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Manja Schüle im Interview: „Man braucht schon ein heiteres Gemüt“

Die Babelsberger SPD-Bundestagsabgeordnete Manja Schüle hat uns gestern in der Redaktion besucht. In einem Interview hat sie über Schulz, Groko und die Fragen der Basis gesprochen.

Frau Schüle, Sie haben am Dienstagabend die Potsdamer SPD-Mitglieder zur vierten Basiskonferenz eingeladen, um über eine Fortführung der großen Koalition zu diskutieren. Wie war die Resonanz?

95 Mitglieder waren da und haben hart diskutiert. Darunter überraschend viele neue und auch prominente Potsdamer Mitglieder wie Ex-EU-Kommissar Günter Verheugen, der frühere Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye, der ehemalige Chef der Brandenburger Staatskanzlei Jürgen Linde und Konrad Elmer-Herzig, Mitbegründer der Sozialdemokratischen Partei in der DDR. Es war im Gegensatz zu dem, was ich derzeit in sozialen Medien an Häme und schlechten Umgangsformen erlebe, eine heftige, aber sachliche Debatte. Wir haben in Potsdam starke Befürworter einer Opposition, die das mit einem Erneuerungsprozess begründen, aber auch Befürworter für einen Regierungseintritt.

Welches Lager lag vorne?

Nach den Wortmeldungen, leicht die Groko-Gegner – aber auch nur die Hälfte hat sich überhaupt geäußert. Ich kann heute keine Prognose wagen, wie der Mitgliederentscheid Anfang März ausgeht. 450 000 Stimmberechtigte gibt es, nicht alle sind stets aktiv dabei. Gerade solche haben mir geschrieben, dass sie einen Erneuerungsprozess bei der SPD wichtig finden, aber dieser nicht in der Opposition umgesetzt werden könne. Viele Mitglieder argumentieren: ,Wenn ihr nicht in die Regierung geht, könnt ihr das, was ihr verhandelt habt, auch nicht umsetzen.’

Inwiefern überlagert die derzeitige Personaldebatte innerhalb der SPD die Inhalte?

Zu dem, was wir in den letzten Tagen an Debatten innerhalb der SPD erlebt haben, kann ich nur sagen: Da fehlen mir die Worte! Und ich bin kein Mensch, der auf den Mund gefallen ist. Der Koalitionsvertrag ist gut ausgehandelt wenn man überlegt, woher wir kommen: von 20,5 Prozent. Das gute Verhandlungsergebnis mit solchen Personaldebatten zu überlagern, ist ausgesprochen misslich. Man braucht schon ein heiteres Gemüt, um das alles auszuhalten.

Was sagt denn die Potsdamer Basis über Martin Schulz?

Bei der Personalie Martin Schulz geht es vor allem um zwei Fragen: Wie gehen wir eigentlich miteinander um und wie konnte es passieren, dass Martin Schulz und das Parteipräsidium Entscheidungen treffen, die ganz offensichtlich nicht von der Basis und der Bevölkerung geteilt werden? Ich war ja schon skeptisch, als Martin Schulz nach dem Ende von Jamaika sofort gesagt hat: Dann gehen wir in die Opposition. Man kann sich nicht acht Stunden später hinstellen und sagen: Das machen wir jetzt so! Das ist jedenfalls nicht meine Auffassung von Politik. Deswegen habe ich ja auch die Diskussionsrunden in Potsdam initiiert, um mit der Basis darüber zu sprechen.

Sie selbst sind also keine Befürworterin einer Groko-Neuauflage?

Wie kommen Sie darauf? Was ich gesagt habe ist: Man kann nicht wenige Stunden, nachdem sich die Ausgangslage verändert hat, so eine Entscheidung verkünden. Die Ausgangslage nach der Bundestagswahl war, dass die große Koalition abgewählt wurde. Deshalb hatte die SPD zu Recht angekündigt, die Oppositionsführung übernehmen zu wollen. Dann ist Jamaika gescheitert und die Bürger erwarten nun zu Recht eine starke Regierung von uns. Das ist die Situation heute.

War es denn aus Ihrer Sicht richtig, dass Martin Schulz auf den Außenministerposten verzichtet?

Er hätte den Job sicher gut gemacht. Angesichts allerdings seiner früheren Ankündigung, nicht ins Kabinett zu gehen, war das sicher keine gute Idee.

Die Grünen haben ja gerade mit der Potsdamerin Annalena Baerbock, die bei der Bundestagswahl gegen Sie im Wahlkreis 61 angetreten ist, einen Neuanfang gemacht. Kann sich die SPD davon etwas abschauen?

Die Grünen haben das sensationell gemacht und gezeigt, wie ein sachlicher innerparteilicher Wahlkampf geht. Ich schätze Annalena Baerbock außerordentlich. Mit Robert Habeck haben sie einen zupackenden, pragmatischen Typen in der Doppelspitze, dem man das Progressive abkauft. Es ist ja nicht so, dass es bei den Sozialdemokraten keine solchen Leute gibt. Aber wir sind eine Partei, die Erneuerung eigentlich ganz stark über Inhalte diskutieren will und weniger über Köpfe.

Worüber wurde denn dann am Dienstag diskutiert wenn nicht über Köpfe?

Hauptpunkt der Debatte war: Können wir in eine große Koalition eintreten, in der die großen Linien der SPD nicht drin sind? Genau daran krankt die SPD doch gerade: Sie formuliert keine großen Linien. Der Koalitionsvertrag ist gut verhandelt, zum Beispiel beim Thema Bildung wurde viel erreicht. Jedoch schon im SPD-Wahlprogramm ist nicht umrissen, wie wir uns bei großen Themen wie Digitalisierung, Rente, Pflege und Verteilungsgerechtigkeit über die Legislatur hinaus aufstellen wollen. Darauf müssen wir aber Antworten geben.

MANJA SCHÜLE (41) gewann bei der Bundestagswahl 2017 das Direktmandat im Wahlkreis 61 mit 26,1 Prozent und damit das einzige SPD-Direktmandat in einem ostdeutschen Flächenland.  

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