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Landeshauptstadt: Mit Argus-Augen

20 Jahre Arbeitsgemeinschaft für Umweltschutz und Stadtgestaltung

Argus – die Arbeitsgemeinschaft für Umweltschutz und Stadtgestaltung – feierte am Sonnabend ihr 20-jähriges Bestehen. Am 7. April 1988 durch einen Kreis um die Lehrerin Carola Stabe und den Hygienearzt Matthias Platzeck gegründet, stellte sie sich unter das Dach des Kulturbundes und wurde zunächst toleriert.

Dann jedoch wurde sie durch ihren Kampf gegen den Abriss barocker Bürgerhäuser im Gebiet der Zweiten Stadterweiterung weithin bekannt und für die SED-Obrigkeit zu einem Ärgernis. Zum Symbol dafür wurden die Rettungsversuche für das frühere Wohnhaus des Dichters Theodor Storm in der Dortustraße 68. Sie konnten den Abriss letztlich nicht verhindern, doch mit der „Wende 1989 setzt Argus einen Abrissstop der Stadtverordnetenversammlung durch, holt Baumaterialien für erste Reparaturen aus Westberlin und hat sogar die revolutionäre Idee, die Gebäude ausbauwilligen Potsdamern zu übertragen. Damit scheiterte sie dann allerdings an der Rückübertragung an dieAlteigentümer.

An diese bewegten Zeiten erinnerte bei der Jubiläumsfeier im Haus der Natur Saskia Hüneke, die gemeinsam mit Birgit Knigge und Johanna Fauk dem Verein vorsteht. Der Verein beobachtete mit Argus-Augen Umweltschutz und Stadtentwicklung, wurde aber ebenso gründlich von der Staatssicherheit observiert. Dazu legte Hüneke einen dicken Berichtsordner vor. Zweimal gelang es der Gruppe, DDR-weite Treffen von Umweltgruppen zu organisieren, das erste im April, das zweite am 7. Oktober 1989. Das war jener Tag, als die Potsdamer in der Brandenburger Straße erstmals offen gegen die SED-Diktatur und für die Bürgerrechte demonstrierten.

Auch nach der Wiedervereinigung erfüllte und erfüllt der Verein seine Wächterfunktion. Besonders starke Resonanz löste bei der Bevölkerung der hartnäckige, von Saskia Hüneke als Abgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen in die Stadtverordnetenversammlung getragene Widerstand gegen den städtebaulich-architektonisch verfehlten und überdimensionierten Bahnhofsbau aus. Aber auch das Argus-Konzept für eine umweltverträgliche Verkehrsplanung wurde stark beachtet. Aktuell bringt sich der Verein in die Diskussionen um die Rückgewinnung der Potsdamer Mitte ein.

Nicht immer konnte Argus seine Ziele durchsetzen, hat aber schon mancher Fehlentwicklung die Spitze abgebrochen. Nun geht er daran, seine Geschichte zu dokumentieren, denn 2009 steht das brandenburgische Themenjahr „Demokratie und Bürgerbewegung bevor. Dazu will Gründungsmitglied Carsten Linke Filme u.a. über den Abriss des Storm-Hauses, das erste Pfingstbergfest, die von der Volkspolizei auseinander getriebene Demonstration am 7. Oktober 1989, dann aber auch der am 4. November folgenden, machtvollen und nun von der Polizei ungestörten Kundgebung beisteuern. Diese Streifen hat der Amateurfilmer gedreht und bis heute aufbewahrt.

Inbegriffen in die Forschungen zur Argus-Geschichte ist ein Schülerprojekt über das zu DDR-Zeiten zensierte Vereinsblatt „Argusauge, das mit der Waldorff-Schule und der Projektwerkstatt der Gedenkstätte Lindenstraße 54/55 umgesetzt wird. Vorbereitet wird außerdem für diesen Herbst eine Tagung „Weltkulturerbe und bürgerschaftliches Engagement.

Die Jubiläumsfeier schloss ein ehrendes Gedenken an den vor kurzem verstorbenen Vorsitzenden des Potsdamer Behindertenverbandes, Jürgen Becker, ein. Als langjähriges aktives Mitglied hatte er sich noch bis in die jüngste Zeit besonders für das Argus-Projekt zur Erhaltung der Natursteinpflasterstraßen in Potsdam eingesetzt.

Erhart Hohenstein

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