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"Durch einen verstärkt rassistischen Diskurs, der durch asylfeindliche Äußerungen der AfD und der Pegida-Bewegung angeführt wird, sehen sich ,besorgte’ Bürger legitimiert, selbst aktiv zu werden".

© dpa

Mehr rassistische Übergriffe in Potsdam: Antifa-Bericht: „Gefährlich gesunkene Toleranzgrenze“

Das vergangene Jahr war ein vorläufiger Höhepunkt, was offen rassistische Hetze und Übergriffe in Potsdam betrifft. Das ist das Ergebnis einer neuen Antifa-Chronik.

Potsdam - Die Zahl rassistischer Übergriffe und Bedrohungen in Potsdam hat sich 2015 im Vergleich zum Vorjahr fast verdoppelt. Das ist das Ergebnis der Chronik „neonazistischer und menschenfeindlicher Aktivitäten“, die das „Antifaschistische Pressearchiv Potsdam“ (APAP) jetzt vorstellte. Die APAP-Chronik weist dabei neun körperliche Attacken gegen Personen aus. „Wir sehen im Jahr 2015 einen vorläufigen Höhepunkt – qualitativ und quantitativ – offen rassistischer Hetze und Übergriffe“, hieß es von den Szenebeobachtern, die ihren Sitz in einem linksalternativen Hausprojekt haben.

Mehrere Übergriffe in Potsdam

Die drastischsten Fälle: Im Juli wurden eine Frau und ihre Kinder in der Innenstadt rassistisch beleidigt, mit dem Tode bedroht und zur Hilfe kommende Personen geschlagen. Der Täter trug nach APAP-Angaben eine Schreckschusswaffe bei sich. In der Waldstadt wurde einen Monat später eine Familie rassistisch bedroht und mit Steinen aus dem Gleisbett der Straßenbahn beworfen. Für den Anstieg rassistischer Gewalttaten macht das APAP auch die AfD verantwortlich: „Durch einen verstärkt rassistischen Diskurs, der durch asylfeindliche Äußerungen der AfD und der Pegida-Bewegung angeführt wird, sehen sich ,besorgte’ Bürger legitimiert, selbst aktiv zu werden.“ Das APAP spricht dabei von einer „gefährlich gesunkenen Toleranzgrenze“ und einer „Gewöhnung an rassistische Angriffe“. Die Zahlen des APAP zu Übergriffen waren in der Vergangenheit stets höher als die der Polizei, offenbar auch weil nicht jede erwähnte Attacke zu einer Strafanzeige führte.

Aber auch die Bürgerversammlungen zu geplanten Asylunterkünften tragen laut APAP zu dem Anstieg bei. Dort würden rassistische Vorurteile „als legitime Meinungsäußerung oder Angst“ verstanden – in Potsdam aber würden die Moderatoren und andere Besucher dem häufig argumentativ entgegentreten, hieß es.

Rechte Aktivitäten während Planungen für Asylunterkunft in Fahrland 

Dennoch: Im Zuge der Planungen für eine Asylunterkunft in Fahrland stiegen die rechten Aktivitäten: Bürger sammelten Unterschriften, Neonazis fielen mit regelmäßigen Propagandaaktionen auf. Jenseits der AfD versuchen auch andere rechte Parteien in Potsdam Fuß zu fassen: Im Oktober trat nach über vier Jahren wieder ein Potsdamer Stadtverband der NPD in Erscheinung. Der Drahtzieher ist nach APAP-Angaben der Nauener NPD-Stadtverordnete Maik Schneider, der in Potsdam sein Abitur nachholt. Er nahm im vergangenen Jahr an zahlreichen Anti-Asyl- Demonstrationen in Berlin und Brandenburg teil und scheute dabei keine Nähe zu gewaltbereiten Neonazis.

Die sogenannten Freien Kräfte, also parteilose Neonazis, sind in Potsdam nach APAP-Angaben nur noch eine Randnotiz. Umso häufiger traten sie in anderen Orten – etwa Potsdam-Mittelmark und Frankfurt/Oder – als Gefolge der rechtsextremen Splitterpartei „Der III. Weg“ auf. 

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