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Nachwuchs. Elena Ostanina (o.) ist Journalistin in Russland. Ihre Arbeit wird immer mehr eingeschränkt. Alexandre Brutelle kommt aus Frankreich.

©  Manfred Thomas

Medienkonferenz M100 in Potsdam: Erschwerte Bedingungen

Im Rahmen von M100 läuft derzeit ein Workshop für junge Journalisten in Potsdam. Sie kommen auch aus Aserbaidschan, Georgien oder Russland.

Potsdam - Der Seminarraum im Babelsberger Medieninnovationszentrum ist überhitzt, nur ein leichter Luftzug durch die geöffnete Tür sorgt für etwas Frischluft. An den Tischen sitzen 25 junge Menschen, tippen in ihre Laptops und Smartphones, machen sich Notizen, fotografieren ab und zu und lauschen dem Referenten. Dieser diskutiert gerade darüber, ob das Internetlexikon Wikipedia als Datenquelle taugt. Sein Fazit: Als direkte Datenquelle sei Wikipedia für Journalisten nicht nutzbar, als Ansatzpunkt für weitere Recherchen über die angegebenen Quellenlinks und erweiterte Suchfunktionen aber mittlerweile nahezu unverzichtbar. „Internet und Datensicherheit für Journalisten“ ist das Modul überschrieben, das Albrecht Ude von der Journalistenvereinigung „netzwerk recherche“ leitet. Es ist Teil des einwöchigen Workshops „M100 Young European Journalists Workshop“.

Im Fokus: investigativer Journalismus

2005 hatten die Stadt Potsdam und der Verein Potsdam Media International e.V. das Medientraining initiiert – um eine freie Presse und ethische Standards im Journalismus zu fördern. Der investigative Journalismus steht in diesem Jahr im Fokus des Workshops, der alljährlich im Vorfeld der Medienkonferenz M100 Sanssouci Colloquium stattfindet. Junge Journalisten aus 14 Ländern Europas und Asiens lernen, welche Quellen und Techniken sie für investigative Recherchen nutzen können, wie sie diese effektiv planen und umsetzen und wie sie dabei auf ihre eigene Sicherheit und diejenige ihrer Quellen achten. Es sind Journalisten, die zwischen 19 und 26 Jahren alt sind und am Anfang ihrer Karriere stehen. Ihre Arbeitsbedingungen sind nicht immer einfach. 15 der Teilnehmer stammen etwa aus Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Russland und der Ukraine. In diesen Ländern ist die Berichterstattung über Korruption, Geldwäsche oder politische Skandale besonders schwierig – und gefährlich.

Aus eigener Erfahrung weiß dies Elena Ostanina. „Das Niveau des Journalismus in Russland und in der Ukraine sinkt“, sagt die 26-Jährige. Seit fast zehn Jahren arbeitet sie journalistisch – in ihrer Heimat Russland zunächst für einen unabhängigen Wirtschaftssender, seit 2015 als Auslandskorrespondentin für die Deutsche Welle in der Ukraine. Besonders in den letzten beiden Jahren haben die Einschränkungen und Repressalien gegenüber Journalisten zugenommen und damit die Arbeit erschwert, erklärt die junge Frau. Einer ihrer Kollegen, der kritisch über die Tschetschenien-Politik berichtete, wurde unter ominösen Umständen wegen angeblichen Drogenbesitzes verhaftet. „Die Situation ist bedrohlich geworden“, sagt Ostanina.

Auch französischer Nachwuchsjournalist wurde bedroht

Doch nicht nur in Ländern Osteuropas und Asiens ist investigativer Journalismus mitunter schwierig. „Korruption gibt es auch in Westeuropa – nur ist sie hier nicht so offensichtlich und besser versteckt“, sagt Alexandre Brutelle. Der Franzose begann seine Karriere 2014 als freier Journalist und berichtete über die Ukrainische Revolution in Kiew. Inzwischen studiert er Online-Journalismus in Paris und berichtet über politische Skandale in Nizza. Dass es unangenehm werden kann, einflussreichen Persönlichkeiten auf die Füße zu treten, hat auch er schon erfahren. „Ich erhielt bereits einige Warnungen“, sagt er.

„Das Wichtigste ist es, den jungen Journalisten Werkzeuge und Methoden an die Hand zu geben, mit denen sie im Netz recherchieren können“, erklärt Recherche-Trainer Albrecht Ude. Eine gesunde Portion Skeptizismus und ein kritischer Umgang mit Informationen seien für Journalisten heute wichtiger denn je. „Die Menge an Falschinformationen hat rasant zugenommen, durch das Internet und die sozialen Netzwerke ist quasi jeder zum Publizisten geworden.“ Hinzu komme, dass es ein Leichtes sei, Fotos oder Daten zu fälschen oder zu verändern.

Verschlüsselung von Daten

Neben dem „netzwerk recherche“ engagieren sich professionelle Trainer und investigative Journalisten der diesjährigen Partnerorganisationen Correctiv, Internationales Consortium Investigativer Journalisten (ICIJ) und dem Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP) für den Workshop, der mit dem Besuch der Medienkonferenz M100 am 15. September abschließen wird.

Albrecht Ude ist inzwischen beim Thema Sicherheit angekommen. Welche Spuren hinterlasse ich als Journalist, wer kommt dort heran und was sagen sie aus? Das Ziel sei es, den jungen Journalisten ein Bewusstsein darüber zu vermitteln und ihnen auch Werkzeuge für eine anonyme Kommunikation und Techniken zur Verschlüsselung von Daten zu vermitteln. „Ich hoffe, dass ich das nicht brauchen werde, aber es ist immer gut, die Möglichkeiten zu kennen“, sagt Elena Ostanina.

Heike Kampe

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