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Die DHL-Packstation an der Kantstraße Ecke Roseggerstraße in Potsdam (Brandenburg), in der die Paketbombe aufgegeben wurde (Aufnahme vom 03.12.2017). Die Polizei sucht jetzt nach Zeugen. Das verdächtige Paket am Potsdamer Weihnachtsmarkt geht auf eine Erpressung des Paketdienstes DHL zurück.

© Gregor Fischer/dpa

Nach dem Bombenalarm in Potsdam: Erpressung statt Terror

Ein im Internet erstellter QR-Code in der Paketbombe vom Potsdamer Weihnachtsmarkt führte die Ermittler zum Erpresserbrief. Aufgegeben wurde das Paket in Potsdam-West. Jetzt sucht die Polizei dort Zeugen. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu dem Fall.

Wie sind die Ermittler der Erpressung auf die Spur gekommen?

Der kleine Zettel war in „Hunderte von Einzelteilen“ zerrissen und teilweise verbrannt. Denn er befand sich in dem Paket, das die Bundespolizei am Freitagnachmittag am Potsdamer Weihnachtsmarkt kontrolliert entschärft hatte – mittels Wasserschneider. Doch in weniger als 48 Stunden, so schilderte es Brandenburgs Polizeipräsident Hans-Jürgen Mörke bei der am Sonntag eilig einberufenen Pressekonferenz in Potsdam, hatten die Kriminaltechniker der Ermittlungsgruppe „Luise“ das Papier wieder zusammengesetzt. Sie fanden einen QR-Code, der zu einem hinterlegten Erpresserschreiben gegen den Paketdienst DHL führte. Es ist eine Millionenforderung mitten im Weihnachtsgeschäft, verbunden mit der Drohung, weitere Paketbomben zu senden, wenn DHL nicht zahlt.

Wer ist potenziell in Gefahr?

Zunächst einmal jeder, der ein Paket von DHL zugestellt bekommt. Bislang wissen die Ermittler von zwei Paketbomben, die mit der DHL-Erpressung in Zusammenhang stehen – der in Potsdam und einem Paket, das am 6. November einem Online-Versandhändler in Frankfurt (Oder) zugestellt worden ist. Es ging beim Öffnen in Flammen auf. Auch in diesem Paket soll sich ein Zettel mit einem QR-Code, über den ein Erpresserschreiben hinterlegt war, befunden haben. Dieser ist jedoch verbrannt. Die Polizei geht laut dem Chef der Sonderkommssion „Luise“, Jörn Preuß, davon aus, dass vorrangig kleine Unternehmen betroffen sein könnten. Aber auch Privatpersonen könnten Adressaten von Paketbomben sein. 

Woran kann man ein verdächtiges Paket erkennen?

Möglicherweise am Absender: Wer ein unerwartetes Paket von einem unbekannten Absender erhält, sollte vorsichtig sein, warnen die Potsdamer Polizei und auch der Paketdienst DHL. Indizien für ein verdächtiges Paket seien zudem eine schlecht leserliche, handgeschriebene Adressierung, auffallende Rechtschreibfehler, Absender oder Adresse, die nicht am üblichen Platz stehen, sowie Verfärbungen und Flecken, sagte Sonderkommissions-Chef Preuß. Ein drastisches Alarmsignal: herausragende Drähte. 

Was ist zu tun, wenn man ein verdächtiges Paket erhalten hat?

Nicht mehr anfassen, weggehen und auch andere Menschen nicht mehr in die Nähe des Pakets lassen, sofort die Polizei alarmieren und auf keinen Fall öffnen – so die eindringlichen Hinweise von Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD). Für Verdachtsfälle hat die Polizei ein Hinweistelefon geschaltet, das seit Sonntagnachmittag rund um die Uhr erreichbar ist. Die Nummer lautet Tel.: (0331) 50 59 50. 

Wie gefährlich war die Paketbombe, die an die Königin-Luise-Apotheke geliefert wurde?

Sie war nach Angaben von Innenminister Schröter sehr gefährlich. Damit haben die Sicherheitsbehörden ihre Angaben vom Freitagabend revidiert. Zu diesem Zeitpunkt hieß es, die Paketbombe habe keinen Zünder gehabt, sei also eher eine Attrappe gewesen. Dies stellt sich laut Schröter nun anders da: Der Apotheker habe beim Öffnen des Pakets ein Zischen gehört, es sei „eher durch einen glücklichen Umstand“ nicht zu einer Explosion gekommen. Das etwa 30 mal 40 Zentimeter großen Paket enthielt nach Ermittlerangaben einen zylinderförmigen Metallbehälter mit Hunderten Nägeln, einen illegalen Böller und Drähte. In dem Paket, das in Frankfurt (Oder) weitgehend verbrannte, seien statt Nägel Kugellager enthalten gewesen. Beides hätte zu „schwersten Verletzungen“ von Menschen im Umkreis führen können, so Minister Schröter. 

Die Polizei sucht per Fahndungsplakat nach Zeugen – wer könnte den Ermittlern helfen?

Den Ermittlungen zufolge ist die Potsdamer Paketbombe am Donnerstag, dem 30. November, gegen 7 Uhr an der DHL-Packstation in der Kantstraße Ecke Roseggerstraße, aufgegeben worden. Gesucht werden Menschen, die an diesem Morgen zwischen 6.30 und 7.15 Uhr im Bereich der Potsdamer Kantstraße sowie direkt an der dortigen Packstation Personen oder Fahrzeuge wahrgenommen haben oder dort Sendungen aufgegeben oder abgeholt haben. Hinweise unter Tel.: (0331) 50 59 50 oder an jede Polizeidienststelle.

Wie geht es mit den Ermittlungen weiter?

Ermittelt werde wegen versuchter Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion und versuchter schwerer räuberischer Erpressung, sagte der Leitende Potsdamer Oberstaatsanwalt Heinrich Junker. Die nach letzten Angaben 25 Kriminalisten der Sonderkommission „Luise“ arbeiten laut Polizeipräsident Mörke „in zwei Schichten rund um die Uhr“. 

Besteht noch Gefahr auf dem Potsdamer Weihnachtsmarkt?

Die Paketbombe vom Freitag habe „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ nicht dem Weihnachtsmarkt gegolten, sagte Innenminister Schröter. Dass sie der Apotheke zugestellt wurde, die direkt am Weihnachtsmarkt auf der Brandenburger Straße liegt, sei vermutlich ein Zufall gewesen. Es ist demnach von keiner außergewöhnlichen Bedrohungslage auszugehen. Am Wochenende gab es nach Polizeiangaben auf keinem der vier großen Potsdamer Weihnachtsmärkte Zwischenfälle. Der Markt „Blauer Lichterglanz“ ist ohnehin bereits durch Polizisten mit Maschinenepistolen, Zivilstreifen sowie Videoüberwachung und durch Poller und Lastwagen versperrte Zufahrten gesichert. Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) sagte am Sonntag, er „verurteile die Tat und die Motive der Täter auf das Schärfste“. Dennoch sei es „beruhigend zu wissen, dass weder die Besucher des Weihnachtsmarktes noch die Mitarbeiter der Apotheke im Visier der Täter standen“. Ein „unbeschwerter Besuch“ der Potsdamer Weihnachtsmärkte sei nun weiterhin möglich.

Wie verhält sich DHL?

Der Paketdienst wollte am Sonntag keine Stellungnahme zu der Erpressung abgeben. Wie Polizeipräsident Mörke sagte, stünde man jedoch in engem Kontakt zu dem Unternehmen und habe gemeinsam entschieden, an die Öffentlichkeit zu gehen. Angaben dazu, ob DHL eine Geldzahlung erwäge, wollten Mörke und auch Minister Schröter nicht machen.

Was ist ein QR-Code?

Die zweidimensionalen Muster aus schwarzen und weißen Quadraten sind weit verbreitet. Mit ihnen lassen sich beispielsweise Texte oder Internetadresssen umwandeln, die dann mit dem Smartphone ausgelesen werden können. Dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnologie zufolge werden die Codes beispielsweise verwendet, um Nutzern das aufwändige Abtippen einer langen Internetadresse abzunehmen. QR steht dabei für Quick Response (schnelle Antwort). Ursprünglich wurde der Code von der japanischen Firma Denso Wave zum Einsatz in der Automobilproduktion entwickelt. Die Codes lassen sich aber lizenz- und kostenfrei verwenden. Im Internet finden sich zahlreiche Seiten, mit denen Nutzer Texte oder andere Zeichenfolgen in QR-Code umwandeln können. Im Falle der Potsdamer Paketbombe macht das die Arbeit der Ermittler nicht einfacher: Dem brandenburgischen Polizeipräsidenten Hans-Jürgen Mörke zufolge lässt sich der für das Erpresserschreiben benutzte QR-Code "so gut wie nicht zurückverfolgen". (mit AFP)

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