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Vor 50 Jahren legte Jürgen Buttgereit die Fleischermeisterprüfung ab. Heute führt Enkel Joachim das Geschäft. 

© Andreas Klaer

Meisterjubiläum der Fleischerei Buttgereit: In 50 Jahren um die Wurst

Der Potsdamer Fleischer Jürgen Buttgereit feiert am Montag sein Meisterjubiläum. Er macht sich Sorgen um die Zukunft seines Handwerks.

Potsdam - Als Jürgen Buttgereit seine Meisterprüfung ablegte, musste er ein Hinterviertel Rind zerlegen und eine Brühwurst herstellen. Das war vor genau 50 Jahren, am 28. Juni 1971. Enkel Joachim Buttgereit hatte vor zehn Jahren ganz ähnliche Aufgaben. Jürgen Buttgereits theoretische Abschlussarbeit, 24 Seiten, maschinengetippt, über die Wichtigkeit der Einhaltung der Kühlkette, stimmt heute wie damals. Nur der Theoriekurs war im Arbeiter- und Bauernstaat besonders: „Da ging es auch um Genossenschaftswesen und die sozialistische Einstellung zum Handwerk.“ Jürgen Buttgereit, damals 23, heute 73, wurde trotzdem Fleischermeister. Und der Familienbetrieb blieb erhalten, weil 1976 ein Gesetz zur Förderung des Handwerks in Kraft trat. Um die Versorgung der Bevölkerung zu verbessern. Auch im Sozialismus ging es oft genug um die Wurst.

Nur noch vier Fleischereihandwerksbetriebe

Wenn Jürgen Buttgereit am heutigen 28. Juni sein 50-jähriges Meisterjubiläum feiert, dann schwingt eine umfängliche Firmen- und Familiengeschichte mit: Firmengründer ist 1956 Heinz Schlieter mit einer Fleischerei in der Scharrenstraße in der historischen Innenstadt, gleich hinterm Alten Markt. 1958 wird das Areal abgerissen, Schlieter kann umziehen in die Räume einer früheren Fleischerei in der Garnstraße, wo sie bis heute sind – einer der vier noch verbliebenen Fleischereihandwerksbetriebe in ganz Potsdam. Von einst mehr als 20.

Das Geschäft der Fleischerei Buttgereit in der Garnstraße in Babelsberg. 
Das Geschäft der Fleischerei Buttgereit in der Garnstraße in Babelsberg. 

© Andreas Klaer

Jürgen Buttgereit erlernt damals den Beruf in Werder (Havel) und lernt eines Tages Sybille Schlieter kennen, Fleischerstochter. Nach der Heirat wird 1976 aus Schlieter die Fleischerei Buttgereit. Auch Sohn Dirk wird Fleischer, er macht 1992 seinen Meister in Mannheim, Enkel Joachim legt die Prüfung 2011 in Frankfurt am Main ab. „Man muss auch mal raus, mal was anderes sehen“, sagt Joachim, der heute mit Vater Dirk den Laden als Doppelspitze führt. Und der nächste Buttgereit ist auch schon da – aber noch klein. Ob der Zweijährige mal Fleischer wird, ist noch ungewiss. „Er isst auf jeden Fall gerne Leberwurst“, sagt sein Vater Joachim.

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Jürgen Buttgereit ist längst in Rente, aber über die Zukunft des Geschäfts denkt er trotzdem viel nach. Er macht sich Sorgen. „Heute will doch keiner mehr Handwerker werden und früh um sechs anfangen zu arbeiten“, sagt Jürgen Buttgereit, der jahrelang Mitglied in der Gesellenprüfungskommission war. „Alle wollen studieren. Oder sie haben keine Ahnung von Prozentrechnung und halten Dreisatz für eine Sportübung.“ Dass in seiner Familie der Beruf immer weiter gegeben wurde, freute ihn natürlich. Selbstverständlich war das aber nicht – obwohl Handwerk damals wie heute den sprichwörtlichen goldenen Boden hat. „Man muss seinen Kindern schon bewusst die Liebe zum Beruf vorleben und sie begeistern“, sagt Jürgen Buttgereit.

Opas Wienerrezept

In ihrer Familie hat das geklappt. Joachim wusste schon mit fünf, dass er Fleischer wird, und heute hütet er Opas Rezepte. Die Wiener, sagt Oma Sybille, bis zur Rente ebenfalls im Geschäft, schmeckt heute so wie früher.

Der große Kundenstamm schätzt die Qualität und das Wissen, dass hier nichts Massenproduktion ist. Wer bei Buttgereit in Babelsberg kauft, bezahlt für Handwerkskunst und Qualität. Alles hier ist hausgemacht. Und doch wissen viele Menschen heute gar nicht mehr, was einen echten Fleischer ausmacht, nämlich die eigene Herstellung, sagt Joachim. „Die haben oft keine Vorstellung, wo die Wurst herkommt.“ Bei Buttgereits aus dem „Hinterland“, ein Vielfaches der Ladenfläche. Einmal in der Woche wird geliefert, Rohstoffe wie halbe Schweine, die dann am Haken über eine Art Seilbahn ins „Hinterland“ fahren. Dort entstehen bis zu 60 Sorten Wurst, darunter die Kringelwurst – Buttgereits Markenzeichen. Eine Endlos-Räucherwurst in Spiralform.

Kringelwurst ist das Markenzeichen der Fleischerei Buttgereit. 
Kringelwurst ist das Markenzeichen der Fleischerei Buttgereit. 

© Andreas Klaer

In der Grillsaison ist Donnerstag und Freitag Hoch-Produktion für alles, was sich auf den Rost legen lässt, von Würstchen bis Kammscheiben, und die Kundenschlange reicht schon mal bis zum nächsten Haus. Denn trotz des Vegetarismus-Hype ist Fleisch nach wie vor gefragt, sagt der junge Chef Joachim. Was sich aber auch ändert: „Die Leute achten mehr auf Qualität. Gutes Fleisch ist immer mehr nachgefragt.“ Gut ist bei Buttgereit sowieso alles. Mit den Lieferanten verbindet sie über Jahre eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. Und in die Wurst kommt, so läuft es bei Buttgereits seit eh und je, nur Natürliches. „Kein Separatorenfleisch, keine Zusatzstoffe, keine Fertiggewürzmischungen“, sagt der alte Chef.

Mettbrötchen um halb zehn

Elf Mitarbeiter sind es alle zusammen, darunter Fachverkäuferinnen und zwei Köche für Catering und Imbiss. Morgens halb zehn in Deutschland bestellen Handwerker hier einen Teller Schweinebraten oder „drei halb Mett und einen Kaffee“. Wer körperlich arbeitet, der braucht das eben, sagt Jürgen Buttgereit.

Alles selbstgemacht: Die Fleischerei Buttgereit verkauft Würste aus eigener Herstellung.
Alles selbstgemacht: Die Fleischerei Buttgereit verkauft Würste aus eigener Herstellung.

© Andreas Klaer

Vier schmucke Meisterurkunden hängen im Laden der Buttgereits. Heinz, Jürgen, Dirk und Joachim. Es sei ein schöner Beruf, der Leidenschaft für gute Lebensmittel voraussetzt aber auch technisches Verständnis, sagt der Meisterjubilar. Der neue Räucherofen ist computergesteuert. Buttgereits haben gerade einiges investiert in Technik und Modernisierung.

Aber wie wird’s weitergehen, wenn keiner mehr Fleischer werden will und immer weniger ausgebildet wird? Zu DDR-Zeiten waren es in einem Jahrgang 60 bis 70 Auszubildende im Raum Potsdam, heute im ganzen Kammerbezirk ein Bruchteil davon. „Da muss auch von der Politik was kommen“, sagt Jürgen Buttgereit nachdrücklich. „Denn ohne Handwerk und Handwerker funktioniert die Welt nicht.“

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