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Blumen und Kerzen stehen neben der Tür zur Synagoge, vier Tage nach dem rechtsextremistischen Anschlag auf die Gemeinde. Foto: Hendrik Schmidt/dpa-Zentralbild/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

© Hendrik Schmidt/dpa

Nach Attentat in Halle arbeitsunfähig: Potsdamer Amt streicht BAföG für Überlebende des Synagogen-Anschlags

Die finanzielle Unterstützung für eine Überlebende des Anschlags auf die Synagoge von Halle wurde vom Potsdamer BAföG-Amt gestrichen. Nun sucht das Wissenschaftsministerium nach einer Lösung.

Potsdam - Für die Potsdamer Studentin Agata Maliszewska, die den antisemitischen Terroranschlag von Halle im Oktober 2019 überlebt hat, gibt es etwas Hoffnung, dass sie ihr Studium fortführen kann. Wie Brandenburgs Wissenschaftsministerin Manja Schüle (SPD) im Kurznachrichtendienst Twitter mitteilte, werde Hilfe für die 24-Jährige gesucht. „Das ist wirklich eine schlimme Geschichte, für die man sich nur entschuldigen kann. Nach einigen Gesprächen bin ich aber sicher, dass es eine Lösung geben wird“, so die Ministerin.

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Denn zuletzt sah es schlecht aus für die Studentin der Jüdischen Theologie an der Universität Potsdam. Wie die Bild-Zeitung berichtete, wurde der Studentin aus Polen das Bafög gestrichen, weil sie wegen der Folgen des Attentats nicht mehr arbeiten konnte. Sie leide unter einer posttraumatischen Belastungsstörung. Ausländische Studierende brauchen aber eine geringfügige Beschäftigung, um die Ausbildungsförderung beziehen zu können. Dabei habe sie von Januar bis April 2020 eine Stelle als wissenschaftliche Mitarbeiterin gehabt, berichtete die Bild-Zeitung, doch dann wurde ihre Stelle coronabedingt gestrichen. Zwei Monate später habe das Amt die Zahlungen eingestellt.

Sprengstoff und Schusswaffen am jüdischen Feiertag

Ungefähr zu dieser Zeit begann auch der Prozess gegen den Attentäter. Stephan Balliet hatte am 9. Oktober 2019 versucht, mit Sprengstoff und Schusswaffen in die zum jüdischen Feiertag Jom Kippur gut besuchte Synagoge von Halle einzudringen. Einer der 52 Gäste an diesem Tag war Agata Maliszewska. Die Zugangstür hielt stand, der Angreifer tötete daraufhin vor der jüdischen Gemeinde die 40 Jahre alte Passantin Jana L. und in einem nahe gelegenen Dönerlokal den 20-jährigen Kevin S. Auf der Flucht schoss Balliet auf Polizisten und verletzte drei weitere Menschen schwer. 

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Kurz vor Weihnachten wurde er vom Oberlandesgericht Naumburg unter anderem wegen Mordes in zwei Fällen und versuchten Mordes in mehr als 55 Fällen zu lebenslanger Haft und anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Der Attentäter verzichtete auf eine Revision. Der Schuldspruch ist damit rechtskräftig.

Der Rechtsanwalt Mark Lupschitz, der Maliszewska und weitere Überlebende vertritt, bestätigte gegenüber den PNN die Berichterstattung. Der Prozess brachte für die Studentin die Erinnerungen zurück, denn sie sagte auch als Zeugin aus. „Vor allem die älteren Menschen hatten Panik, als sie in dem engen Flur nach oben in Sicherheit laufen sollten. Wir haben einfach nicht gewusst, wie lange die Situation andauern wird“, wird sie von der Magdeburger Volksstimme im Prozess zitiert. Zur Fahrt mit dem Bus zum Krankenhaus erinnert sie sich: „Ich habe mich gefühlt wie jemand, der sich im Krieg befindet.“ Bei der Evakuierung aus der Synagoge seien den Menschen Zettel mit Nummern angeheftet worden. Das erinnerte sie an ihre Großeltern, die „während der deutschen Besetzung Polens in mehreren Konzentrationslagern interniert waren“, schrieb die Berliner Zeitung.

Doch das Bafög-Amt blieb hart. Auch ein ärztliches Attest konnte es nicht umstimmen. „Auf lange Sicht werde ich mein Studium wohl abbrechen müssen, sagte die Studentin der Bild-Zeitung. Das Bafög-Amt des Studentenwerks Potsdam habe mit Verweis auf den Datenschutz nichts zu dem Fall sagen wollen. Das gleiche erfuhren die PNN am Donnerstag. Das Wissenschaftsministerium als unmittelbare Fachaufsicht des Amtes für Ausbildungsförderung sei im Bilde und werde den Bafög-Fall der betroffenen Studentin ebenfalls bewerten. Und auch die Universität Potsdam wollte inhaltlich nichts beitragen. Für Bafög-Entscheidungen sei das Studierendenwerk zuständig. Zu persönlichen Fällen könne man aus Datenschutzgründen keine Angaben machen, hieß es auf PNN-Anfrage.

Rechtsanwalt Lupschitz spricht von einer unglücklichen Einzelfallentscheidung. Man hätte im Amt erkennen müssen, dass es sich um einen Härtefall handelt. Auch er habe nun aber Signale erhalten, dass im Ministerium eine konstruktive Lösung gesucht wird. „Ich bin sehr froh, dass sich auch die Ministerin öffentlich dazu bekennt“, sagte er den PNN. Er hoffe, dass den Worten dann auch Taten folgen. Vielleicht könne der Fall auch ein Anstoß sein, um den Umgang mit traumatisierten Menschen generell zu hinterfragen.

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