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Bischof Bernhard Felmberg.

© picture alliance / dpa

Militärbischof Bernhard Felmberg im Interview: „Wir segnen keine Waffen“

Am Montag feiert die Evangelische Militärseelsorge in Potsdam ihr 65. Jubiläum. Hier spricht Bischof Felmberg über Seelsorge bei der Bundeswehr, den Ukraine-Krieg und die Garnisonkirche.

Bischof Felmberg, Sie feiern am Montag in der Potsdamer Nikolaikirche das 65. Jubiläum der Evangelischen Militärseelsorge in Deutschland. Was gibt es denn da zu feiern?
Wir feiern, dass der vor 65 Jahren zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Evangelischen Kirche in Deutschland abgeschlossene Militärseelsorgevertrag immer noch sehr lebendig ist und erst vor Kurzem als Blaupause für die jüdische Militärseelsorge gedient hat. Das, was man sich in den 50er Jahren ausgedacht hat, um die Religionsfreiheit auch im Rahmen der Bundeswehr zu gewährleisten, hat sich bestätigt und ist erfolgreich.

Was ist das Besondere an diesem Vertrag?
Er regelt ein gemeinsames Anliegen von Kirche und Staat. Das heißt, dass der Soldat oder die Soldatin zum Gottesdienst gehen kann, dass es Seelsorgeangebote gibt und eine intensive Begleitung – auch der Familie – stattfindet, weil der Soldat durch seine Tätigkeit am normalen Gemeindeleben nicht teilnehmen kann. Der Staat hat gesagt, wir zahlen dafür die Hardware und die Kirche stellt die Software. Alles, was mit den Soldaten konkret unternommen wird, zahlt die Kirche. Die Stellen für die Militärpfarrer oder den Unterhalt von Kapellen zahlt der Staat.

In der Nikolaikirche wird am Montag das 65-jährige Bestehen der Evangelischen Militärseelsorge in Deutschland gefeiert. 
In der Nikolaikirche wird am Montag das 65-jährige Bestehen der Evangelischen Militärseelsorge in Deutschland gefeiert. 

© Ottmar Winter

Es gibt immer wieder Stimmen, die sagen, damit korrumpiert sich die Kirche.
Wir sind im System, aber nicht Teil des Systems. Als Militärbischof bin ich Kirchenbeamter und unterstehe nicht dem Staat. Damit sind wir nicht korrumpierbar. Wir haben aber Einblick in die Bundeswehr wie kaum eine andere zivile Institution.

Was meinen Sie damit?
Wir begleiten Soldatinnen und Soldaten von morgens bis abends. Besonders bei Auslandseinsätzen. Dort sind Pfarrerinnen und Pfarrer vier Monate am Stück die ganze Zeit dabei. Man frühstückt zusammen, macht gemeinsam Sport, betet zusammen und feiert Gottesdienste. Wir haben in der Militärseelsorge eine viel höhere Nähe zu unseren Mitgliedern. Die Austrittstendenzen sind geringer. Insgesamt erreichen wir in der Bundeswehr rund 55.000 evangelische Soldatinnen und Soldaten. Und wenn man dann die Familien noch dazu zählt, sind wir bei rund 250.000 Menschen, die die Militärseelsorge betreut.

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Vor welchen Herausforderungen stehen Sie gerade?
Seit dem 24. Februar sind wir in einem anderen Seelsorge-Modus. Wir merken ganz klar, dass die Soldatinnen und Soldaten und deren Familien durch die Situation des Russland-Ukraine-Krieges anders belastet sind. Das war vor allen Dingen in den ersten Wochen zu spüren, wo Kinder von Soldaten in der Schule Sätze hören mussten wie: „Dein Vater ist Soldat, der muss jetzt in die Ukraine, der stirbt dort.“ Hier muss die Militärseelsorge den Eltern beistehen und sagen, wie man auf solche Situationen reagiert. Wir haben in sehr kurzer Zeit „Taschenkarten“ entwickelt, wie es in der Bundeswehr heißt, also Handouts dazu, wie man mit Kindern über den Krieg sprechen kann. Und dann saß vor Kurzem der ukrainische evangelisch-lutherische Bischof Schwarz bei mir im Büro. Denn als Militärseelsorge sind wir Experten in der Frage, wie man Traumatisierungen erkennt. Wir haben den Pfarrerinnen und Pfarrern, den Lehrerinnen und Lehrern in Deutschland und der Ukraine entsprechendes Material zur Verfügung gestellt.

Wie gehen Sie als Kirche damit um, dass die Bundeswehr jetzt 100 Milliarden Euro kriegen soll? Bislang plädierten Kirchenvertreter doch eher für Abrüstung.
Wir haben über die letzten 30 Jahre eine enorme Friedensdividende eingefahren. Während bei Willy Brandt oder Helmut Schmidt ein Wehretat von 3,2 bis 4,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts normal war, ist das nach 1989 auf 1,2 Prozent heruntergefahren worden. Wir haben in der Zeit sehr am Militär gespart, weil wir der Überzeugung waren, dass Frieden auf Erden herrscht, zumindest in Europa. Und wir sind durch diesen Krieg eines Besseren belehrt worden. Jetzt müssen wir nachrüsten. Und ich sage Ihnen ganz ehrlich: Wenn man das durch die verschiedenen Streitkräfte durchbuchstabiert, werden diese 100 Milliarden schneller weg sein, als man es sich vorstellt.

Welche Rolle spielt denn das Einsatzführungskommando in Geltow für Sie?
Von Geltow aus werden alle Auslandseinsätze organisiert. Und gerade in den letzten Wochen war das für uns sehr wichtig, weil sich auch die Frage stellte: Können unsere Pfarrer an die Orte mitgehen, die neu dazukommen an der sogenannten NATO-Ostflanke? Das ist der Fall. Wir werden künftig wieder so viele Militärpfarrer im Einsatz haben wie zu Zeiten des Afghanistan-Einsatzes. Das verdanken wir auch dem intensiven Dialog mit dem Einsatzführungskommando.

Noch eine Frage zur Garnisonkirche: Als Militärbischof sitzen Sie dort im Kuratorium. Welche Rolle spielt der Turm künftig für die Militärseelsorge?
Wir sind froh, dass wir den Turm fast bis oben hochgezogen haben. Er ist jetzt schon sichtbar für die Potsdamer Öffentlichkeit. Wir werden im Turm einen Gottesdienstraum für über 100 Leute haben. Das wird eine schöne und wichtige Begegnungsstätte werden – wir sehen ja, dass das Thema Krieg, Frieden und Versöhnung weiter virulent ist. Im Turm selbst werden wir als Militärseelsorge deutlich machen, dass wir heute anders aufgestellt sind als in den Jahrhunderten zuvor: Wir segnen keine Waffen. Wir tragen – im Unterschied zu Militärpfarrern anderer Länder – auch selbst keine Waffen. Und wir sind kein Teil der militärischen Hierarchie. Das sind die Dinge, die wir nach 1945 gelernt haben.

Das Interview führte Benjamin Lassiwe

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