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Prozess um ermordete Ehefrau im Landgericht Potsdam, Angeklagter und sein Verteidiger Matthias Schöneburg (r.).

© Carsten Holm

Mordprozess in Potsdam: „Komm schnell, er bringt die um”

Wolfgang L. muss sich wegen der Tötung seiner Ehefrau Dorota vor dem Landgericht verantworten.

Von Carsten Holm

Glindow / Potsdam - Es ist ein idyllisch gelegener Gartenteich auf einem Grundstück an der Elisabethhöhe, einer ruhigen Lage im Werderaner Ortsteil Glindow: Neun Meter Durchmesser, ein paar Goldfische, dahinter ein Zaun und eine Weide für zwölf Pferde. Er spielt die Hauptrolle in einem Prozess vor dem Landgericht, mit dem die 1. Große Strafkammer als Schwurgericht aufklären will, was am Abend des 11. Mai vergangenen Jahres dort geschah. Laut Anklage soll der 65 Jahre alte Wolfgang L. an diesem Tag seine Ehefrau, die 40 Jahre alte Polin Dorota L. vor den Augen ihrer gemeinsamen Kinder, des damals 14-jährigen Sohns und der zwei Jahre jüngeren Tochter, erst mit einem schweren Messer erheblich verletzt und dann in dem nur 1,20 Meter tiefen Teich ertränkt haben.

Wolfgang L. kam am gestrigen Donnerstag von Vollzugsbeamten bewacht an Krücken in den Gerichtssaal. Er leidet an den Folgen eines Suizidversuchs, mit dem er sein Leben wenige Minuten nach der mutmaßlichen Tat im fünf Kilometer entfernten Plötziner Gewerbehof offenbar beenden wollte. Mit Tempo war er mit seinem Auto gegen die Außenmauer eines Gewerbebetriebs geprallt, mehrfach musste er wegen offener Brüche an den Beinen im Haftkrankenhaus der Justizvollzugsanstalt (JVA) Brandenburg an der Havel operiert werden. 

Der Notfallsanitäter, der ihn am Tattag gegen 19.50 Uhr neben dem demolierten Auto entdeckte und versorgte, sagte am Donnerstag aus, wie sehr er sich darüber gewundert habe, dass L. „patschnass” war. Außerdem fiel ihm auf, dass dessen Oberhemd „mit Blut besudelt” war. Zu diesem Zeitpunkt wusste er noch nicht, dass das vermeintliche Opfer des bis dahin mysteriösen Unfalls in Wahrheit ein mutmaßlicher Täter war. L. wurde inzwischen in die JVA Neuruppin verlegt.

Qualvoller Tod im Goldfischteich

Innerhalb von zwei Stunden taten sich an jenem Montag im Mai in einem Eifersuchtsdrama die Abgründe einer Tragödie auf. Dorota L., die ihren Mann und die gemeinsame Wohnung in Marquardt ein paar Wochen zuvor verlassen hatte, starb einen qualvollen Tod im Goldfischteich. Sie war eine neue Beziehung eingegangen und mit ihren Kindern in eine Ferienwohnung in der Elisabethhöhe gezogen. Zurück blieben ihre Kinder, die ihre Mutter verloren haben und den Kontakt zu ihrem Vater abrupt abbrachen. Immerhin wurden sie von der Familie einer Tante in Werder aufgenommen. Sein Leben verwirkt hat allem Anschein nach Wolfgang L., der, gesundheitlich ohnehin schwer angeschlagen, damit rechnen muss, den Rest seines Lebens hinter Gittern zu verbringen – weil er die Kränkung nicht ertragen konnte, verlassen zu werden.

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Der Potsdamer Strafverteidiger Matthias Schöneburg ist der Anwalt des Angeklagten, der vor längerer Zeit in der Landeshauptstadt eine Firma für Dackdeckerarbeiten betrieb. Nach jahrzehntelanger Berufserfahrung ist der Jurist nicht mehr leicht zu erschüttern. Dieser Fall aber geht auch ihm nahe: „Für so etwas muss man sich als Strafverteidiger einen Panzer zulegen”, sagte Schöneburg den PNN: „Am schlimmsten sind Fälle, in denen Kinder Opfer sind. Und dann kommen Fälle wie dieser.”

Das Justizzentrum Potsdam beherbergt auch das Landgericht. 
Das Justizzentrum Potsdam beherbergt auch das Landgericht. 

© Sebastian Gabsch PNN

Axel Fries, 62, der in Werder mit Elektronik handelt, gehört das Grundstück auf der Elisabethhöhe, mit seiner Lebensgefährtin, der 27 Jahre alten Estera Chlipala, vermietet er dort auch eine Ferienwohnung. Dorota L. hatte die Ferienwohnung gereinigt, man wurde miteinander bekannt. Als Dorota L. erzählte, sie habe einen Mann kennengelernt und wolle ihren Ehemann verlassen, wollten sie ihr helfen. Am 11. Juli habe sich Wolfgang L. angekündigt, um ein paar Papiere vorbeizubringen.

Wolfgang L. unterhielt sich einige Male mit Fries und berichtete, ob wahr oder unwahr, Details aus dem Vorleben seiner Frau. Die habe er 1998 in einem polnischen Bordell kennengelernt, vor dem Landgericht behauptete er, sie für 40 000 Mark aus einem Vertrag mit dem Chef-Luden ausgelöst zu haben. Seinen Standort beschrieb er im Gerichtssaal nach der Heirat im Juni 2005 als „im siebten Himmel”. Anfang Juli kam sein Sohn zur Welt, stolz durchtrennte er die Nabelschnur. Später sagt ihm seine Frau angeblich, dass er nicht dessen Vater sei. Guten Bekannten gegenüber wie Axel Fries und seiner Lebensgefährtin zeigt sich Dorota L. nicht überrascht von der Bordell-Schilderung ihres Mannes. Ihre Wirklichkeit sieht anders aus: Sie habe ihn kennengelernt, als sie Spargelschälerin in Beelitz gewesen sei.

Bewaffnet mit Armeemesser und Schreckschussrevolver

Wolfgang L. stach erst auf seine Frau ein und versuchte dann, sie zu ertränken. Fries und Estera Chlipala sagten aus, was sie unternahmen, um das Leben von Dorota L. zu retten. Axel Fries habe einen Nachbarn mit den Worten alarmiert: „Komm schnell, er bringt sie um.” Gemeinsam hätten sie versucht, die Frau aus dem Wasser zu ziehen. Chlipala half bei seinen Reanimierungsversuchen und versuchte, die Polin mit einer Herzdruckmassage ins Leben zurückzuholen.

Zuvor hatten sie beobachtet, wie Wolfgang L. seine Frau „immer wieder unter Wasser drückte, wieder hochzog und danach wieder runterdrückte”. Sie wagten es nicht, unmittelbar einzugreifen: L. hatte sich mit einer Art Armeemesser und einem Schreckschussrevolver bewaffnet. Mit dem Messer hatte er sein Opfer zuvor bereits schwer verletzt. Die Staatsanwaltschaft legt ihm zur Last, „seinem Sohn mit der Schreckschusspistole ins Gesicht geschossen” zu haben, als er seiner Mutter helfen wollte. Fries beschrieb den Todeskampf von Dorota L. in der Mitte des Teichs: „Erst ruderte sie mit den Armen, als er sie immer wieder untertauchte, dann lag sie nur noch regungslos im Wasser.”

Notfallsanitäter der Rettungswache in Werder und die Notärztin Katharina H. schilderten ihren Einsatz. Als sie am Teich eintrafen, gab es keine Lebenszeichen mehr. Dann Pumpen des Brustkorbs und Mund-zu-Mund-Beatmung. Vergeblich. Um 19.25 Uhr stellte Notärztin H. den Totenschein aus.

Der Prozess soll am 26. April fortgesetzt werden. Am 20. Mai ist die Urteilsverkündung vorgesehen.

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