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Lesung am Esstisch. Am Mittwoch war der Autor Raimon Weber zu Gast bei einem privaten Buchklub in Potsdam Babelsberg. Am reichlich gedeckten Tisch erzählte er den Frauen ausgelassen von seiner Schriftstellerei und seinen ungewöhnlichen Recherchemethoden.

© Sebastian Gabsch

Landeshauptstadt: Mord nach Champagner

Krimi-Autor Raimon Weber liest in einem Babelsberger Wohnzimmer – und gibt Einblick in seine Arbeit

Zum Empfang gibt es erst mal ein Gläschen Champagner. Zum Warmwerden sozusagen. Umringt von zehn gut gelaunten Frauen wird Krimiautor Raimon Weber an diesem Donnerstagabend herzlich in der gemütlichen, von warmen Licht erfüllten Wohnung in einem Babelsberger Hinterhof empfangen. Mit dem Geschirr klappernd und vollen Schüsseln und Schalen geht es dann aus dem kleinen, mit Jacken vollgestopften Flur direkt ins farbenfrohe helle Wohnzimmer von Kerstin Schade. Ein Krimi habe bislang noch nicht auf ihrem Programm gestanden, räumen die Gastgeberin und ihre Freundinnen ein. Mit diesem Geständnis hatte sich der kleine private Buchklub um Kerstin Schade im vergangenen Jahr für eine Verlosung der PNN für eine Wohnzimmerlesung mit Weber gemeldet. Nur eine der Gäste kennt sein aktuelles Buch „Blutmauer“. Kein Problem. Gesprächsstoff gibt es an diesem Abend genug.

Kleinere Städte mag er gerne, verrät der Krimiautor gleich zu Beginn. Besonders Potsdam habe es ihm angetan. Am liebsten sitze er bei „Schmorgurke mit Bulette und Kartoffeln“ im Sportrestaurant Hiemke in Babelsberg. Der Westfale hat schon mehrfach seine literarischen Kommissare in der Landeshauptstadt auf Spurensuche geschickt – in seiner vierbändigen Reihe um „Kommissar Morgenstern“ ermittelt der hartgesottene Privatdetektiv zwischen Drogenkartellen und illegalem Organhandel. In seinem neusten Krimi „Blutmauer“ muss Martin Keil, Hauptmann der Volkspolizei, einen Mord am Jungfernsee aufklären, wo kurz nach der politischen Wende ein toter Lokalpolitiker aufgefunden wird.

Aus seinem jüngsten Kriminalroman will er an diesem Abend auch dem kleinen Babelsberger Buchklub vorlesen. Die Frauen gründeten ihn im Januar 2014. Alle zwei Monate treffen sie sich bei einer anderen der acht Mitglieder zu Hause. Jede bringt ihre Vorschläge mit, eine bestimmte Linie bei der Auswahl verfolgen sie nicht. „Wir lesen auch Bücher, die ich privat wohl nie auslesen würde, wie ,Unterleuten’ von Juli Zeh“, sagt Marion Jenke.

Bei ihrer ersten Zusammenkunft haben sie über Abbas Khiders „Brief in die Auberginenrepublik“ gesprochen erinnert sich Jenke. Mittlerweile sorgen sie bei ihren literarischen Abenden auch für ein kulinarisches Vergnügen. Seit ihrer Besprechung von Angelika Schrobsdorffs Roman „Jerusalem war immer eine schwere Adresse“, bei dem sie passend dazu israelische Gerichte ausprobiert hatten, werde regelmäßig gekocht. „Erst wird beim Essen über den normalen Alltag, Jobs und Familie geredet, anschließend über die Bücher“, erzählt Kerstin Schade. Bei „Eisenkinder: Die stille Wut der Wendekinder“ von Sabine Rennefanz gab es Hackepeterbrötchen, wie zu DDR-Zeiten. Ein spannender Mix an literarischen Genres und Gaumenfreuden, finden die Frauen.

Auch am Abend der Wohnzimmerlesung mit Weber ist die Tafel reichlich gedeckt. Die vielen Speisen finden kaum Platz auf dem großen, langen Holztisch. Gemütlich bei einem Glas Wein sitzend und von den vielen Gerichten naschend, entwickelt sich zwischen den Frauen und dem offensichtlich gut aufgelegten Autor eine entspannte Unterhaltung. Weber erzählt der Runde von seinem langen Weg zum erfolgreichen Schriftsteller. Wie er bereits mit 13 Jahren seinen ersten 100-seitigen Roman schrieb und nach der Schule zunächst eine Ausbildung zum Kaufmann im Kfz-Bereich machte. Eine „anständige“ Ausbildung rät er an diesem Abend auch anderen angehenden Autoren, denn „gut zu sein, ist kein Garant für den Erfolg“.

Am besten arbeite er unter Zeitdruck, sagt Weber. Denn manchmal sitze er lieber gemütlich auf einen Schwatz im Café. Wenn aber die Abgabetermine näher rücken, arbeite er Tag und Nacht. Für die Recherche zu seinen Romanen besuche er schon mal einen Hochsicherheitstrakt und spricht mit Serientätern, berichtet er. Auch die Gerichtsmedizin in Potsdam habe er schon aufgesucht. „Wie bekommt man denn Zugang zu einem Hochsicherheitstrakt?“, fragt Valentina Blume. Weber ist selbst erstaunt, wie einfach er in solche Einrichtungen kommt. „Ich bin Autor, lassen Sie mich durch, funktioniert irgendwie“, scherzt er.

Bei der Lesung können sich die Frauen an diesem Abend von Webers literarischer Vielseitigkeit überzeugen. Er liest mehrere seiner Kolumnen aus dem Sammelband „Wer wringt denn da die Katze aus“ vor. Von der Verdummung durch das Fernsehen bis hin zur Abzocke bei AstroTV, beschreibt Weber witzig und ironisch den alltäglichen Irrsinn. Aus „Blutmauer“ liest er nur einen kleinen Auszug vor. Valentina Blume, die als Einzige das Buch gelesen hat, findet, dass Weber die Landeshauptstadt gut und authentisch einfängt. Das Café Heider, das mehrmals im Roman auftaucht, sei tatsächlich schon damals so herrlich plüschig gewesen. „Es ist aber ungewohnt, über die eigene Stadt in einem Krimi zu lesen.“

In der nächsten Zeit wird wohl kein Kommissar des Autors Morde in Potsdam aufklären. Weber ist mit vielen anderen Projekten beschäftigt, wie der dritten Staffel seiner Hörspielserie „Monster 1983“. Aber einer seiner nächsten Krimis soll auf jeden Fall in Brandenburg spielen, so viel verrat der Autor dann doch noch.

Sarah Stoffers

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