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Landeshauptstadt: Mit Schlicker und Schlägen

Selbermachen ist das Motto des Feriencamps, das gerade im Werkhaus Babelsberg stattfindet. Hier wird getischlert, getöpfert, geschneidert und geschmiedet, bis die Funken fliegen

Die künftigen Schmuckstücke, die mal Schlüsselanhänger sein sollen, sehen am gestrigen Mittwochnachmittag noch aus wie grobe Eisensplitter. Schwarz und matt, rau, ein bisschen dreckig. Sie kommen frisch aus dem Taucheimer, wo sie nach dem letzten Schmiede-Arbeitsgang abgekühlt wurden. „Ihr könnt sie jetzt noch schleifen“, sagt Ludwig Kuntscher. Er ist der Chef der Schmiedewerkstatt im Werkhaus, das zum Verein Inwole gehört. Und einer der Betreuer des Feriencamps, das hier in dieser Woche stattfindet. Knapp 30 Kinder aus Potsdam und Umgebung verbringen fünf aufregende Tage in den verschiedensten Werkstätten. Das Motto des Kreativcamps lautet: „Ganz mein Ding“.

„Da steckt der ganzheitliche Aspekt drin, dass man etwas selber herstellt und am Ende auch etwas zum Mitnehmen hat“, sagt Sylvia Glöß vom Werkhaus. Auf dem weitläufigen Gelände in der Rudolf-Breitscheid-Straße befinden sich verschiedene offene Werkstätten, in denen das ganze Jahr über Kurse stattfinden. Das kompakte Ferienangebot gibt es zum ersten Mal. Der Bedarf ist da, sagt Florent Vivier vom Verein, viele Eltern müssen schließlich in den Ferien arbeiten. „Deshalb läuft der Kurs von 9 bis 16 Uhr, damit die Kinder ganztägig betreut sind.“ Die Teilnahme ist kostenlos, jeder sollte das Angebot wahrnehmen können, sagt Vivier. Finanziert wird das Camp über Fördermittel aus einem Programm der Bundesregierung, für das sie sich erstmals beworben hatten.

Der Tag beginnt mit Kennenlernspielen zum Warm-up, dann geht es in die einzelnen Werkstätten. Sie essen gemeinsam zu Mittag und bevor sie nach Hause gehen, werten sie den Tag aus. Was lief gut, was hat man geschafft? Neben der handwerklichen Arbeit geht es aber auch darum, als Gruppe zueinander zu finden. Verantwortung zu übernehmen. So sollten die Kinder eigentlich dem Verpflegungsteam helfen – aber auf’s Kochen und Backen hatte keiner so richtig Lust, sagt Sylvia Glöß. „Morgen haben sich jetzt aber doch fünf zum Pizzabacken gemeldet.“

Das allgemeine Feedback der Ferienkinder am dritten Tag: Alles super. Manche haben schon etwas produziert und probieren bereits die nächste Werkstatt aus, andere haben sich ein längerfristiges Projekt vorgenommen. So wie Paula. Die Elfjährige möchte sich ein Longboard bauen und dann das Skaten lernen. Am Dienstag wurde das Brett ausgesägt, sicherheitshalber vom Betreuer, sagt sie. „Weil das eine richtig große Maschine war.“ Nun schleift sie das Brett aber selber ab. „Vielleicht kommt heute auch schon die Grundfarbe drauf, morgen dann das Muster und zuletzt die Räder“, sagt Paula. In der Tischlerwerkstatt gibt es auch eine Drechselmaschine, wo Joshua gerade versucht, einen Holzblock einzuspannen. Das ist nicht so einfach, ein Freund muss ihm helfen. Sie müssen zusammenarbeiten, dann gehts besser. Das haben sie schon verstanden.

Die Geschlechtertrennung in den Gewerken ist dabei bis auf wenige Ausnahmen traditionell: In der Tischlerei arbeiten die Jungs, in der Nähwerkstatt die Mädchen. Hier werden Taschen, Rucksäcke und Kissenbezüge aus gespendeten Stoffresten hergestellt. Dass man aus Abfällen so schöne Dinge herstellen kann, habe manches Mädchen überrascht, sagt Sylvia Glöß.

Helena und Johanna wollten am dritten Tag lieber Töpfern. Keramikerin Katharina Oehlschläger hat ihnen gezeigt, wie man eine Teekanne baut. „Erst die Grundplatte, dann daran mit Schlicker den Mantel anbauen“, erklärt Helena. Schlicker ist die graue Pampe in einer Schüssel, die als Kleber genommen wird. Jetzt ist der Korpus fertig, feuchte Finger glätten ihn vorsichtig. Sieht leichter aus, als man denkt, sagt Helena, nicht alles habe beim ersten Versuch geklappt. Jetzt aber fehlt nur noch der Deckel zur Kanne.

Im schattigen, grünen Garten wird schon zur Vesper eingedeckt, aber Gregor und Alvaro haben noch in der Schmiedewerkstatt zu tun. Ihre Schlüsselanhänger sind fast fertig, Hobbyschmied Ludwig Kuntscher hat zuletzt noch eine Buchstabenfolge in das Eisen geprägt. Für Gregor den Vornamen, für Alvaro SPQP. In Anlehnung an das Kürzel SPQR für den römischen Senat, erklärt der 13-Jährige. Das R für Rom wurde dabei zum P für Potsdam. Das klingt schön verschwörerisch, findet er. Dazu passt das Schwert, ein echtes großes, das sie gemeinsam in der Schmiedegruppe bauen. Noch ist es eher krumm und schief, aber das wird, sagt Kuntscher. Er hat es noch einmal zum Glühen gebracht, dann auf den Amboss gelegt. Fünf Jungs, mit Schutzbrillen und Ohrstöpseln, stehen im Halbkreis drum herum. Dann wird im Rhythmus gezählt und reihum darf jeder draufschlagen. Ein Männer-Ritual. Wer das Schwert mit nach Hause nehmen darf? „Das verlosen wir am Freitag“, sagt der Schmiede-Meister. Und löscht für diesen Tag das Feuer.

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