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Modellversuch in Potsdam: Messwerte nicht repräsentativ: Zeppelinstraße-Versuch vor Verlängerung?

Seit Anfang Juli steht auf der abgasbelasteten Zeppelinstraße für Autofahrer nur noch eine Spur je Richtung zur Verfügung. Nun hat die Stadt eine erste Bilanz der sechsmonatigen Testphase gezogen.

Potsdam - Die versuchsweise eingerichtete und zugleich heftig umstrittene Verengung der Zeppelinstraße muss möglicherweise verlängert werden. Grund: Die bisherigen Daten sind noch nicht repräsentativ genug, weil eine wochenlange Großbaustelle auf der Bundesstraße 1 im benachbarten Geltow den Verkehr auf der Zeppelinstraße bis Ende Oktober offenbar deutlich beeinflusst hat.

Damit kann die Stadt eigentlich erst seit Anfang November valide Daten sammeln, hieß es bei einer Pressekonferenz am Dienstag, bei der Potsdams Baudezernent Bernd Rubelt (parteilos) eine Zwischenbilanz des eigentlich nur für sechs Monate vorgesehenen Versuchs zog. Geprüft werden soll, ob die hohen Abgaswerte der Zeppelinstraße dadurch sinken. Zur Frage, ob die Stadt nun wegen der nicht repräsentativen Daten den Versuch über diesen Dezember hinaus verlängern muss, sagte Rubelt: „Das muss noch entschieden werden.“ Vor allem werde das mit dem Landesumweltministerium zu besprechen sein, das sowieso eine Versuchsdauer von einem Jahr gefordert hatte.

Nicht so wenige Autos wie gewünscht - die Schadstoffwerte an der Messstation dafür deutlich verbessert

Seit Anfang Juli gibt es in der wichtigen Ausfallstraße nur noch eine Geradeausspur je Richtung, eine wechselseitige Spur für Linksabbieger und einen Radweg stadtauswärts, vorher gab es zwei Autospuren pro Richtung. Schon die seit Juli aufgenommenen Daten seien nicht repräsentativ für den Normalfall, da in den Sommerferien erfahrungsgemäß rund 20 Prozent weniger Autos unterwegs sind, hieß es am Dienstag weiter. Wegen der folgenden Baustelle in Geltow und der deswegen großräumigen Umleitung seien offenbar mehr als 2000 Fahrer pro Tag über den dann für sie kürzeren Werderschen Damm in die Potsdamer Innenstadt gefahren, was die Untersuchung verzerrt. Denn zugleich hieß es, mit Ende der Baustelle in Geltow Ende Oktober habe man auf der Zeppelinstraße mehr Stau registriert.

Hintergrund sind die seit Anfang 2015 europaweit geltenden Grenzwerte für giftiges Stickstoffdioxid, die in der viel befahrenen Zeppelinstraße seit Jahren überschritten wurden. Bliebe die Stadt untätig, würde sie Klagen von Anwohnern und Strafzahlungen an die EU riskieren. Mit der Verengung will die Stadt die Luftqualität in der Straße verbessern. Dazu soll die Menge der Autos – normalerweise fahren rund 27 000 Fahrzeuge pro Tag auf der Strecke – um 5000 reduzieren. Bisher seien je nach Straßenabschnitt Rückgänge von sechs bis 19 Prozent zu verzeichnen, das sind zwischen 2000 und 4000 Fahrzeuge. „Das ist nicht ganz das, was wir uns erhofft haben“, räumte Rubelt ein. Gleichwohl seien die Schadstoffwerte deutlich reduziert worden (PNN berichteten). Am vielfach nassen Wetter habe das nicht allein gelegen, hieß es in der Bilanz – denn an anderen Messstellen in der Stadt seien die Rückgänge weniger signifikant.

Nebeneffekt der Zeppelinstraße-Einengung: Stadt zählt mehr Autos auf den Ausweichrouten

Dagegen hat die Stadt an 15 eingerichteten Verkehrszählstellen – auch auf potentiellen Umfahrungsstrecken wie in der Geschwister-Scholl-Straße – mehr Autos registriert. Zwischen Kastanienallee und Bahnhof Sanssouci fuhren dort seit Juli rund 7500 Auto pro Tag, ein plus von 35 Prozent oder 2000 Fahrzeugen. „Hier werden wir nachsteuern müssen“, sagte Rubelt, nannte aber keine Details. Trotz der Verkehrszunahme seien aber Grenzwertüberschreitungen auf den Alternativrouten unwahrscheinlich, hieß es.

Ebenso räumten die Verkehrsplaner ein, dass sich die Reisezeiten auf der Zeppelinstraße sowohl für Autos als auch für den öffentlichen Nahverkehr verlängert haben. Allerdings gehe es um nicht einmal eine Minute im Schnitt, in der Spätspitze für Autofahrer beispielsweise nur um bis zu 42 Sekunden, heißt es in der Bilanz. Busse und Bahnen hätten vor allem am Morgen Probleme, allerdings gehe es auch hier um nicht mehr als eine Minute. Allerdings räumten die Planer auch ein, dass es etwa einen Rückstau auf der Breiten Straße in Richtung Zeppelinstraße gebe, damit der Verkehr dort möglichst fließt. Auch am Ortseingang Potsdam in Richtung Zentrum dosiert eine Pförtnerampel den Verkehr, damit nicht zu viele Autos auf der Zeppelinstraße unterwegs sind.

ADAC kritisiert: Potsdam fehlen Alternativen

Rubelt gab erneut zu, dass noch nicht alle Angebote vorhanden seien, um Autofahrer zum Umsteigen auf den öffentlichen Nahverkehr zu bewegen. Besonders die geplante Busspur zwischen Geltow und Potsdam fehlt noch. Er hoffe – nach der Abstimmung mit den Behörden für diese „Sonderlösung“ – auf einen Baubeginn Ende nächsten Jahres, so Rubelt.

Seit Monaten wird über den Verkehrsversuch debattiert. Kritik kam am Mittwoch erneut von der Handwerkskammer. Auf PNN-Anfrage sagte ein Sprecher, die Reisezeiten zwischen Potsdam und Werder hätten sich für Handwerker verlängert, das gehe zu Lasten von Umsatz und Gewinn. Es fehlten Alternativen: Potsdam müsse zum Beispiel die Park-&-ride-Möglichkeiten ausbauen, vor allem der Parkplatz Pirscheide sei bereits frühmorgens ausgelastet. Auch ein Sprecher des ADAC Brandenburg sagte, es gebe immer noch große Unzufriedenheit, speziell bei Pendlern: Wegen der noch fehlenden Busspur stünde auch der Nahverkehr im Stau.

Ökologischer Verkehrsclub: Verengung muss für den Schutz der Gesundheit bestehen bleiben 

Dagegen sagte Marc Nellen, Landeschef des ökologischen Verkehrsclubs Deutschland, die Zeppelinstraße müsse dauerhaft verengt bleiben, wenn man das Thema Gesundheitsschutz ernst meine. Für Anwohner habe sich die Aufenthaltsqualität deutlich erhöht. Hinzu komme: Durch den neuen Radfahrstreifen mache „es wieder richtig Spaß, auf der Zeppelinstraße Fahrrad zu fahren“. Wichtig sei es, noch mehr Alternativen zu schaffen – etwa vom Bahnhof Pirschheide aus.

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Lesen Sie weiter:

Kommentar: Potsdams Baubeigeordneter Bernd Rubelt steckt in einer Zwickmühle: Beendet er die Einengung der Zeppelinstraße fehlen ihm valide Ergebnisse für künftige Verkehrspolitik. Setzt er den Versuch fort, zieht er Ärger vieler Autofahrer auf sich, meint PNN-Redakteur Henri Kramer in seinem Kommentar. 

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