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In Schutzmontur nimmt Oberarzt Tillmann Schumacher im Klinikum „Ernst von Bergmann“ einen Abstrich im Rachen einer Patientin.

© Sebastian Rost

"Man fühlt sich im Stich gelassen": Verunsicherung in Potsdam um Coronavirus-Tests

Menschen, die sich auf das Coronavirus testen lassen wollten, berichten von teils unklaren Zuständigkeiten und unkoordiniertem Vorgehen. Klinikum und Stadt dagegen versichern, vorbereitet zu sein.

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Potsdam - Die Ausbreitung des Coronavirus und das Vorgehen bei einem Infektionsverdacht sorgt bei betroffenen Potsdamern für Verunsicherung. Es sei schwierig, telefonisch Informationen zu bekommen und beim Hausarzt einen Corona-Abstrich durchführen zu lassen, schilderten PNN-Leser. In mehreren Fällen gaben Betroffene an, von ihren Hausärzten abgewiesen worden zu sein.

Dies sei von den Praxen vor allem damit begründet worden, dass die Ärzte keinerlei Schutzausrüstung hätten, um den Corona-Test durchzuführen und keine Tests vorlägen. Als wenig hilfreich beschrieben Betroffene die telefonische Erreichbarkeit und die Auskünfte des Potsdamer Gesundheitsamtes, der Patientenberatung, des Bundesgesundheitsministeriums sowie des ärztlichen Bereitschaftsdienstes.

Mehrere ergebnislose Anrufe

Ein junger Mann aus Michendorf, der mit seiner Freundin am Samstag mit Krankheitssymptomen aus Südtirol zurückgekehrt war, schilderte mehrere ergebnislose Anrufe beim ärztlichen Bereitschaftsdienst.

Die beiden wollten sich testen lassen, da sie grippeähnliche Symptome aufwiesen und mehrere Infektionsfälle von Südtirol-Reisenden in der Region bekannt sind. Sie hätten insbesondere sicher gehen wollen, da ein Familienmitglied unter einer chronischen Lungenerkrankung leide, sagte der junge Mann. Diese gelten als Risikogruppen für das Coronavirus. Der Hausarzt in Michendorf habe sie jedoch nicht testen wollen, weil er darauf nicht vorbereitet sei, so der 20-Jährige. Wenn er sie aufnehme und der Test wäre positiv, müsse er seine Praxis für ein bis zwei Tage schließen, weil er keine Schutzausrüstung habe, habe es aus der Praxis geheißen.

Letztlich ließen die beiden den Test am Montagvormittag im Klinikum „Ernst von Bergmann“ machen, wo sie sich in der Notaufnahme meldeten. Ein Ergebnis soll am heutigen Mittwoch vorliegen. Bis dahin müssten sie nach Aussagen der Klinikumärzte in häuslicher Quarantäne bleiben.

Zentrale Notaufnahme im Klinikum "Ernst von Bergmann".
Zentrale Notaufnahme im Klinikum "Ernst von Bergmann".

© Sebastian Rost

Das Klinikum habe seit Freitag eine separate Untersuchungsstelle für solche möglichen Coronavirus-Fälle eingerichtet, sagte Sprecherin Damaris Hunsmann am Dienstag auf PNN-Anfrage. Die erste Anlaufstelle sei jedoch für alle Potsdamer der Hausarzt, betonte sie. „Jeder niedergelassene Arzt sollte in der Lage sein, den Abstrich durchzuführen“, sagte auch der Ärztliche Direktor des Klinikums Thomas Weinke. „Es ist der gleiche Test wie bei der Influenza.“

Klinikum richtet speziellen Untersuchungsraum ein

Wer dennoch ins Klinikum komme, weil er einen Coronaverdacht hege, solle sich am Empfang der Rettungsstelle melden, erklärte die Sprecherin. Von dort würden die Patienten per Handzettel mit Wegbeschreibung zu einem separaten Eingang geschickt. Im separaten Untersuchungsraum seien Ärzte mit der Schutzausrüstung für hochansteckende Viruserkrankungen ausgestattet und würden die Corona-Abstriche durchführen. Ziel sei es, die Notaufnahmen und Hausarztpraxen der Klinikgruppe zu entlasten sowie „Kontakte zwischen möglicherweise Infizierten und Nichtinfizierten auszuschließen“. Dies habe sich seit Freitag „gut etabliert“. Wie viele Tests bislang im Klinikum durchgeführt wurden, blieb am Dienstag offen. Diese Auskunft könne nur das Gesundheitsamt geben, hieß es.

Eine gute Hygiene ist wichtige Prävention gegen die Ausbreitung des Virus. 
Eine gute Hygiene ist wichtige Prävention gegen die Ausbreitung des Virus. 

© Fabian Strauch/dpa

In der separaten Untersuchungsstelle im Klinikum wurden auch der junge Michendorfer und seine Freundin getestet. Allerdings hätten sie am Empfang der Notaufnahme 15 Minuten warten müssen, das Personal habe „total überfordert“ gewirkt und sie erst mit Verzögerung zur Hintertür geschickt. Währenddessen hätten sie fortlaufend Kontakt mit anderen Patienten gehabt. Zudem habe das medizinische Personal sie nach dem Test zwar angewiesen, nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Hause zu fahren. Es habe sie jedoch nicht durch einen Extra-Ausgang hinaus geschickt, sondern durch die Notaufnahme, wo viele ältere, bettlägerige Patienten gewartet hätten. „Das gesamte Vorgehen wirkte unkoordiniert, man fühlt sich im Stich gelassen“, sagte der Michendorfer.

"Wir wissen weiterhin nicht, ob er etwas hat"

Ähnlich drückt es eine Potsdamerin aus, die versuchte, für ihren Partner mit Krankheitssymptomen nach Aufenthalten nahe der betroffenen Region in Nordrhein-Westfalen einen Corona-Test zu organisieren. Der Hausarzt wies auch sie mangels Ausrüstung ab, die Rettungsstelle des St.-Josefs-Krankenhauses habe sie zwar zunächst mit Mundschutz ausgestattet, dann aber wieder zum Hausarzt geschickt – der jedoch weiterhin angab, nicht testen zu können. Das Ganze habe sich angefühlt wie „Asterix auf der Suche nach Passierschein A38“, so die Potsdamerin. Und weiter: „Wir wissen weiterhin nicht, ob er etwas hat und werden uns vorerst selbstständig in Quarantäne versetzen.“

Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD).
Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD).

© Sören Stache/dpa

Im Potsdamer Rathaus reagierte man unterdessen auf die zunehmende Bedrohung durch eine Ausbreitung des Coronavirus. Am Montag habe man entschieden, einen Verwaltungsstab unter Leitung der zuständigen Gesundheitsbeigeordneten Brigitte Meier zu bilden, sagte Oberbürgermeister Mike Schubert (beide SPD) am Dienstag den PNN. Bislang sei die Koordinierung hauptsächlich über das kommunale Bergmann-Klinikum gelaufen, dies ändere sich nun.

Dem Stab gehörten verschiedene Experten an, darunter Feuerwehr- und Katastrophenschutzchef Ralf Krawinkel und die Amtsärztin Kristina Böhm, die beide ohnehin bereits mit den Maßnahmen gegen das Virus befasst sind. Auch Mitarbeiter des Schul- und Jugendamtes seien einbezogen. Darüber hinaus würden zusätzliche Wege geprüft, um die Öffentlichkeit auf dem Laufenden zu halten, darunter die Einrichtung einer Hotline, sagte Schubert. „Wir sind so gut gerüstet, wie wir es zu diesem Zeitpunkt sein können“, erklärte der Rathauschef. 

Was tun im Verdachtsfall: 

Wenn Potsdamer die Sorge haben, sich mit dem Coronavirus infiziert zu haben, ist dieses Vorgehen nach Angaben des Bergmann-Klinikums richtig:

- Menschen, die einen engen Kontakt mit einer Person hatten, bei der das Coronavirus nachgewiesen wurde, oder die sich in einem vom Robert-Koch-Institut ausgewiesenen Risikogebiet aufgehalten haben, sollten Kontakte zu anderen Personen vermeiden und sich unverzüglich mit dem Gesundheitsamt Potsdam in Verbindung setzen. Wenn die Person medizinische Hilfe benötigt, kann sie sich – nach telefonischer Anmeldung – an den Hausarzt oder unter der Nummer 116 117 an den ärztlichen Bereitschaftsdienst wenden. Die Hausärzte seien in der Lage und auch dafür verantwortlich, einen Corona-Abstrich durchzuführen, so das Klinikum.

Für telefonische Auskünfte stehen folgende Nummern zur Verfügung:

  • Bundesministerium für Gesundheit (Bürgertelefon): 030 346 465 100
  • Kassenärztlicher Notdienst: 116 117
  • Unabhängige Patientenberatung Deutschland: 0800 011 77 22

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