zum Hauptinhalt
Christoph Meyer vor seinem Riesenrad auf dem Bassinplatz.

© Andreas Klaer

Nach Absage des Weihnachtsmarktes: Schausteller und Händler drohen Land mit Klage

Brandenburg soll sofort finanziell unterstützen, sonst stehe vielen der "wirtschaftliche Kollaps bevor", warnt jetzt die Interessengemeinschaft der Schausteller.

Von Carsten Holm

Potsdam - Die Empörung unter den Schaustellern ist groß, manche sind verzweifelt: Die Schließung des Weihnachtsmarktes in der Potsdamer Innenstadt durch die brandenburgische Landesregierung hat Händler und Schausteller in eine tiefe finanzielle Krise gestürzt. Wie berichtet wurde der „Blaue Lichterglanz“ am Montag, den 22. November zunächst zweigeteilt auf dem Bassin- und dem Luisenplatz eröffnet, dann aber wegen der sich verschärfenden Corona-Pandemie mit Wirkung vom Mittwoch, 24. November, null Uhr wieder geschlossen.

Nun stehen die Kaufleute laut der Interessengemeinschaft Berlin-Brandenburgischer Schausteller (IBBS), „vor dem wirtschaftlichen Kollaps“. Die Vereinigung forderte eine „sofortige finanzielle Unterstützung, um drohende Pleiten abwenden zu können“.

Prekär ist die Lage, wie ihr Sprecher Thilo-Harry Wollenschlaeger den PNN sagte, weil die Schausteller unter anderem in Speisen und Getränke, in Standmieten, Gebühren, Hygiene-Konzepte und Sicherheitsstrategien investiert und Personal eingestellt hätten.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Potsdam und Brandenburg live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple und  Android-Geräte herunterladen können.]

„Wir haben auf die Zusagen vertraut, dass wir auf den wenigen Weihnachtsmärkten, die in Brandenburg zugelassen waren, wieder aus eigener Kraft Geld verdienen könnten, um damit über die vor uns liegende Winterpause zu kommen“, sagte Wollenschlaeger: „Viele Schausteller haben ihre Rücklagen aufgebraucht und sich zum Teil hoch verschuldet, um im zweiten Pandemiejahr wieder einen neuen Anfang zu wagen. Jetzt fürchten sie, dass nicht der Weihnachtsmann, sondern der Gerichtsvollzieher kommt.“ Der IBBS fordere jetzt eine Soforthilfe ohne Einschränkungen.

Wenn es nicht zügig Hilfen gibt, will der Interessenverband klagen

„Wir erwarten von der Landesregierung, dass die Schaustellerfamilien zu hundert Prozent entschädigt werden“, so Wollenschlaeger. Den Unternehmen müssten die Kosten erstattet werden, die sie in den Aufbau, die Materialien und Lebensmittel sowie für die Gebühren investiert haben.“ Auch das inzwischen arbeitslose Personal, zumeist Honorar- und Teilzeitkräfte, müsse entschädigt werden. Sollten die Schausteller nicht zügig mit finanziellen Hilfen unterstützt werden, werde die IBBS den Klageweg beschreiten.

Einsam auf dem Bassinplatz: das Riesenrad.
Einsam auf dem Bassinplatz: das Riesenrad.

© Andreas Klaer

Christoph Meyer, Spross der Schausteller-Familie Meyer aus Stahnsdorf, hat in diesem Frühjahr 1,2 Millionen Euro für ein neues Riesenrad ausgegeben, 35 Meter hoch ragt es über den Bassinplatz. Meyer hatte auf viele Fahrgäste während des Weihnachtsmarkts gehofft – vergeblich. Immerhin: Das Riesenrad darf sich bis zum 2. Januar weiterdrehen. Ein paar Dutzend Fahrgäste steigen täglich ein, die meisten geben viel Trinkgeld. „Sie sind dankbar, hier etwas Freude erleben zu können“, sagt Meyer.

"Haben ein furchtbares Weihnachtsfest vor uns"

„Wie die Entscheidung vollzogen wurde, war nicht in Ordnung“, sagte Eberhard Heieck, der als Chef der Cottbusser Coex-Veranstaltungs GmbH seit Jahren die Potsdamer Weihnachtsmärkte organisiert: „Die Händler alles aufbauen lassen und dann alles kurzfristig zu schließen, ohne mit den Verantwortlichen zu sprechen, das geht nicht“, sagte Heieck den PNN.

Von „hohen Verlusten“ spricht Gina Sperlich aus Seyda im Landkreis Wittenberg. Mit ihrem Mann Rocco kommt sie seit bald 20 Jahren auf den Potsdamer Weihnachtsmarkt, ihre Schokofrüchte, in Schokolade getauchte Äpfel, Trauben, Erd- und Himbeeren, sind beliebt. „Wir hatten Kosten von insgesamt 15 000 Euro“, sagte Gina Sperlich den PNN, „wir haben mit einem Umsatz von 30 000 Euro gerechnet, der Dezember ist unser umsatzstärkster Monat. Jetzt haben wir ein furchtbares Weihnachtsfest vor uns.“

Stollen wird jetzt in den Bahnhofspassagen verkauft

Etwas besser ist die Lage für die Stollenbäcker der Mühle Bärenhecke aus dem sächsischen Glashütte. Es war eine glückliche Fügung, dass sie kurzfristig eine Verkaufsfläche in den Bahnhofspassagen erhielten.

Der Luckenwalder Markthändler Thorsten Freiwaldt hatte auf dem Luisenplatz einen Bratwurst- und einen Glühweinstand. Er hat kein Verständnis für die rigide Corona-Politik in Brandenburg: „Der Markt sollte unter 2G-Bedingungen unter freien Himmel stattfinden, mit begrenzter Besucherzahl. Sicherer geht’s doch nicht.“ Er stand vor der Entscheidung, 3500 Bratwürste wegen des Verfalldatums wegwerfen zu müssen: „Ich habe sie der Tafel in Torgau gespendet.“

Dietmar Teickner und sein schwedischer "Glögg"-Punsch im Kanister.
Dietmar Teickner und sein schwedischer "Glögg"-Punsch im Kanister.

© Andreas Klaer

Dietmar Teickner, Chef des Lakritzkontors in der Jägerstraße, wollte seine aus Südschweden inspirierte Punsch-Kreation „Glögg“ aus Äpfeln und Preiselbeeren auf dem Markt anbieten. Er schenkt jetzt täglich von 15 bis 20 Uhr im "Flagshipstore" am Platz der Einheit ein. Und verkauft den Punsch in Kanistern in seinem Laden.

Götz Friederich, Chef der AG Innenstadt, hat beobachtet, dass die Nachfrage in den Geschäften der Innenstadt „weggebrochen“ ist. Die Einzelhändler hofften nun, dass der Staat mit Überbrückungshilfen und Kurzarbeitergeld wieder einspringt.

Zur Startseite