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Landeshauptstadt: Mein Haus, mein Boot

Der Potsdamer Jan Kallensee baute ein Hausboot. Der Prototyp dieser mobilen Immobilie liegt auf dem Jungfernsee

Alle paar Minuten schiebt sich ein Lastkahn durch das März-klare Wasser des Jungfernsees. Vorbei am noch fast intakten Wachturm mit Panoramablick, von dem aus einst die Grenze zwischen Potsdam und Berlin kontrolliert wurde. Am Ufer unterhalb der Bertinistraße liegt jetzt ein Hausboot, das dann ganz sacht von den Wellen der Frachter erfasst wird. „Im Sommer ist hier richtig was los, dann merkt man, dass man auf dem Wasser ist“, sagt Jan Kallensee. Er hat das Boot selbst gebaut. Undenkbar wäre das zu DDR-Zeiten gewesen, sagt er, und verweist mit großer Geste auf das gegenüberliegende Sacrower Ufer. Der 43-Jährige ist in der DDR aufgewachsen. „Material zum Bootsbau, überhaupt gutes Material für alles Mögliche, das gab es natürlich nicht“, sagt Kallensee. „Dafür hatten wir viel Zeit, um Ideen zu entwickeln.“

Eine davon hat er jetzt umgesetzt. Jan Kallensee, Wassersportler, Wakeboarder und Surfer, dachte schon lange darüber nach, dass man viel intensiver das Wasser nutzen könnte. „Abends, wenn die Wassersportler verschwinden und es ruhig wird, gerade dann wäre der Punkt, auf dem Wasser zu bleiben“, sagt er.

Eineinhalb Jahre lang baute der gelernte Drechsler, der im Bereich Restaurierung lange für die Schlösserstiftung tätig war, an dem Prototyp, in dem er jetzt probewohnt. „Ich muss ja schauen, ob alles so geworden ist, so funktioniert, wie ich es mir vorgestellt hatte“, sagt er. Mit einem umgebauten Kahn aus Stahl, wie man sie beispielsweise aus Holland kennt, hat das Endprodukt nichts zu tun. „So ein Kahn rostet, es fällt also viel Wartung an. Und weil man im Schiffsbauch wohnt, ist der Fußboden niedriger als die Wasseroberfläche, und statt Fenster gibts nur Bullaugen.“

Das wollte er nicht. Das „Energyboat“, das Kallensee zum größten Teil allein gebaut hat, ist ein auf dem Wasser liegendes kleines Einfamilienhaus. Drei Zimmer, komplette Einbauküche und Bad auf 90 Quadratmetern. Das Wohnzimmer in partytauglicher Größe verfügt über eine Küchenzeile mit allem, was dazugehört. Fast komplett umlaufende Glasfenster vom Boden bis zur Decke holen Licht herein, breite, dunkle Eichendielen (über Fußbodenheizung) rufen Assoziationen an Schiffsplanken hervor. Der 220-Volt-Strom wird mittels Fotovoltaikanlage erzeugt und reicht für die ganz normale Haushaltsführung, inklusive Spül- und Waschmaschine. „Man kann hier wochenlang autark leben“, sagt der Bootsbauer. Deshalb der Name „Energyboat“. Die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung geschieht mittels zweier großer Tanks unter dem Boot. Im luxuriösem Bad gibt es den Blick aufs Wasser dazu – ein echtes Wasserklosett.

Eine Etage höher, auf der Dachterrasse neben den Solarmodulen, ist der Bootssteuerstand. „Da oben kann man Veränderungen wie Strömungen oder andere Boote, Gegenverkehr, schneller erkennen“, sagt Kallensee. Im Wohnzimmer wollte er den Steuerstand nicht haben, er passte nicht zur Wohn-Ästhetik, die ihm wichtig war. Kallensee lümmelt sich auf die großzügige Couch-Landschaft und schaut durch das Panoramafenster auf den See. „Das ist ein neues Lebensgefühl – man sitzt in seinem Wohnzimmer, aber das ist immer wieder woanders“, sagt er. Gut sechs Stundenkilometer schaffen die beiden Außenbordmotoren.

Das Boot, 14,90 Meter lang und acht Meter breit, liegt wie ein Katamaran auf zwei Schwimmkörpern, die mit Metallstreben fest miteinander verbunden sind. „Sonst kommt ne Welle, hebt die beiden an, es macht knack und die Glasscheiben reißen“, sagt Kallensee. Die Schwimmkörper, so lang wie das ganze Gefährt, ließ er anfertigen, holte sie nach Potsdam und setzte dann das Haus drauf. In der Marina am Tiefen See macht er mit einigen Helfern den Trockenbau, Holzwände, Böden, Fenster. „Wir mussten schon aufpassen, dass uns dabei nicht der Akkuschrauber ins Wasser fiel“, sagt er. Für Elektro und Sanitär holte er Fachfirmen hinzu. Eine Abnahme vom TÜV braucht er für den Prototyp noch nicht. „Aber wir haben uns natürlich an die Vorgaben gehalten“, sagt Kallensee. Denn er plant, noch mehr davon zu bauen, bei einer Serie würde dann eine Typenabnahme erfolgen.

„Wer jetzt bestellt, bekommt noch bis zum Sommer eins geliefert“, sagt er. Dabei können Sonderwünsche wie ein Kamin im Wohnzimmer berücksichtigt werden. Besichtigungen und Probefahrten sind jederzeit möglich. „Man muss das erleben, ausprobieren, vielleicht mal hier zwei Tage schnupperwohnen und eine Runde drehen“, sagt Jan Kallensee. Dafür reiche ein Sportbootführerschein.

So ein Haus auf dem Wasser habe natürlich seinen Preis, sagt Kallensee, der den Bau des ersten Bootes nach langem Sparen aus eigener Tasche finanziert hat. Die Standardvariante koste etwa 490 000 Euro. „So viel wie ein Einfamilienhaus in guter Lage,“ sagt Kallensee. „Außerdem wollte ich Qualität und keine schwimmende Sauna.“ So ein mobiles Haus habe ja einige Vorteile. „Wenn mir der Nachbar nicht mehr gefällt, mein Arbeitgeber mich versetzt, dann ziehe ich mit meinem Haus einfach um, ich bin nicht an den Grund und Boden gebunden“, so Kallensee. Vermarktet wird das Hausboot inklusive Liegeplatz von der Potsdamer Firma Peyton Luxus Immobilien. Inhaber Robert Neubauer aus Potsdam ist von dem Projekt überzeugt. „Das Energyboat heißt auch so, weil einem das Wasser, die Ruhe, die Landschaft drumherum, Energie zurückgeben“, sagt der Makler.

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