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Zukunftsplan. So soll die Mitte einmal aussehen. Im Holzmodell des Sanierungsträgers sind Fachhochschule und Staudenhof-Wohnblock bereits durch die angestrebten neuen Karrees in der alten Stadtstruktur ersetzt. Gegen den Abriss läuft ein Bürgerbegehren.

© A. Klaer

Landeshauptstadt: Mehrheiten für die Mitte

Auch Bau- und Hauptausschuss stimmen für Leitbautenkonzept – nach emotionalen Debatten

Von Peer Straube

Innenstadt - Ein deutliches Ja der Stadtverordneten zum Abriss der Fachhochschule und der geplanten Neugestaltung der Potsdamer Mitte im alten Stadtgrundriss ist offenbar nur noch Formsache. Nach dem Finanzausschuss haben jetzt mit dem Haupt- und dem Bauausschuss die beiden anderen wichtigsten Fachausschüsse des Stadtparlaments für das konkretisierte Leitbautenkonzept gestimmt. Grünes Licht gab es außerdem vom Sozial- und vom Bildungsausschuss. Das Leitbautenkonzept war – was ungewöhnlich ist – in alle Ausschüsse verwiesen worden. Der Grund: Die gewählten Volksvertreter wollen dem laufenden Bürgerbegehren gegen die Abriss- und Neubaupläne wohl ein möglichst eindeutiges politisches Signal entgegensetzen. Noch vor der Sommerpause soll in einer Bürgerversammlung über die Pläne diskutiert werden.

Der Bauausschuss beschloss einige Änderungen. So folgte das Gremium dem Antrag der CDU, dass die Vergabe benachbarter Grundstückslose in der Mitte an denselben Bieter ausgeschlossen werden soll. Damit will man verhindern, dass wenige Großinvestoren die lukrativen Baugrundstücke unter sich aufteilen. Wie berichtet sollen anstelle der Fachhochschule zwei neue Karrees im alten Stadtgrundriss entstehen, die markanten Eckgebäude sollen ihre historischen Fassaden zurückbekommen, dazwischen ist eine moderne Bebauung möglich.

Allzu modern soll sie allerdings auch nicht sein. Die Rathauskooperation aus SPD, CDU/ANW und Grünen brachte mehrere Änderungswünsche durch, die den Architekten Zügel anlegen. So sollen beispielsweise auch bei den modernen Gebäuden hohe Fenster eingebaut werden, damit der Unterschied zu den historischen Fassaden nicht zu groß ausfällt. Stadtplanungschef und Interims-Baudezernent Andreas Goetzmann warnte, mit einer solchen Vorgabe sei eine Vorfestlegung zugunsten einer historisierenden Architektur verbunden. Auch bei der Farbgebung der Neubauten sollen sich die Bauherren sowohl mit ihren jeweiligen Nachbarn als auch mit der Bauverwaltung verständigen. Zugunsten des Gesamterscheinungsbildes in den neuen Karrees strich der Bauausschuss ein zusätzliches Geschoss, das die geplanten modernen Gebäude eigentlich bekommen sollten. Statt sechs darf ein Haus – zumindest straßenseitig – nur noch maximal fünf Stockwerke haben, Dachgeschoss inklusive.

Auch den geplanten Bau von Sozialwohnungen in dem neuen Mitte-Quartier will das Rathausbündnis schriftlich im Leitbautenkonzept verankern: Ein Drittel der geplanten Wohnfläche soll mietpreis- und belegungsgebunden sein. Wie viele Wohnungen in dem Karree entstehen, ist noch unklar. Bei einer Modellrechnung, die von durchschnittlich 60 Quadratmetern ausgeht, könnten es 312 Wohnungen sein, so Goetzmann.

Vorausgegangen war eine emotionale Debatte, in der sich die Befürworter der Mitte-Umgestaltung aus der Rathauskooperation und deren Gegner von Die Andere gegenseitig mit Vorwürfen überschütteten. „Hurra, wir leben in einem Museum“, rief Anja Heigl von Die Andere ironisch. „Ich sehe schon, wie die Vertreter der Rathauskooperation im Barockkostüm durch die Mitte spazieren.“ André Tomczak von der Initiative „Potsdamer Mitte neu denken“ warf Stadt und Rathauskooperation vor, bei der Diskussion über die Mitte keine echte Bürgerbeteiligung durchgeführt zu haben. Daraufhin platzte Grünen-Vizefraktionschefin Saskia Hüneke der Kragen. Es sei eine Legende, dass in der Mitte eine Musealisierung stattfinde. „Wir bauen hier eine moderne Stadt, wir kehren nur zur Maßstäblichkeit zurück“, sagte sie. An Tomczak gewandt, verwies sie sichtlich erregt auf unzählige Veranstaltungen, Diskussionsrunden sowie den (inzwischen nicht mehr existenten) Beirat zur Potsdamer Mitte, in dem seinerzeit alle Fraktionen vertreten gewesen seien und der vor mehr als zehn Jahren die politischen Weichen für die heutige Entwicklung gestellt habe. „Andere Städte beneiden uns um solche Beteiligungsprozesse“, erklärte Hüneke. Die Gegner müssten akzeptieren, dass es viele Menschen gebe, die sich seit mehr als zwei Jahrzehnten für eine Umgestaltung der Potsdamer Mitte engagieren, sagte SPD-Fraktionsvizechef Pete Heuer. „Andere, die erst seit 2009 hier leben, müssen sich da hinten anstellen“, sagte er giftig an die Adresse von Tomczak, der erst in jenem Jahr nach Potsdam gezogen ist.

Das von Tomczak mit ins Leben gerufene Bündnis „Potsdamer Mitte neu denken“ hat mittlerweile innerhalb des laufenden Bürgerbegehrens bereits knapp 13 000 Unterschriften für den Erhalt der Fachhochschule gesammelt. Für einen Erfolg sind 14 000 Unterschriften nötig. In diesem Fall könnte es zu einem Bürgerentscheid kommen. Die Befürworter der Mitte-Pläne haben inzwischen eine Online-Petition gestartet, auf der sich bislang 500 Potsdamer eingetragen haben. Linke-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg kritisierte im Hauptausschuss die Eile, mit der das Konzept binnen weniger Wochen durch die Gremien gebracht werde. Angesichts des Bürgerbegehrens werde versucht, Tatsachen zu schaffen. Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) hielt entgegen, es sei wenig sinnvoll, vor Abschluss des Bürgerbegehrens auf entsprechende Beschlüsse zu verzichten. Mit dem Vorliegen der Unterschriften werde die Stadt die Zulässigkeit des Begehrens prüfen – der Rest obliege den Stadtverordneten. (mit HK)

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