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Verewigt. Oberbürgermeister Jann Jakobs (r.), sein Vorvorgänger Horst Gramlich und der erste Nachwende-Stadtpräsident Helmut Przybilski (v.l.).

© Manfred Thomas

Landeshauptstadt: Mutig im Umbruch

Stadtverordnetenversammlung erinnerte mit Feierstunde an den politischen Aufbruch vor 20 Jahren

Es war der 30. Mai 1990, als sich die Potsdamer Stadtverordnetenversammlung neu konstituierte: Nach dem Zusammenbruch des SED-Regimes war sie erstmals seit Jahrzehnten wieder demokratisch gewählt worden. Der 20. Jahrestag dieses Ereignisses bot gestern Vormittag im Plenarsaal des Rathauses Anlass für eine Feierstunde. Sie war auf die Würdigung jener Persönlichkeiten gerichtet, die sich in dieser Umbruchszeit mutig den neuen Aufgaben gestellt hatten, wie Stadtpräsident Peter Schüler in seiner Begrüßung sagte. Dem ersten Vorsitzenden der Stadtverordnetenversammlung Helmut Przybilski (SPD), und dem ersten Oberbürgermeister nach der Wende, Horst Gramlich, wurde die Ehre zuteil, sich ins Goldene Buch der Stadt einzutragen.

Schüler fiel es nicht schwer, die Ehrung für Przybilski zu begründen, der sich als Christ der Vereinnahmung durch das DDR-Regime entzogen habe. Der erste Stadtpräsident habe die Aufgabe geschultert, neue Strukturen und Abläufe für die Stadtverordnetenversammlung einzuführen. In einer Zeit, in der die Erwartung der Bürger an die neuen Abgeordneten riesengroß und deren Handeln oft „überschäumend“ war, sei Przybilski seine souveräne, ausgleichende Art zugute gekommen. Das Bibelwort „Suchet der Stadt Bestes“ (Jer. 29) habe sein Handeln bestimmt. Dies gelte auch für seine Tätigkeit auf sozialem Gebiet und für die Behinderten.

Etwas komplizierter war die Aufgabe für Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD). Er hatte die Eintragung seines Vorvorgängers Horst Gramlich ins Goldene Buch zu erklären. Gramlich habe eine neue Struktur der Stadtverwaltung aufgebaut und damit den Grundstein für die erfolgreiche Stadtentwicklung nach der Wende gelegt, so Jakobs. Zudem seien in dieser Übergangsperiode schwierige Aufgaben wie die Modernisierung der Energieversorgung oder der Abriss des Theaterrohbaus am Alten Markt zu lösen gewesen. Auch die DDR-Geschichte habe aufgearbeitet werden müssen; wobei Gramlichs Beitrag dazu offen blieb, hatte er doch zu DDR-Zeiten an der SED-Kaderschmiede „Akademie für Staat und Recht“ gelehrt. 1998 war Gramlich durch die Potsdamer Bürger mit großer Mehrheit abgewählt worden. Dass ein so entlassener Oberbürgermeister sich im Goldenen Buch seiner Stadt verewigt, scheint in der deutschen Kommunalgeschichte einmalig zu sein.

Neben Przybilski und Gramlich wurden in der gestrigen Feierstunde auch jene sechs Abgeordnete gewürdigt, die seit 1990 ununterbrochen Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung sind (siehe Umfrage unten). Dabei ließen Hannelore Knoblich (SPD) und Rolf Kutzmutz (Linke) sich entschuldigen. Als Festredner trat der seit einigen Jahren in Potsdam lebende frühere Regierungssprecher und Buchautor Uwe-Karsten Heye auf. Dass er Brunhilde Hanke, langjähriger Oberbürgermeisterin in der DDR-Zeit, die Verteidigung der Potsdamer Baudenkmale zuschrieb, erregte bei einigen Verwunderung. Beifall erhielt dagegen sein Vorschlag, das aufblühende Potsdam zum Ort tiefgründiger Ost-West-Gespräche zu machen, die den Prozess der inneren Vereinigung vorantreiben. Erhart Hohenstein

Erhart Hohenstein

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