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Landeshauptstadt: Mit viel Mehl zur Macht

Das Müller-Imperium Kampffmeyer existiert noch. In Potsdam zeugt davon nur noch die Villa

Auf Mehl kann man ein ganzes Imperium bauen: Den Beweis dafür liefert die 1883 in Potsdam gegründete Firma Kampffmeyer, die über viele Jahrzehnte eines der mächtigsten Mühlen-Unternehmen Deutschlands war. Die Archivwissenschaftlerin Karin Schwarz der Fachhochschule Potsdam hatte wie berichtet von 2008 bis 2011 zusammen mit zwei Studenten die lange in Vergessenheit geratenen Firmenakten erforscht und Zeitzeugen aufgesucht. Der Abschluss-Bericht liegt nun vor.

Offiziell startete das Unternehmen 1883 – als „Kommissionsgewerbe für Getreide und Mehl“ – doch die Müller-Wurzeln des 1859 geborenen Firmengründers Emil Kampffmeyer reichen tiefer: Er gehörte einer Großfamilie von Müllern an, die zahlreiche Mühlen in Brandenburg besaß und bis ins 17. Jahrhundert zurückverfolgt werden kann. Der Nachname Kampffmeyer bedeutet soviel wie „Ein Meier, der eine Kampfmühle (eine Mühle mit Kammrad) besitzt.“ Nachdem Emil Kampffmeyer Margarete Tiede geheiratet hatte, die Tochter des Müllers, bei dem er in die Lehre gegangen war, gründete er die besagte Mehlhandlung.

Dabei blieb es lange Zeit, es sah sogar so aus, als sollte das Unternehmen schneller am Ende sein als gedacht: Der Firmengründer starb 1913 – auf dem Weg zu einer Geschäftsverhandlung – bei einem Autounfall. Sein Sohn Franz übernahm das Geschäft, verunglückte jedoch ein Jahr später ebenfalls tödlich bei einem Autounfall. Auch er war zu einer geschäftlichen Besprechung unterwegs gewesen, es ging um den Erwerb der Potsdamer Dampfmühle an der Leipziger Straße. Diesen Kauf tätigte 1915 sein 19-jähriger Bruder Kurt, der damit den Grundstein für eine Erfolgsgeschichte legte.

Es sollte nicht die letzte Mühle sein, die Kampffmeyer kaufte: 1921 kam die Jarmener Kunstmühle hinzu: „Die rentabelste“, vermerkt der Firmenchef dazu 1930 in einem Geschäftsbericht. 1922 wurde der Firmensitz nach Berlin verlegt, der Wohnsitz blieb jedoch Potsdam, wo 1924 die bis heute existierende Villa Kampffmeyer gebaut wurde. Das Netz der Mühlen wuchs – Köln, Hameln, Mannheim – und auch internationale Geschäftsbeziehungen bis nach Rumänien pflegte die Firma mittlerweile. Kampffmeyers Erfolgsstrategie: Marode Betriebe mit hohem geschäftlichen Risiko aufkaufen und dann auf den neuesten technischen Stand bringen. Er habe ein „Augenmerk auf die höchste technische Vollendung“ gehabt, schrieb Kampffmeyer später in seinen Memoiren.

Anfang der 30er Jahre zählte Kampffmeyer zu den größten Mühlenunternehmen Deutschlands und Europas. Wie groß die Bedeutung der Firma war, lässt sich daran erkennen, dass der NS-Staat das Unternehmen kaum mit Repressionen belegte, obwohl Kurt Kampffmeyer kein Mitglied der NSDAP war und zahlreiche jüdische Mitarbeiter beschäftigte. „Das Mühlenimperium war so bedeutend, dass der Staat nicht an ihm vorbeikam“, sagt Karin Schwarz, „er hat die Ernährung der Bevölkerung gesichert“. In einem Brief von 1946 bedankt sich ein ehemaliger jüdischer Mitarbeiter: „Bis zum Tag meiner Zwangsverschleppung hat mir Herr Kampffmeyer in jeder Beziehung freundschaftlich und beratend zur Seite gestanden.“ Schwarz weist allerdings auch darauf hin, dass dieses und viele ähnliche Dankesschreiben an Kampffmeyer aus der Nachkriegszeit stammen. „Viele Unternehmen haben sich nach dem Krieg solche ‚Persilscheine’ ausstellen lassen.“

Auch in der Nachkriegszeit habe Kampffmeyer eine zentrale Funktion bei der Sicherung der Ernährung gehabt, sagt Schwarz, vor allem in Potsdam, Berlin und Niedersachsen. Die Mühlen in Potsdam und Berlin waren jedoch durch den Krieg zerstört worden, weshalb der Firmensitz 1945 nach Hameln verlegt wurde. Kampffmeyer starb 1949, sein Sohn, Kurt Kampffmeyer junior, wurde 1952 wegen „Sabotage“ von der DDR zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt, flüchtete jedoch mit einigen Mitarbeitern in den Westen. Hintergrund war unter anderem das von der sowjetischen Militäradministration ausgesprochene Verbot der Konzernbildung.

Das gut ausgebaute Unternehmen, dessen Sitz 1951 nach Hamburg verlegt wurde, konnte dennoch seine Erfolge fortführen. Kampffmeyer junior übernahm dabei das Leitbild des „ehrbaren Kaufmanns“ von seinem Vater, dessen Grundsätze unter anderem lauteten: „Ich mache nur das, was ich übersehen kann“ oder „Mein Tun und Handeln, auch das in meiner Firma, gilt meiner Familie.“ Lange konnte die Firma beinahe monopolartig agieren, erst das Mühlenstrukturgesetz von 1972 führte langsam zu einem freieren Markt und zu mehr Konkurrenz. Nicht zum Nachteil von Kampffmeyer – 1978 erlebte die Firmengeschichte einen absoluten Höhepunkt: Zahlreiche weitere Mühlenunternehmen waren aufgekauft worden – auch Marken wie „Aurora“ zählten zum Sortiment – der Konzern hatte zudem Anteile an Kraftfutter-Werken, Speditionen und an Getreidehandelsfirmen.

1983 stürzte Kampffmeyer jedoch in eine Krise, die Frankfurter Allgemeine Zeitung nannte Rationalisierungen, zwei in Schwierigkeiten geratene Brotfabriken und das amerikanische Getreideembargo gegen Russland als Gründe. Das Unternehmen stand vor der Insolvenz, 1984 kam es zu einem Vergleich, Kampffmeyer wurde von den Vereinigten Kunstmühlen Landshut geschluckt. Das Geschäft erholte sich Anfang der 90er Jahre jedoch, heute läuft Kampffmeyer unter der erfolgreichen Hamburger VK Mühlen Aktiengesellschaft weiter.

Die Verbindungen der Kampffmeyers zu Potsdam waren in den 50er Jahren fast völlig gekappt worden. Laut Karin Schwarz habe man keine direkten Nachkommen in der Landeshauptstadt ausfindig machen können. Kampffmeyer junior hatte die Dampfmühle zwar kurz nach der Wende noch einmal besucht, war jedoch 1990 verstorben. Mehl wird in der Speicherstadt, dem ehemaligen Standort der Dampfmühle, schon lange nicht mehr gemahlen. 2012 wurden die letzten Ruinen des Gebäudes, mit dem alles begonnen hatte, endgültig abgerissen.

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