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Solide Stadtgesellschaft. Gegen Rechtsextreme stehen die Potsdamer zusammen, jung und alt, links oder konservativ.

© A. Klaer

Nach dem sechsten Pogida-Aufmarsch in Potsdam: „Pogida ist gescheitert“

Der Politikprofessor Heinz Kleger spricht im PNN-Interview über den Versuch der Rechten, in Potsdam Fuß zu fassen und das Durchhaltevermögen der Gegendemonstranten.

Von Katharina Wiechers

Herr Kleger, seit Wochen beschäftigt der Potsdamer Ableger der rechten Pegida-Bewegung die Stadt, erst am Mittwoch haben Christian Müller und seine Anhänger wieder einen sogenannten Abendspaziergang durchgeführt. Haben Sie Sorge, dass die Rechten in Potsdam Fuß fassen?

Überhaupt nicht. Das ist doch nur eine Möchtegern-Pegida, kaum jemand möchte sich ihnen anschließen. Deshalb versucht Herr Müller ja auch im Internet, Leute von außerhalb zu gewinnen.

Glauben Sie, es geht bei Pogida um eine kleine Gruppe Rechter, die sich daran erfreut, die Stadt aufzumischen? Oder denken Sie, da steckt ein langfristiger Plan dahinter?

Ich kann mir schon vorstellen, dass mit den sogenannten Abendspaziergängen versucht werden sollte, die Tür für verschiedene rechte Splittergruppen zu öffnen und zu sehen, wie die Resonanz in Potsdam ist. Aber es ist doch eindeutig: Die Resonanz wird von Mal zu Mal kleiner und nicht größer. Ich finde, Pogida könnte jetzt mit den Demonstrationen aufhören. Pogida ist gescheitert.

Sehen Sie denn einen Unterschied zwischen den Pegida-Anhängern in Dresden oder Leipzig und jenen in Potsdam? Sind es in Potsdam auch „besorgte Bürger“, die sich da versammeln?

Nein, ich teile da die Auffassung von Anna Spangenberg, der Geschäftsführerin des Brandenburger Aktionsbündnisses gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit. Sie sagte, dass es sich bei Pogida nicht um sogenannte „besorgte Bürger“ handelt, sondern um rechtsextreme Splittergruppen.

Aber wie kommt es, dass Pegida gerade in Potsdam so wenig Zulauf bekommt – zum Beispiel eben von den „besorgten Bürgern“?

Ich denke, das hat damit zu tun, dass sich in Potsdam eine tolerante und solide Stadtgesellschaft entwickelt hat – in Dresden oder Leipzig fehlt so etwas vielleicht. Das Bündnis „Potsdam bekennt Farbe“ ist sehr präsent und schafft es, alle demokratischen Parteien zu vereinen, also auch die Linke und die CDU. Das macht viel aus. Und auch, dass der Oberbürgermeister sich an die Spitze dieses Bündnisses gestellt hat, ist wichtig für eine starke Stadtgesellschaft. Er macht das sehr überzeugend und war immer sehr präsent – auch bei weniger bekannten Demonstrationen.

Rund 1000 Potsdamer haben sich an der jüngsten Gegendemonstration beteiligt. Ist das viel für eine Stadt dieser Größe?

Ja, das ist in Bezug auf die Bevölkerung viel – und wenn man bedenkt, was für ein Wetter herrschte, erst recht. Wobei man auch sagen muss, dass gerade die lange Route durch Babelsberg eine ungeheure Provokation war, es war klar, dass sich die Menschen dagegen wehren würden. Dass der Aufmarsch durch eine friedliche Sitzblockade beendet werden konnte, finde ich erfreulich. Ich denke, es war sehr vernünftig von der Polizei, die Pegida-Anhänger umdrehen zu lassen. Auch freut mich, dass immer sehr viele junge Leute dabei sind. Viele 13-, 14-, 15-Jährige haben sich beteiligt, aus eigenem Antrieb. Das Thema bewegt sie, sie politisieren sich. Das finde ich gut.

Besteht denn die Gefahr, dass die Bereitschaft, gegen Pegida zu demonstrieren, nachlässt, dass Ermüdungserscheinungen auftreten? Herr Müller hat die nächsten Aufmärsche ja schon angekündigt...

Das Bündnis „Potsdam bekennt Farbe“ funktioniert sehr zuverlässig, und das seit Jahren. Dem geht die Luft nicht aus, da bin ich ganz sicher. Abendspaziergänge sind gesund, wenn man sie im richtigen Geist unternimmt.

Die Fragen stellte Katharina Wiechers

ZUR PERSON: Heinz Kleger (63) ist gebürtiger Schweizer und seit 1994 Professor an der Universität Potsdam. Er ist Mitinitiator des 2009 gegründeten Vereins „Neues Potsdamer Toleranzedikt“.

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