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Die Vision. So könnte der Lokschuppen in Babelsberg nach den Vorstellungen des Investors in zwei Jahren aussehen. Grafik: Girzalsky Architekten/

© Andreas Klaer

Millioneninvestition in Babelsberg: Lok-Zirkus wird zum „Paradome“

Rettung eines Industriedenkmals: Für den Babelsberger Lok-Zirkus gibt es einen Investoren - und neue Sanierungspläne.

Potsdam - Eines der wenigen Industriedenkmäler in Potsdam steht vor der Rettung. Mit der Berliner Paranet Deutschland GmbH hat die Stadt einen Investor für den sogenannten Lok-Zirkus im Babelsberger Areal „Gewerbe im Park“ gefunden. Zehn Millionen Euro will Deutschlands führender Anbieter für sogenannte Traglufthallen an dem Standort investieren, wie Paranet-Geschäftsführer Jürgen Wowra am Dienstag vor Ort bei einer kurzfristig von der Stadtverwaltung anberaumten Pressekonferenz sagte.

Für den unter Denkmalschutz stehenden Lokschuppen des einstigen Lokomotivherstellers Orenstein & Koppel wird seit Jahren nach einer Nutzung gesucht, selbst ein Abriss des markanten Rundbaus stand schon zur Debatte. Wowra will das marode Gebäude nun innerhalb der kommenden beiden Jahre sanieren und daraus eine repräsentative Multifunktionshalle machen, den „Paradome“. Darin sollen vor allem kleinteilige Büros und Gewerbeeinheiten sowie ein Hotel mit 120 Betten im Zwei- bis Drei-Sterne-Segment entstehen. Der riesige Innenbereich unter dem Kuppeldach mit einer Spannweite von fast 50 Metern könnte eine Art Begegnungszentrum werden, auch Gastronomie ist geplant. In einem separaten Neubau neben der Halle soll zudem die serienmäßige Herstellung der Paranet-Traglufthallen erfolgen. Die weltweit produzierten Fertigteile würden dann in Potsdam zusammengesetzt.

Wirtschaftsförderer Frerichs: "Das ist für uns ein Glücksfall"

Auch Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) war zu der Pressekonferenz gekommen, stand mit Investor Wowra in der maroden Halle, während hinter ihnen Regenwasser in den Bau tropfte. Von einem Projekt „mit Strahlkraft“ sprach Jakobs. Die geplanten repräsentativen Büroräume auf drei Geschossflächen – die rund um den Lokschuppen wabenartig angeordnet werden – würden in der Medienstadt Babelsberg dringend benötigt, hieß es. So könnten junge, innovative Unternehmen gelockt werden. „Das ist für uns ein Glücksfall“, erklärte auch Potsdams Wirtschaftsförderer Stefan Frerichs, der Wowra seit zwei Jahren bei der Ansiedlung in Potsdam begleitet und beraten hat.

Wowra sagte, sein Unternehmen werde selbst bis zu 2000 Quadratmeter in dem Lokschuppen für die Forschungs- und Verwaltungsabteilung benötigen. Bis zu 100 Mitarbeiter könnten nach Potsdam kommen. Das Hotel wäre dabei nötig für Fälle, in den etwa Gast-Ingenieure untergebracht werden müssten. Es könne aber auch von den Filmstudios genutzt werden. Auch der Voreigentümer des Lokschuppens, die deutschlandweit agierende Gesellschaft „Gewerbe im Park“, habe ihren Anteil an dem Rettungsplan für das Denkmal geleistet und den Bau unter dem Marktpreis verkauft, machte Wowra deutlich. Trotz des Leerstands sei die Bausubstanz gut. Sein Unternehmen habe schon viele denkmalgeschützte Objekte saniert – immer mit dem Ziel, dass „diese aus sich selbst heraus wirtschaftlich betrieben werden können“. Das solle auch in Babelsberg geschehen.

Nutzung als Konzerthalle denkbar

Noch etwas vage sind die Pläne für den Innenbereich, Wowra sprach von einer „offenen Begegnungsstätte“. So könnte das filigrane Kuppeldach mit einer lichtdurchlässigen Membrankonstruktion geschlossen werden, wie sie auch für die Paranet-Hallen verwendet wird. Sollte das funktionieren, wäre sogar eine Nutzung als Konzerthalle denkbar. „Die Akustik hier ist enorm“, sagte Wowra. Ebenso habe bereits ein namhafter Oldtimerhändler angefragt, ob er die Halle für eine Ausstellung nutzen könne. Jedoch sei beispielsweise noch zu klären, wie viel zusätzliche Last die Dachkonstruktion vertragen kann. Jörg Limberg von der Potsdamer Denkmalpflege, der ebenfalls vor Ort war, nannte die Pläne durchaus realistisch. Allerdings bestehe noch Abstimmungsbedarf. Wowra selbst sprach etwa von Glas-Rolltreppen, die die Bürogeschosse miteinander verbinden könnten. Die Architektur übernimmt das Bonner Büro Peter Girzalsky.

Wowras Unternehmen ging aus einem Traditionsunternehmen hervor, der 1851 gegründeten Augsburger Firma Seil-Baur GmbH. Die Paranet selbst – der Hauptsitz soll weiter in Berlin bleiben – ist seit Jahren auf Expansionskurs. Schon mehr als 120 Traglufthallen, die als Flüchtlings- und Obdachlosenunterkünfte benutzt werden, seien in den vergangenen Jahren errichtet worden, hieß es. Aktuell liege der Jahresumsatz bei 30 Millionen Euro. Zudem forscht die Firma zusammen mit einem Tochterunternehmen der Konzerne BASF und RWE im Bereich der Entwicklungshilfe: Dabei gehe es um die Entwicklung von Solar-Dünnschichtmodulen für die Hallen. Diese sollen künftig den Betrieb einer völlig energieautarken Traglufthalle ermöglichen, die beispielsweise für die Agrarwirtschaft in armen Regionen der Welt zum Einsatz kommen könne, wie Wowra erklärte. Die Finanzierung des Engagements in Potsdam sei nicht nur, aber auch mit der Flüchtlingskrise und dem damit zusammenhängenden Bedarf an Traglufthallen zu erklären, sagte Wowra auf Nachfrage: „Daher können wir nun finanziell in Vorleistung gehen.“

Sogar der Abriss des maroden Gebäudes stand zur Debatte

Der Lok-Zirkus selbst stand jahrelang auf der Kippe, der frühere Eigentümer hatte nach jahrelang erfolgloser Investorensuche 2013 sogar den Abriss bei der Stadt beantragt – was Potsdams Denkmalschutzbehörde abgelehnt hatte. Selbst Oberbürgermeister Jakobs bekannte am Dienstag: „Zwischenzeitlich war auch ich mutlos.“ Umso mehr zeige sich: Beim Erhalt eines Denkmals komme es auf einen langen Atem an.

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Hintergrund: Vom Eisenbahnbau zur Filmkulisse

Der kreisrunde Lok-Zirkus war einst Zentrum der Babelsberger Eisenbahnfabrik des Großkonzerns „Orenstein & Koppel“, welcher 1876 gegründet wurde. Die Halle erlaubte es, Lokomotiven in Fließfertigung herzustellen. Auch nach 1945 wurde der Lok-Zirkus weiter als Produktionsstätte genutzt, dann unter der Ägide des VEB Lokomotivbau „Karl Marx“. Allerdings wurden mit der Zeit keine Lokomotiven mehr hergestellt, sondern ab Ende der 1960er Jahre Klimatechnik und zehn Jahre später Autodrehkräne. Seit der Wende steht das Haus leer, mehrere Anläufe bei der Investorensuche scheiterten.

Allerdings diente der Zirkus etwa als Filmkulisse. Für den ab 2007 gedrehten Politthriller „The International“ baute Regisseur Tom Tykwer zusammen mit Studio Babelsberg in dem Bau das New Yorker Guggenheim-Museum nach – das in dem Film mit Clive Owen, Naomi Watts und Armin Mueller-Stahl zum Schauplatz einer wilden Schießerei wird. Henri Kramer

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