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Immer wieder gibt es Kritik am Bürgerservice.

© Andreas Klaer

Massive Kritik am Potsdamer Bürgerservice: Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Oberbürgermeister Schubert

Die Beschwerden zur Terminvergabe halten an. Das Rathaus will die Onlinebuchung verbessern und verweist auf Extrabelastung.

Potsdam - Einmal mehr gerät der sogenannte Bürgerservice im Rathaus in die Kritik von Potsdamern, die vor Beginn der Sommerzeit zum Beispiel Reisepässe benötigen – aber für deren Beantragung keine Termine erhalten. Deswegen gibt es nun eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD), dazu wütende Leserbriefe und Einträge in sozialen Medien. Was dazu kommt: In anderen Landeshauptstädten läuft es offenbar besser.

Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Schubert

So hat ein Potsdamer in einer den PNN vorliegenden Beschwerde an das Rathaus seinem Unmut Luft gemacht – er könne nicht „seinen rechtlichen Pflichten“ zum Vorlegen bestimmter Dokumente nachkommen, weil er nun seit Anfang Februar keinen Termin im Bürgerservice erhalte. Er müsse seinen Hauptwohnsitz abmelden und ein polizeiliches Führungszeugnis beantragen, dass zum Abschluss eines Mietvertrages im Ausland zwingend erforderlich sei. 

Die „Nichterreichbarkeit“ der kommunalen Verwaltung habe schon jetzt „negative private und berufliche Folgen“, so der Beschwerdeführer. Denn: eine persönliche Vorsprache beim Bürgerservice sei eben ausdrücklich nicht möglich. Doch habe Oberbürgermeister Schubert sicherzustellen, „dass seine Mitarbeiter alle legalen Möglichkeiten ausschöpfen, die es den Bürgern ermöglichen, ihren Verpflichtungen nachzukommen“. Diese Aufsichtspflicht habe Schubert vernachlässigt, so der Noch-Potsdamer.

Schon lange Zeit hagelt es Beschwerden

Seit Monaten sorgt der Bürgerservice immer wieder für Negativschlagzeilen, gerade die Terminvergabe im Internet – und immer wieder hatte die zuständige Ordnungsbeigeordnete Brigitte Meier (SPD) Verbesserungen angekündigt. Erst vor einem Monat hatte sie für dieses Jahr vier neue Stellen zugesagt – und jeweils zwei in den nächsten beiden Jahren, „für einen bedarfsgerechten Aufwuchs“ des Amtes in der schnell gewachsenen Stadt. 

Schon im vergangenen Herbst hatten die Stadtverordneten auf Antrag der Linken eine deutliche Verbesserung des Service-Angebots beschlossen, nachdem es viele Beschwerden gegeben hatte.

Anderswo gibt es Termine

Auch der Vergleich mit anderen Landeshauptstädten fällt dürftig aus. Am Mittwoch gegen 10 Uhr – in Potsdam gab es einmal mehr null freie Termine in den nächsten Wochen – probierten die PNN die Online-Terminvergaben in Schwerin, Magdeburg, Dresden, Erfurt, Saarbrücken, Kiel und Mainz aus. Ergebnis: In fast allen Teststädten gab es die Möglichkeit, für die Beantragung eines Reisepasses einen Termin zu erhalten, wenn dieser auch teilweise erst im Mai gelegen hätte. So war es in Schwerin und Dresden. Termine für April und Mai gab es in Magdeburg und Mainz, noch im März wurde man in Saarbrücken und Erfurt fündig. In Potsdam waren Termine zuletzt nur bis Ende April freigeschaltet – in den anderen Kommunen war das teils bis weit in den Mai möglich.

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Zudem weist zum Beispiel Magdeburg darauf hin, dass man in einigen der dezentralen Bürgerbüros – auch so etwas hat Potsdam nicht – vorsprechen könne ohne Termin, und zwar jeweils zwischen acht und neun Uhr. Solche Modelle ohne Termin lehnt Potsdam bisher ab, auch mit Verweis auf Corona und eine per Online-Buchung bessere Terminplanbarkeit. 

Einzig in Kiel konnte man nicht gleich einen Termin buchen. Jedoch weist dort die Homepage darauf hin, bei dringenden Anliegen, etwa für Pässe, könne man sich per E-Mail melden: „Unser engagiertes Team meldet sich dann mit einem zeitnahen Termin bei Ihnen zurück.“ In Potsdam klingt die Ansprache auf der Internetseite des Bürgerservice so: „Von persönlichen Vorsprachen ist abzusehen. Ihre Anliegen können telefonisch vorgetragen oder per Post bzw. E-Mail an uns gerichtet werden.“

Verbaler Bürgerfrust

Insofern empfinden sich manche Potsdamer, die gerade ein Dokument benötigen, wie Bittsteller. So schilderte Martin Henseke, dessen Ausweis abgelaufen ist, er richte sich bereits nach dem Rat der Stadtverwaltung, ab früh 8 Uhr online einen Termin für den gleichen Tag zu vereinbaren. Doch steige dann spürbar die Auslastung des Buchungssystems, manchmal dauere es 30 Sekunden zwischen Klick und dem Erscheinen der nächsten Seite. 

Die Folge ist eine Art Glücksspiel: Man klicke einen Termin an und warte auf die Bestätigung. Doch dann: „Die Anzeige, dass der Termin inzwischen bereits vergeben ist.“ Andere freie Termine seien dann auch weg, so Henseke.

Stadt kündigt Besserung an

Das zumindest könnte sich ändern. Rathaussprecher Jan Brunzlow sagte, man habe beim Hersteller der Buchungssoftware angefragt, um eine Art Warenkorb einzuführen, damit ein Termin vor der Buchung tatsächlich nur für eine Person geblockt werde. Man stelle täglich bis zu 100 neue Termine zur Verfügung, die derzeit allerdings auch schnell wieder vergeben seien und habe zuletzt auch mehr Schalter eingerichtet, 2021 auch so viele Dienstleistungen und Anträge abgearbeitet wie noch nie, man könne 400 Bürgern pro Tag die Anliegen bearbeiten. Aktuell würden zusätzlich auch Ukraine-Geflüchtete mit angemeldet, damit sie weitere Hilfen beantragen könnten, so Stadtsprecher Brunzlow.

Für Henseke funktioniert aber das System an sich nicht. Auch telefonisch und per Mail sei niemand erreichbar. „Ganz abgesehen von der Frage, wie ein arbeitender Mensch von jetzt auf gleich sein Tagwerk umplanen soll, um der gnädigen Verwaltung nachzukommen.“ Mehrere im Tonfall ähnlich verärgert klingende Schreiben anderer Potsdamer hat die PNN in den vergangenen Tagen erhalten. Und im sozialen Netzwerk Facebook witzelte eine entnervte Potsdamerin: „Ich bemühe mich jetzt um eine Audienz beim Papst. Mal sehen, was schneller klappt.“

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