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Notlösung. Während man in München bei der Unterbringung der steigenden Zahl von Flüchtlingen auf diese ausgedienten Oktoberfest-Zelte setzt, will Potsdam für bis zu 200 Flüchtlinge zumindest vorübergehend wärmeisolierte Wohncontainer aufstellen.

© dpa

Landeshauptstadt: Millionen-Paket für Flüchtlingsheime

Stadt rechnet mit Kosten in Höhe von 6,6 Millionen Euro. Widerstand in Groß Glienicke

Für die Unterbringung der rasch wachsenden Zahl von Flüchtlingen in Potsdam haben die Stadtverordneten ein millionenschweres Paket für zehn neue Unterkünfte für insgesamt bis zu 920 Flüchtlinge beschlossen. In den nächsten zwei Jahren wird das die Stadt – die Zuschüsse vom Land zur Unterbringung bereits abgezogen – voraussichtlich 6,6 Millionen Euro extra kosten, heißt es in dem am späten Mittwochabend mit breiter Mehrheit gefassten Beschluss. Die neuen Heime befinden sich wie berichtet in Potsdam-West, Bornstedt, in der Innenstadt, der Teltower Vorstadt, am Stern, auf Hermannswerder, in Groß Glienicke und in Nedlitz (siehe Kasten).

Einzig die Fraktion Die Andere stimmte den Plänen nicht zu. Die vier Alternativ-Politiker waren zuvor mit einem Antrag gescheitert, die Wiederbelebung des 2009 aufgegeben Asylheim-Standortes am von der Potsdamer Arbeiterwohlfahrt betriebenen Lerchensteig ablehnen zu lassen. Dort sollen nun ab Anfang nächsten Jahres bis zu 200 Flüchtlinge in wärmeisolierten Wohncontainern untergebracht werden. Später will die Stadt mit einer europaweiten Ausschreibung einen Bauträger suchen, der die Wohnmodule durch Festbauten ersetzt. Die Andere hat aber prinzipielle Bedenken gegen den Standort Lerchensteig, der nach Verabschiedung des Integrationskonzepts unter anderem wegen seiner ungünstigen Stadtrandlage aufgegeben wurde. Die-Andere-Chef Lutz Boede sagte, mit dem Beschluss für den Lerchensteig würde sich die Stadt von den Zielen des Konzepts verabschieden, das Areal sei ungeeignet für die Integration der Flüchtlinge in die Stadt. Es gebe alternativ noch leere Wohnungen, etwa in der Kiezstraße. „Die teuren Heime nützen nur den Sozialkonzernen“, so Boede. In einer im Internet verbreiteten Erklärung legte Die Andere nach: Am Lerchensteig sollten „vorzugsweise Menschen isoliert werden, die in vermeintlich sichere Einreiseländer zurückgeschoben werden könnten“. Dadurch wolle die Stadtverwaltung eine unerwünschte Integration in die Nachbarschaft vermeiden, „nachdem es zuletzt immer wieder Proteste gegen nächtliche Abschiebungen gab“. Boede kritisierte zudem, dass die Stadtverordneten nur 48 Stunden Zeit gehabt hätten, um sich mit dem Millionen-Paket auseinanderzusetzen.

Sozialdezernentin Elona Müller-Preinesberger (parteilos) hielt dagegen, das Integrationskonzept werde aufrechterhalten. Doch könne auch der Lerchensteig die Stadt in kommenden Jahren davor bewahren – wenn die Flüchtlingszahlen erwartungsgemäß weiter steigen sollten –, spontan Notunterkünfte in Containern wie in der Feuerwache in der Innenstadt anlegen zu müssen. Andere Areale wie der zwischenzeitlich favorisierte alte Landtag am Brauhausberg würden nach Auskunft des Landes doch nicht zur Verfügung stehen, so die Dezernentin. Ihr stimmten die anderen Fraktionen im Stadtparlament zu. Grünen-Stadtverordneter Uwe Fröhlich etwa sagte, man könne angesichts des angespannten Wohnungsmarktes auf den Lerchensteig als Zwischenlösung nicht verzichten. Es müsse nun darum gehen, die Lebensbedingungen vor Ort zu verbessern. Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) sagte, es gehe darum, für Menschen in Not kurzfristig eine verbesserte Lebenssituation zu schaffen. Der Lerchensteig sei für Flüchtlinge allemal besser als das völlig überfüllte Erstaufnahmelager des Landes in Eisenhüttenstadt. Es wäre schön, wenn Die Andere den Verantwortlichen in der Stadt „guten Willen und nicht nur miese Sachen unterstellen würde“, so Jakobs. AfD-Fraktionschef Lothar Wellmann sagte, wenn man von einem Konzept abweiche, gehe „die Welt nicht unter“. Potsdam bemühe sich schließlich um eine gute Unterbringung der Flüchtlinge. Am Ende stimmten nur einige wenige Linke-Stadtverordnete gegen den Lerchensteig.

Zugleich formiert sich offenbar Widerstand gegen das geplante Heim für 100 Flüchtlinge in der Groß Glienicker Waldsiedlung. Nach PNN-Informationen liegt der Stadt ein Brief vor, in dem Anwohner kritisieren, das geplante Heim würde gegen den an dem Standort geltenden Bebauungsplan verstoßen, das Rücksichtnahmegebot verletzen und auch die Entwicklung des nahen, im Bau befindlichen Villenparks behindern – sowie wiederum gegen das Integrationskonzept verstoßen. In der Sitzung der Stadtverordneten am Mittwoch wurde verabredet, diese Kritik zu beantworten. Zugleich hieß es, in der Waldsiedlung könnten in einer Pension weitere zehn Wohnungen für Flüchtlinge entstehen. Dazu werde bereits verhandelt. Der Groß Glienicker Ortsvorsteher Franz Blaser appellierte, angesichts der Flüchtlingszahlen müsse von dem Plan abgerückt werden, die in der Waldsiedlung haltende Buslinie 639 einzustellen. Darüber müssen die Stadtverordneten noch abstimmen.

In Sachen Hilfe für Flüchtlinge gibt es derweil neue Ideen. So kündigte Dezernentin Müller-Preinesberger an, für Potsdamer – die Flüchtlingen wie auch immer helfen wollen – solle eine zentrale Telefonnummer eingerichtet werden. Die Grünen-Landtagsabgeordnete Marie-Luise von Halem stellte am Donnerstag an der Montessori-Oberschule in Potsdam-West ein Projekt vor, bei dem Schüler einigen Asylbewerbern aus dem Staudenhof das Fahrradfahren beibringen werden. „Die Schüler profitieren im Gegenzug davon, dass sie Gelegenheit zu Gesprächen auf Englisch und Französisch haben und ihre Sprachkenntnisse trainieren”, so von Halem.

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