zum Hauptinhalt
Preisträger Szabolcs Dull in Potsdam. 

© Ottmar Winter PNN

Medienkonferenz in Potsdam: M100 ehrt den ungarischen Journalisten Szabolcs Dull

Der Preis wurde für Dulls Einsatz für die Pressefreiheit verliehen. Bei der internationalen Medienkonferenz M100 Sanssouci Colloquium ging auch um die Verlässlichkeit von Medien und Systemrelevanz in der Coronakrise.

Potsdam - Der ungarische Journalist Szabolcs Dull ist in Potsdam mit dem Medienpreis M100 ausgezeichnet worden. Er wurde für seinen Einsatz für Demokratie in Europa und in Ungarn geehrt. Verliehen wurde der Preis am Donnerstagabend anlässlich der internationalen Konferenz M100 Sanssouci Colloquium. Die Konferenz stand unter dem Motto „Neustart: Shaping the Post-Covid Media Order“. Der Finanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) hielt die Hauptrede. „Demokratie ist auch der Schutz der Minderheiten“, so Scholz. Nicht eine Macht bestimme alles.

Szabolcs Dull ist der ehemalige Chefredakteur des größten ungarischen Nachrichtenportals index.hu. Er gilt als kompromissloser Verfechter der Pressefreiheit und scharfer Kritiker des rechtsnationalen Präsidenten Viktor Orban. „Die Medienfreiheit ist nicht unbedingt schwarz- weiß zu sehen, sondern eine Frage des Freiraums und der Reichweite“, sagte Dull vor seiner Abreise nach Deutschland der Nachrichtenagentur dpa in Budapest. Man könne sie sich „wie ein geräumiges Zimmer“ vorstellen. Je höher die Decke ist, desto größer sei der Freiraum. Hängt die Decke niedrig, könne es zwar immer noch Medienfreiheit geben, „aber jeder bewegt sich in dem Zimmer gebückt und mit gesenktem Kopf“. In Ungarn sei in den letzten Jahren „dieses Zimmer immer kleiner, der Freiraum immer enger geworden“.

Preisträger Szabolcs Dull im Gespräch mit Kai Diekmann.
Preisträger Szabolcs Dull im Gespräch mit Kai Diekmann.

© Ottmar Winter PNN

Im Juli wurde Dull entlassen. Fast die gesamte Index-Redaktion trat danach aus Protest zurück. Die Journalisten machten die Orban-Regierung für die Entlassung des unbequemen Chefredakteurs verantwortlich. „Jahrelang waren Szabolcs Dull und seine Redaktion eines der wichtigsten Bollwerke gegen den Verlust von Presse- und Meinungsfreiheit in Ungarn“, sagte Ex-Bild-Chefredakteur Kai Diekmann. Der Potsdamer ist Mitglied im M100-Beirat.

Das internationale Medientreffen findet seit 2005 einmal im Jahr statt und versammelt rund 100 international bedeutende Medienmacher. Es wird größtenteils von der Stadt Potsdam finanziert. Aufgrund der Corona-Pandemie fand die Konferenz in diesem Jahr ausschließlich online auf der Videokonferenzsoftware Zoom statt. Nur die abendliche Preisverleihung wurde im Raffaelsaal der Orangerie abgehalten, dort galten Hygiene- und Abstandsregeln. „Preise sollten möglichst persönlich übergeben werden“, sagte Potsdams ehemaliger Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) zur Eröffnung. Anna Sauerbrey, Ressortleiterin beim Tagesspiegel, moderierte den Abend.

Preisträger Szabolcs Dull mit Potsdams ehemaligen Oberbürgermeister Jann Jakobs und M100-Beiratsmitglied Sabine Sasse.
Preisträger Szabolcs Dull mit Potsdams ehemaligen Oberbürgermeister Jann Jakobs und M100-Beiratsmitglied Sabine Sasse.

© Ottmar Winter PNN

In früheren Jahren konnten die Teilnehmenden am Rande der Veranstaltungen durch die Gärten der Landeshauptstadt streifen und zwanglos mit Kollegen ins Gespräch kommen. Das war diesmal aufgrund der Corona-Pandemie nicht möglich. Und auch thematisch bestimmte die Coronakrise das Programm. Die Krise habe gezeigt, dass Journalismus „systemrelevant” sei, sagte Leonard Novy, der Direktor des Kölner Instituts für Medien- und Kommunikationspolitik, in seinen Eröffnungsworten. Gleichzeitig befände sich die gesamte Branche in einer existenziellen Krise. Nicht zuletzt stünde die Pressefreiheit in vielen Ländern in Gefahr, auch in Europa.

Der Historiker Timothy Garton Ash sagte, von ihren Anfängen an sei die Demokratie auf freie Meinungsäußerung und Debatte angewiesen gewesen. Doch während die Bürger des antiken Griechenlands noch persönlich auf einem zentralen Platz der Stadt debattierten und stritten, sei der Austausch in der globalisierten Welt nur durch die Vermittlung der Medien möglich. Um ihrer Verantwortung gerecht zu werden, müssten Medien „unzensiert, divers und vertrauenswürdig“, sein, forderte Ash.

Herausforderung durch digitale Monopole

Die größte Herausforderung in der digitalen Ära seien Monopole, etwa von Plattformen wie Facebook oder Amazon. Die Monopolstellungen der Digitalkonzerne würden eine Gefahr für die freie Debatte und die Demokratie darstellen, so Ash. Dennoch solle man nicht in „Fatalismus” verfallen. Das Internet sei trotz allem  immer noch eine Bereicherung. Doch Menschen müssten lernen, damit umzugehen. „Wir brauchen Bildung“, so Ash. Regierungen müssten dafür sorgen, dass die junge Generation in der Schule lernt, vertrauenswürdige Nachrichten von Falschmeldungen zu unterscheiden.

Am Abend diskutierten die russischstämmige US-Journalistin Masha Gessen, der britische Autor John Kampfner, die schwedische Journalistin Hannah Stjärne und die deutsche Autorin Marina Weisband unter dem geradezu apokalyptischen Titel „The end of the World as we know it? Media and Democracy Post-Covid“ (Das Ende der Welt, wie wir sie kennen? Medien und Demokratie nach Covid-19) über die Folgen der Krise für die Medienbranche. (mit dpa, sca)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false