zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Mogelpackung

Immer häufiger tarnen sich Reinigungsfirmen als Gartenpflegebetrieb, um den Mindestlohn zu umgehen. Allein in Potsdam hat die Gewerkschaft IG BAU angeblich bereits mehr als zehn Fälle aufgedeckt

Von Matthias Matern

Wenn der Gärtner das Treppenhaus putzt anstatt die Hecken zu schneiden, ist etwas faul. Dann prellt ihn seine Firma um den Mindestlohn, der seit Anfang März dieses Jahres für die Gebäudereiniger-Branche bundesweit allgemein verbindlich ist. Immer häufiger tarnen sich Reinigungsfirmen als Gärtnerei-Betriebe oder Hausmeisterservice, schicken aber ihre Beschäftigten mit Wischmopp und Putzeimer zum Dienst, behauptet die Industriegewerkschaft Bauen, Agrar und Umwelt (IG BAU).

Auch in Potsdam ist die Gewerkschaft bereits einigen schwarzen Schafen auf die Schliche gekommen. „Es sind uns mehr als zehn Fälle in und um Potsdam bekannt“, bestätigt der IG BAU-Bezirksverbandsvorsitzender Rudi Wiggert. Um den Etikettenschwindel einzudämmen, hat die Gewerkschaft jetzt in ganz Deutschland durch Rundmails auf das Problem aufmerksam gemacht. „Es ist ein bundesweites Problem“, sagt Wiggert. Wenn der größte Teil der Arbeitszeit eines Angestellten mit Reinigungsarbeiten ausgefüllt ist, unterliege die Leistung eindeutig dem Mindestlohn-Tarifvertrag. Für Innenreinigung müssten mindestens 6,58 Euro pro Stunde gezahlt werden, bei Außenarbeiten, etwa für das Fensterputzen, sind 8,34 Euro fest geschrieben, so der Gewerkschaftler. „Die tatsächlich gezahlten Löhne aber liegen in uns bekannten Fällen nicht selten unter fünf Euro.“ Für Wiggert sind solche Tricksereien reine „Ausbeutung von abhängig Beschäftigten“, die ihrem Arbeitgeber „auf Gedeih und Verderb ausgeliefert“ seien. Aufgedeckt hat die IG BAU die meisten Fälle durch Gespräche mit betroffenen Angestellten, entweder direkt an deren Einsatzort, oder bei Terminen zur Rechtsberatung.

Bundesweit, so schätzt Wiggert, sind mehr als 800 000 Arbeitnehmer in der Gebäudereiniger-Branche beschäftigt, im Raum Potsdam seien es etwa 1500. Arbeitgebern, die sich beim Verstoß gegen den Mindestlohn-Tarif erwischen lassen, drohen saftige Bußgelder. Das Problem sei jedoch, dass häufig die Summen nicht eingetrieben werden könnten, weiß Rudi Wiggert. Am Ende sei es immer der Beschäftigte, der auf der Strecke bleibe. In ihrer Rundmail fordert die Gewerkschaft indes Beschäftigte auf, einen möglichen Etikettenschwindel sofort zu melden. Betriebe warnt sie, sich am falschen Spiel zu beteiligen. Von der Resonanz der Unternehmen und des Bundesinnungsverbandes des Gebäudereinigerhandwerks aber ist Wiggert bislang enttäuscht. „Wir bedauern, dass mit den Betrieben und dem Verband noch keine intensive Zusammenarbeit gegen die schwarzen Schafe zustande gekommen ist.“

Johannes Bungart, Geschäftsführer des Bundesinnungsverbandes, allerdings bezweifelt, dass die Methode überhaupt gängige Praxis ist. „Das ist lächerlich. Ich kannte das Problem vorher gar nicht.“ Es könne sich höchstens um einen Einzelfall handeln, meint Bungart.

Matthias Karstedt dagegen, Vorstandsmitglied der Innung Potsdam und Geschäftsführer einer Gebäudereinigungsfirma in der Landeshauptstadt, kennt das Problem sehr wohl. Allerdings keine konkreten Fälle. „Aber es ist sicher, dass versucht wird, die Mindestlöhne zu umgehen.“ Dass sich jedoch Innungsbetriebe solcher faulen Tricks bedienen, sei beinahe ausgeschlossen, behauptet Karstedt, der selbst rund 130 Mitarbeiter beschäftigt. Zu hoch sei der Kontrolldruck durch die Fahnder des Hauptzollamtes, zu schwerwiegend die Folgen für die Firma. Das Problem vermutet der Unternehmer viel mehr bei den nicht organisierten Anbietern. Rund 41 Betriebe in seinem Bereich würden der Innung angehören, die Zahl derer, die ebenfalls mit Reinigungsarbeiten Geld verdienen, liege aber noch um ein Vielfaches höher. Nachdem 2004 der Meisterzwang für das Gewerbe weggefallen sei, habe es einen wahren Gründungsboom gegeben. Nicht selten würden mittlerweile auch Firmen aus dem Baunebengewerbe, etwa Fliesenleger, Maler oder Raumausstatter, Putzdienste anbieten. Verschärfend hinzu käme der Preiskampf bei öffentlichen Ausschreibungen. „Ich kenne viele Betriebe, die sich gar nicht mehr beteiligen, weil sie gegen die Billiganbieter keine Chance haben.“ Gegen den Vorwurf der Gewerkschaft, der Verband würde sich nicht mit Aktionen gegen die faulen Machenschaften wenden, weißt Karstedt indes weit von sich. „Wir haben sowohl die Betriebe als auch die Kunden mit Rundschreiben über den Mindestlohn aufgeklärt und zur Mithilfe bei der Bekämpfung von Lohndumping aufgefordert.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false