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Nach dem Sturm "Xavier" in Potsdam: Haufenweise Arbeit

110 historische Altbäume sind durch das Sturmtief „Xavier“ im Park Sanssouci verloren gegangen. Die Aufräumarbeiten werden noch Monate dauern. Doch auch die Potsdamer können helfen.

Potsdam/Sanssouci - Der mächtige Baum liegt quer über dem Wassergraben. Die komplette Wurzelplatte von mehreren Metern Durchmesser hat es mit in die Luft gerissen. Das entstandene Erdloch ist mit rot-weißem Flatterband abgesperrt. Ein Spaziergänger schaut ungläubig auf die Szenerie. Dass der Baum die erst vor zwei Jahren sanierte Mondbrücke direkt daneben nur knapp verfehlt hat – „Glück im Unglück“, sagt Sven Hannemann, einer der drei Gartenrevierleiter des Parks Sanssouci. Rund 100 Jahre stand der Spitzahorn an dieser Stelle, ehe ihn das Sturmtief „Xavier“ am 5. Oktober niederzwang.

Die Gärtner von Sanssouci sind mit fast nichts anderem als den Sturmfolgen beschäftigt

Der Baum ist nur einer von vielen. Die 55 Sanssouci-Gärtner sind dieser Tage mit fast nichts anderem als den Sturmfolgen beschäftigt. Und es wird wohl trotzdem noch bis in den nächsten Herbst dauern, ehe alle verlorenen Bäume ersetzt worden sind, schätzt Hannemann. Die erste Bestandsaufnahme für den rund 300 Hektar großen Park ist gemacht, seit einigen Tagen ist er auch wieder für den Besucherverkehr geöffnet. Aber die Beseitigung der Schäden erfordert Zeit – und teilweise auch Spezialfirmen, die derzeit wegen unzähliger ähnlicher Aufträge kaum zu bekommen seien, berichtet Hannemann.

Am Abend als „Xavier“ aufzog, war der 47-jährige Landschaftsgärtner noch auf der Arbeit. Als er vor sein Büro in dem eingeschossigen Barackenbau in der Parkgärtnerei trat, sei die Stimmung gespenstisch gewesen, erinnert er sich: „Ich habe gehört, wie ringsum die Bäume umgeknackt sind.“ Am Morgen danach sei es für ihn und die Kollegen erstmal nur um eins gegangen: „Die Ruhe zu bewahren.“ Systematisch vorzugehen und angesichts der Schäden nicht hektisch zu werden. Mancher verlorene Baum schmerzt Hannemann dabei besonders, wie er beim Rundgang erzählte. Zum Beispiel die rund 150 Jahre alte Linde an der Maulbeerallee unweit der Orangerie: „Das war die größte in meinem Parkrevier“, sagt Hannemann: „Das ist dann schon ein wehmütiger Anblick.“

Mancher verlorene Baum schmerzt Hannemann besonders

Insgesamt 65 Bäume wurden durch den Sturm in Sanssouci niedergerissen, bei weiteren 45 sind die Kronenverluste so gravierend und gefährlich, dass sie notgefällt werden müssen. Insgesamt sind damit am 5. Oktober mehr als doppelt so viele Bäume in Sanssouci verloren gegangen wie sonst in einem ganzen Jahr, rechnet Hannemann vor. Bei weiteren 135 Bäumen gibt es zwar Kronenausbrüche, aber noch Hoffnung auf einen Erhalt. Derart gravierende Auswirkungen habe es in den 15 Jahren, in denen er bei der Stiftung arbeitet, noch nicht gegeben, sagt Hannemann. In den anderen Potsdamer Schlösserparks sieht die Bilanz nicht besser aus: Im Neuen Garten sind durch „Xavier“ insgesamt 76 Bäume verloren gegangen, im Park Babelsberg 60 Bäume, im Park Sacrow 50 Bäume, wie Stiftungssprecher Frank Kallensee den PNN sagte. Bei den Bäumen handelte es sich jeweils um historische und entsprechend große Altbäume – im Park Sanssouci teilweise bis zu 180 Jahre alt und damit noch aus Lennés Zeiten.

Das ist auch für den Besucher im Parkbild sichtbar – und zwar nicht nur durch die Holzstapel, die derzeit an vielen Stellen liegen. Das Holz übrigens soll in der Pelletheizung im stiftungseigenen Schirrhof verbrannt werden – oder verkauft. Vor der Meierei am Kuhtor etwa musste eine etwa 150 bis 160 Jahre alte zweistämmige Linde notgefällt werden, weil der riesige Wurzelteller durch den Sturm angehoben wurde, wie Hannemann erklärt. Der neue Baum, der dort irgendwann nachgepflanzt wird, wird zunächst nur zwischen zehn und 15 Jahre alt sein – also wesentlich kleiner. Auf einer Wegstrecke vom Parkplatz bei Sanssouci in Richtung Bornstedter Straße sind auf nur 200 Metern sogar sieben Altbäume verloren gegangen. An den Kolonnaden von Schloss Sanssouci hat es eine Linde erwischt – auch hier war wieder Glück im Unglück im Spiel: Der Baum fiel zwar gegen die Kolonnaden, verursachte aber keine Schäden an der Bausubstanz.

Der Hallimasch ist der größte Feind der Gärtner

Dass der Sturm so viele Bäume mitgenommen hat, führt Hannemann auch auf die Wetterlagen der vergangenen Jahre zurück. Nach zwei sehr trockenen Sommern seien die Bäume bereits geschwächt gewesen. Durch die feuchte Witterung in diesem Jahr konnte sich der Hallimasch besonders schnell ausbreiten – der essbare Pilz ist Gift für die Bäume, erklärt Hannemann: „Das ist unser größter Feind.“ Der Parasiten-Pilz greife Wurzeln an und fresse sie regelrecht auf. Ist ein Baum befallen, können die Gärtner praktisch nichts mehr tun und müssen ihn über kurz oder lang verloren geben. Vom Pilz geschwächte Bäume wiederum seien bei Sturm besonders gefährdet.

Das Aufräumen nach „Xavier“ geschieht nun Schritt für Schritt. Beim Ahorn an der Mondbrücke zum Beispiel müssen die Gärtner möglicherweise auf den Winter und Frost warten, erklärt Hannemann: Denn andernfalls wird der mit Wasser gefüllte Graben zum Problem. Bevor neue Bäume nachgepflanzt werden können, müssen die Standplätze außerdem von Spezialfirmen „ausgefräst“ werden – also alle Wurzelreste entfernt und neue Erde eingebracht werden.

Bei Spaziergängen sicherheitshalber auf den Wegen bleiben

Auch die Potsdamer können sich dabei engagieren – wenn sie als „Baumpaten“ die Kosten für einen neuen Baum übernehmen. Mit 350 Euro sollte man dabei rechnen. Ansonsten ist bei den Parkbesuchern derzeit Vorsicht gefragt, betont Hannemann: Sie sollten unbedingt auf den Wegen bleiben und die Absperrungen beachten. Wegen abgebrochener Äste könnte der Spaziergang sonst schnell gefährlich werden.

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