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Viel Platz. In den neuen Räumen der Asklepios-Klinik im Handwerkerhaus auf dem Oberlin-Gelände sollen künftig mehrere Familien gemeinsam an Lösungen für ihre Probleme arbeiten. Annegret Eckhart-Ringel (l.) erklärte den Therapieansatz bei der Eröffnung der neuen Räume.

© Andreas Klaer

Multifamilientherapie: Zusammen weniger allein

In der Asklepios-Klinik für Kinder- und Jugendlichenpsychiatrie werden Familien gemeinsam therapiert. Insgesamt 18 junge Patienten bekommen Hilfe bei Mobbing oder ADHS.

Von Valerie Barsig

Potsdam - Sich unter Gleichgesinnten aufgehoben fühlen: Das ist das Ziel der sogenannten Multifamilientherapie (MFT), die am Asklepios Fachklinikum angeboten wird. Die Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie hat ihren Hauptsitz eigentlich in Brandenburg, betreibt seit 2010 aber eine Tagesklinik in Potsdam. Anfang des Jahres ist sie von der Behlertstraße nach Babelsberg auf das Gelände des Oberlinhauses umgezogen. Jetzt wurden die Räume offiziell eröffnet und die MFT vorgestellt.

„Die enge Zusammenarbeit mit der Familie ist besonders wichtig für den Behandlungserfolg“, erklärte Chefärztin Annegret Eckhart-Ringel den Therapieansatz bei der Eröffnung. Bisher wird die MFT nur vom Asklepios-Klinikum angeboten. Eckhart-Ringel arbeitet künftig im sogenannten Handwerkerhaus des Oberlinhauses, das erst vor Kurzem renoviert wurde. Das Asklepios-Klinikum hat nun Räume im ersten Obergeschoss. „Wir haben hier viel mehr Möglichkeiten, um das Konzept umzusetzen“, sagt Eckhart-Ringel.

Ab Herbst soll MFT auch für Kinder angeboten werden

Bei der MFT werden Eltern oder andere Betreuer gemeinsam mit ihren Kindern zu einer Therapiesitzung eingeladen – und das braucht Platz. In dem Potsdam-Ableger des Klinikums arbeiten rund rund 15 Ärzte, Therapeuten sowie Psychologen und Psychiater. Bisher wird die MFT nur für Jugendliche angeboten, ab Herbst sollen auch kleine Kinder in dieser Form therapiert werden.

Spezialisiert ist das Asklepios-Klinikum auf Patienten vom Schul- bis zum jungen Erwachsenenalter. Sie werden teilstationär – also nur unter der Woche von morgens bis nachmittags – behandelt. Dank einer Kooperation mit der Fröbelschule können sie auch weiterhin am Schulunterricht teilnehmen. „Ein klassisches Beispiel sind Schulverweigerer – etwa weil sie Mobbing erfahren haben“, sagte Eckhart-Ringel. Andere Beispiele seien Kinder mit ADHS-Störung oder Somatisierungsstörungen, also Kinder mit körperlichen Beschwerden ohne organisch fassbaren Befund.

Therapieform entstand aus der Not

Acht Behandlungsplätze gibt es derzeit in der MFT, insgesamt bietet das Klinikum 18 Plätze an. Die MFT sei einst aus der Not heraus entstanden, erklärte Eckhart-Ringel in einem Fachvortrag bei der Eröffnung der Räume. Der deutschstämmige Londoner Mediziner Eia Asen hatte so viele Anfragen für Therapien auf einmal, dass er kurzerhand mehrere Familien zur gleichen Zeit einlud. Die in Deutschland noch junge Therapieform basiert auf der Überzeugung, dass Familien fähig sind, selbst Problemlösungen zu entwickeln. In der Therapie werden Eltern und Kinder dazu gebracht, Verhaltensmuster zu erkennen und mit gegenseitiger Hilfe zu verändern. Laut Eckhart-Ringel seien die MFT-Teilnehmer viel eher gewillt, mitzuarbeiten. Sie fühlten sich unter anderen Familien mit ähnlichen Problemen sehr gut aufgehoben, was wiederum die Motivation steigere. „Oftmals haben die Teilnehmer vielleicht keine Lust, an etwas zu arbeiten. Dann sehen sie aber, dass der Nachbar etwas macht und sie denken sich: Dann versuche ich es wenigstens mal“, erklärte Eckhart-Ringel. Durch die MFT entsteht außerdem ein soziales Netzwerk zwischen den Familien, das alle gemeinsam stärkt und verbindet.

Gemeinsame Strategien werden erarbeitet

Alle zwei Wochen findet die MFT in der Asklepios-Klinik statt, in der Regel dauert sie zwei Stunden. „In den Sitzungen bekommen die Familien eine Aufgabe, die anschließend in der Gruppe besprochen wird“, erklärte die Kinder und Jugendpsychotherapeutin Mandy Spannenkrebs. Sie leitet die MFT hauptverantwortlich. Die Familien erarbeiten in der Therapie gemeinsame Ziele und überlegen sich Strategien, wie diese erreicht werden können. Die Therapie sei erfolgreich, da die Teilnehmer im Beisein von anderen Lösungen finden. „Man fühlt sich aufgehoben unter Gleichgesinnten.“

Unabhängig von der Multifamilientherapie finden in der Klinik auch weiterhin Einzelbehandlungen statt. Je nach Behandlungsfortschritt bleiben die Patienten vier bis zwölf Wochen. Zu den Angeboten des Klinikums zählt beispielsweise auch die Kunsttherapie, die von Rita Janßen durchgeführt wird. Bereits seit 21 Jahren arbeitet sie als Therapeutin. Arbeiten mit Wolle, Fingermalfarbe, Pappmaché – die Liste der kreativen Tätigkeiten, die Janßen den Kindern ein bis drei Stunden pro Woche in ihrem hellen Raum anbietet, ist lang.

Sich nonverbal ausdrücken

„Durch den Kontakt mit dem Material können die Kinder auch in Kontakt mit sich selbst kommen“, so Janßen. Außerdem herrsche kein Leistungsanspruch und das kreative Arbeiten sei eine nonverbale Art, sich auszudrücken. Das falle vielen ihren Patienten anfangs oft schwer. Gerade Kindern mit Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADHS) könne eine Kunsttherapie helfen, sich eine Viertel- bis halbe Stunde lang zu konzentrieren, berichtete Janßen.

Bis die Asklepios-Tagesklinik im Jahr 2010 eröffnete, gab es in Potsdam keine klinische Anlaufstelle für psychisch kranke Kinder und Jugendliche. Minderjährige Patienten aus Potsdam und der Region Teltow mussten zur Behandlung rund 55 Kilometer weit in die Brandenburgische Landesklinik fahren. Abgesehen von der Ausweitung der MFT auf jüngere Patienten wollen die Klinikverantwortlichen künftig auch eng mit dem Oberlinhaus zusammenarbeiten, hieß es bei der Eröffnung der Räume – etwa mit der dort ansässigen Schule für mehrfach behinderte Kinder.

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