polizei ging teilweise entschlossen gegen die protestierenden Menschen vor und drängte sie im Eingangsbereich der FH zurück. Es gab lautstarken Protest in Sprechchören, aber es wurden den Polizisten auch Blumen gereicht. 

Gegen 20 Uhr ließ FH-Präsident alle Räume bis auf die Mensa räumen

Als Vertreter der Stadtspitze waren Bürgermeister Burkhard Exner (SPD) und der Baubeigeordnete Bernd Rubelt (parteilos)vor Ort an der FH. Sie verhandelten ebenso wie die Polizei und der FH-Präsident Eckehard Binas mit den Protestierenden. Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) ist gerade in Sansibar, Potsdams neuer Partnerstadt. Es verstrichen mehrere Ultimaten zum freiwilligen Abzug, die die Leitung der FH ausgesprochen hatte. Gegen 20 Uhr ließ FH-Präsident Binas zunächst alle Räume bis auf die Mensa räumen, dann folgte gegen 22.45 Uhr auch diese.

Exner versuchte, den Protestierenden die Stadtpolitik zu vermitteln: Es gehe nicht um einen Ausverkauf der Mitte. Im Gegenteil: Man achte auf die soziale Mischung in dem Viertel. Nach dem letztlich für ungültig erklärten Bürgerbegehren mit 15 000 Unterschriften auch für den Erhalt der FH von „Potsdamer Mitte neu denken“ hatte die Stadt die Vergabekriterien verändert: So werden die Grundstücke nicht mehr nach Höchstgebot, sondern zum Festpreis verkauft. Außerdem sollen Interessenten bevorzugt werden, die in ihren Häusern Sozialwohnungen errichten oder öffentliche Einrichtungen für Bildung und Kultur schaffen. Einige wenige Gebäude sollen eine möglichst originale barocke Fassade erhalten, bei den meisten Bauten sind moderne Varianten gewollt und möglich.

Heftige Kritik an der Besetzung kam von der CDU. „Über die Zukunft des FH-Gebäudes wurde nach einem langjährigen demokratischen Diskussionsprozess entschieden“, erklärte CDU-Kreischef Steeven Bretz. Zur Demokratie gehöre es, Mehrheitsentscheidungen zu akzeptieren, auch wenn sie nicht der eigenen Meinung entsprechen. „Das müssen auch die Linken endlich mal lernen.“

SPD-Stadtverordneter Heuer: Besetzung ist Missachtung demokratischer Strukturen

Dagegen lobte der vor Ort anwesende Linke-Bundestagsabgeordnete Norbert Müller die Besetzung als ein Zeichen für öffentliche Nutzung und gegen private Verwertung. Anders drückte sich der Linke-Landtagsabgeordnete und Stadtfraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg aus – zwar lobte er die „Enthusiasten“, die die FH erhalten wollen. „Ich halte die Besetzung aber für aussichtlos.“ SPD-Fraktionschef Pete Heuer sagte, die Besetzung stelle eine Missachtung demokratischer Entscheidungen dar. Er fügte hinzu: „Wer reingeht, muss auch wieder rauskommen.“

Drastischer drückte sich die CDU-Bundestagskandidatin Saskia Ludwig aus: „In Potsdam dürfen nicht Linksextreme bestimmen, welche Häuser abgerissen werden.“ Die Landesregierung dürfe vor dem „linkem Mob“ nicht kapitulieren, sagte Ludwig – und erinnerte an die gerade erst erfolgte Absage einer Podiumsdiskussion des Landesschülerrats aus Sicherheitsgründen, nachdem die Antifa mit Störungen gedroht hatte, sollte die AfD-Jugend teilnehmen.

Der Vorsitzende des Bildungsausschusses, Clemens Viehrig (CDU/ANW), kritisierte wiederum, dass der Stadtjugendring seine überdimensionale aufblasbare Gummiente am Protestcamp aufstellte – auch dieser stelle sich „gegen demokratische Beschlüsse?!“, twitterte Viehrig. Der SJR ist der Dachverband von 25 Jugendorganisationen in Potsdam und sieht sich als parteipolitisch unabhängiger Verein für Interessen von Kindern und Jugendlicher. Der zuständige Beigeordnete Mike Schubert (SPD) war deshalb später auch vor Ort.

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Der Abriss der FH soll im Herbst beginnen. Statt des zu DDR-Zeiten errichteten nunmehr durch lange Vernachlässigung maroden Baus sollen zwei Wohn- und Geschäftskarrees gebaut werden, gerade werden private Bauherrn gesucht. Eigentümer der FH ist noch das Land Brandenburg, der Hausherr ist die Fachhochschule. Der genaue Übergabetermin an die Stadt steht noch nicht fest. Derzeit nutzt nur noch ein Fachbereich das Gebäude. Die FH selbst benötigt es nicht mehr, da sie nun in zahlreichen modernen Neubauten an der Pappelallee ihren Sitz hat.

Über die weitere Gestaltung der Potsdamer Mitte rund um den Alten Markt gibt es bereits seit vielen Jahren heftige Debatten. Gegner der städtischen Baupläne kritisieren, Potsdam werde zum preußischen Disneyland und bedeutende DDR-Architektur zerstört. Zudem werde die freie Szene an den Rand der Stadt verdrängt, öffentliche Räume würden privatisiert.

Befürworter sehen die Stadt nach dem als Landtag wiederaufgebauten Stadtschloss und dem Neubau des Museums Barberini auf dem Weg, ihre frühere Schönheit zurückzuerhalten. Die Pläne für die Mitte werden seit mehr als 25 Jahren im Stadtparlament debattiert, stets hatte eine Mehrheit aus SPD, CDU/ANW, Grünen und Bürgerbündnis/FDP die Wiedergewinnung der historischen Mitte und auch den Abriss der FH beschlossen.

Lesen Sie auch: Kommentar zur Besetzung der Fachhochschule

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