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Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) besucht am Freitag die Oberlinklinik.

© Andreas Klaer

Nach dem Lockdown im Potsdamer Klinikum: Oberlin-Helfer fordern Corona-Bonus

Sie müssten in fachfremden Bereichen aushelfen und einspringen, als das Bergmann-Klinikum nach dem dortigen Corona-Ausbruch vom Netz ging. Nun vermissen die Mitarbeiter der Babelsberger Oberlinklinik die Anerkennung der Stadt.

Babelsberg - Sie mussten übernehmen, als das größte Krankenhaus in der Landeshauptstadt, das zweitgrößte in ganz Brandenburg, wegen Corona in Not geriet. „Sie haben in der Landeshauptstadt die Stellung gehalten und Flagge gezeigt“, sagte Brandenburgs Gesundheitsministerin und Vize-Ministerpräsidentin Ursula Nonnemacher (Grüne) bei einem Vor-Ort-Termin am Freitag an die Adresse der Mitarbeiter der Babelsberger Oberlinklinik. Als das kommunale Klinikum „Ernst von Bergmann“ nach dem schweren Corona-Ausbruch Ende März die Regelversorgung der Patienten vorübergehend einstellen musste, waren auch die Oberlin-Ärzte und -Pfleger gefordert wie nie zuvor. Zusätzlich zu der Aufgabe, im eigenen Haus Patienten und Mitarbeiter vor einer Infektion zu schützen, mussten sie Hilfe leisten, um die Gesundheitsversorgung in der Landeshauptstadt aufrechtzuerhalten. 

70 Oberlin-Mitarbeiter halfen am St.Josefs aus 

Insgesamt 70 Oberlin-Mitarbeiter der unterschiedlichsten Disziplinen – Therapeuten, chirurgisches und anästhesiologisches Fachpersonal, Pflegekräfte, Krankenschwestern, Orthopäden – halfen seit dem 16. März im St. Josefs, dem zweitgrößten Krankenhaus der Stadt, aus, nachdem das zur Alexianer-Gruppe gehörende Haus die Versorgung von Bergmann-Patienten mit übernahm. Aktuell ist noch eine Oberlin-Pflegefachkraft im St. Josefs eingesetzt. „Als der große Tanker leck ging, haben wir ausgeholfen“, sagt Robert Krause, Ärztlicher Direktor der Oberlinklinik. Gleichzeitig habe es man bis heute geschafft, ohne Infektionsfall im eigenen Haus durch die Krise zu kommen. „Für die Mitarbeiter war es extrem schwer, die Situation auszuhalten“, betont Krause. „Zu der sehr hohen Arbeitsbelastung kam die Gefahr für die eigene Gesundheit und die der Familien.“ 

Bonus soll nur an Klinikum-Mitarbeiter gehen 

Umso größer ist der Frust bei den insgesamt rund 1500 Mitarbeitern der drei Christlichen Kliniken in Potsdam (CKP) – auch das Evangelische Zentrum für Altersmedizin gehört dazu –, dass ihr Einsatz in der Krise von der Stadt nicht finanziell honoriert wird. Im Gegensatz zu den Mitarbeitern des kommunalen Klinikums sollen die Kranken- und Pflegekräfte der christlichen Kliniken wie berichtet keine Bonuszahlung erhalten. Die Stadt hat zwar 900000 Euro bereitgestellt, von denen profitieren aber nur die Angestellten des Bergmann-Klinikums. Anders ist es nach Rathausangaben haushaltsrechtlich nicht möglich, weil die Christlichen Kliniken keine Unternehmen der Stadt sind.
Wie tief die Kränkung durch die Ungleichbehandlung sei, habe sie in einem Gespräch mit Vertretern der Christlichen Kliniken erfahren, so Nonnemacher. In einem Telefonat mit Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) habe sie versucht, das deutlich zu machen. „Aber das ist keine einfache Gemengelage“, da die Kliniken nun einmal nicht in Trägerschaft der Stadt seien. Auch sie selbst könne derzeit nicht mit viel mehr als „warmen Worten“ aufwarten. „Ich habe leider kein Geld in der Tasche“, sagte Nonnemacher, die selbst 26 Jahre als Klinikärztin in Berlin gearbeitet hat. Sie könne gerade aus ihrer Zeit als Notfallärztin sehr gut nachvollziehen, welche Leistungen die Klinikmitarbeiter in der Hochzeit der Corona-Pandemie vollbracht hätten. Aber auch das Land sei wegen der Coronakrise und damit verbundenen erheblichen Steuerausfällen finanziell in einer schwierigen Situation.

Schwierige Rückkehr zum Regelbetrieb 

Wie schwierig die Situation für das Oberlinhaus war, beschreibt Sprecherin Andrea Benke: „Durch den Lockdown musste unser Krankenhaus geplante OPs absagen und konnte einen Großteil unserer Patienten nicht mehr versorgen.“ Mit dem Aufnahmestopp im kommunalen Klinikum wurde die Patienten-Versorgung auf die Christlichen Kliniken umgelegt. „Das bedeutete, dass über Nacht ein völlig neues Versorgungskonzept in allen drei Kliniken erstellt, Stationen umorganisiert, Medizintechnik ausgetauscht und Personal entsprechend in neu aufgestellte Dienstpläne geplant werden musste“, so Benke. Das habe einen extrem hohen Koordinierungsaufwand und schnelle Reaktionsfähigkeit erfordert. „Im ärztlichen Dienst bedeutete dies, dass Ärzte unfallchirurgisch tätig und Fachpersonal teilweise fachfremd beschäftigt werden mussten. Schnelles Anlernen von Disziplinen wie internistische Kenntnisse mussten gewährleistet sein“, so Benke. Mitarbeitende der Oberlinklinik seien mit Patientensituationen konfrontiert gewesen, die auch eine seelische Belastung darstellten. „Mit sterbenden Patienten beispielsweise haben sie in der Oberlinklinik, die eine elektive orthopädische Fachklinik ist, in ihrem beruflichen Alltag keine Berührung.“ Inzwischen kehrt auch die Oberlinklinik zum Regelbetrieb zurück, geplante OPs werden wieder durchgeführt, aber, schränkt Benke ein, „wir können noch nicht auf volle 100 Prozent hochfahren“. Aufgrund der hohen Hygiene- und Abstandsvorschriften arbeite das Personal nach wie vor in voller Schutzausrüstung. 

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