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Landeshauptstadt: Macht es wie Niuta!

Die Musikerinnen Cora und Swetlana von dem Bottlenberg knüpfen auf Schloss Golm an eine alte Erfolgsgeschichte an

Die Musikerinnen Cora und Swetlana von dem Bottlenberg knüpfen auf Schloss Golm an eine alte Erfolgsgeschichte an Zwei einander zugewandte Betonadler thronen über dem alten Eingangsportal. Die beiden Vögel haben Jahrzehnte auf dem harten Gefieder. Sie bewachen die Pforte, durch die sie alle gegangen sein müssen, die Ufa-Stars Marlene Dietrich und Marika Rökk oder auch Harry Piel. Doch die Geschichte von Schloss Golm reicht weiter zurück. Niuta von dem Bottlenberg hat das Schloss Golm zwischen 1912 und 1914 erbauen lassen. Sie wohnte hier, im äußersten Westen der Insel Potsdam, mit ihrem Lebensgefährten Frank Eckelmann, einem Flugpionier. Dieser betrieb in der Nähe des Schlosses die Märkische Flugzeugwerft. Swetlana und Cora von dem Bottlenberg besitzen noch Fotos mit alten Flugzeugen darauf, die sie an den Film „Die tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten“ erinnern. Nach dem Ersten Weltkrieg durfte Deutschland keine Flugzeuge mehr bauen, Eckelmann betrieb nun eine Waggonfabrik. Sie soll bis zu 3600 Beschäftigte und einen Gleisanschluss nach Werder gehabt haben. Heute erinnert so gut wie nichts mehr an die Zeit der Golmer Großindustrie, „nur ein paar Fundamente sind noch zu sehen“, erzählt Swetlana. Sie entschuldigt Cora. Die Enkelin von Niuta bäckt gerade noch. Die Gäste auf Schloss Golm bekommen selbst gebackenen Kuchen zum Kaffee. Um 1924 ist die Waggonfabrik abgebrannt, der Lebensgefährte Eckelmann wanderte aus, er bleibt als „der gute Onkel Frank, der in Amerika lebt“ in Erinnerung. Die Familie aber ist sich sicher, dass er und Niuta etwas miteinander hatten. Coras Oma baute dann Schloss Golm zum Kurhaus mit Restaurantbetrieb um, 1929 war Eröffnung. Viele Ufa-Stars suchten Erholung am Ufer des Großen Zernsees und nächtigten auf Schloss Golm. Cora, die mit halbem Ohr aus der Küche schon zugehört hatte, kommt herbei. Mit ihren Edellimousinen der Marke Horch seien sie sogar aus Berlin gekommen. „Zu Omas Zeiten war alles sehr schick und sehr sehr teuer“, plaudert sie und ergänzt: „Heute ist es wieder schick – aber nicht so teuer“. 1938 muss Niuta von dem Bottlenberg das Schloss verkaufen, „für ’nen Appel und ’n Ei“, so Cora. Sie war nicht in der Partei, hatte Konkurrenten und war anderen ein Dorn im Auge, deutet sie an. Später wohnte die alte Dame in Berlin-Charlottenburg, 1975 ist sie gestorben. Die von dem Bottlenberg sind ein uraltes Rittergeschlecht, der Familiensitz ist Schloss Baldenay in Essen, unweit der Villa Hügel. „Über 25000 Ecken“ ist sie sogar mit der englischen Königin verwandt. Cora ist jedoch keine Traditionalistin, ihre Leidenschaft ist die Musik. Zusammen mit Swetlana Minkow, ihrer heutigen verpartnerten Lebensgefährtin, gründet sie die Band „Cora“. 1986 haben sie einen Hit: „Amsterdam“. In Deutschland ist der Song „ein guter Erfolg“, in Frankreich jedoch in der englischen Fassung ein Superhit mit 200000 verkauften Platten. Eigentlich hatten sie das Lied für Juliane Werding gemacht, die wollte es jedoch nicht. Da hat der Produzent Frank Farian gesagt, „Mensch, singt ihn doch selber“. Noch heute sind sie Stars in Frankreich, was auch an der dortigen Mentalität liege. Zu F. R. David („Words“) heißt es in Frankreich, „der hatte von 20 Jahren einen Hit“, in Deutschland dagegen abwertend, „der hatte seit 20 Jahren keinen Hit mehr“, sagt Cora. Einmal ein Star, immer ein Star, zumindestens in Frankreich. Aber auch in Deutschland ist „Cora“ kein One-Hit-Wonder, 1990 erhalten sie aus der Hand des Saarländischen Ministerpräsidenten die „Goldene Europa“. Ihr Spitzensong zu der Zeit war „In the Name of Love“. Cora lächelt, diesen Titel gibt es von U2, den Surpremes „und von uns“. Nach der Wende sind die beiden Pop-Musikerinnen mit dem Fahrrad nach Golm gefahren, nachsehen, was aus Niutas Traum am See geworden ist. Zu DDR-Zeiten war das Schloss Golm erst ein Kinder-, dann ein Reichsbahnerholungsheim. Als sie wieder zurück waren in Charlottenburg, in Niutas ehemaliger Wohnung, machte Coras Vater die beiden Frauen auf einen Koffer aufmerksam, der die Jahrzehnte im Keller überstand. Darin befanden sich die alten Fotos, deren Abzüge heute die Wände auf Schloss Golm zieren, darunter das Bild der Männer mit ihren fliegenden Kisten und eine Aufnahme, die Marlene Dietrich mit einer Freundin zeigt. Niuta von dem Bottlenberg hatte damals an eine Bekannte verkauft, in München haben Cora und Swetlana sie wiedergefunden, „eine sehr spirituelle Frau“. Cora und sie verstehen sich sofort. Es reift die Idee, auf Niutas Spuren zu wandeln, das Schloss Golm als Restaurant und Hotel wieder zu eröffnen. „Doch nur, wenn ihr alles so macht wie Oma Niuta“, so lautet die Bedingung der Alteigentümerin vor dem Verkauf des Hauses. Sie lässt sich Unterschriften des Duos nach München senden und will auch die Geburtsminuten der beiden Musikerinnen wissen. Daraus bildete sie schon 1993 die Voraussage, dass es die beiden Existenzgründerinnen schwer haben, sie aber letztendlich erfolgreich sein werden mit dem Geschäft à la Oma Niuta. 1995 eröffneten sie das Gut Schloss Golm als Ort für romantische Stunden. Alfred Biolek schätzt die Küche, Wolfgang Thierse die ungestörte Ruhe, Filmproduktionsfirmen die Kulisse. Erst kürzlich wurde hier für den Film „Elementarteilchen“ gedreht – mit Uwe Ochsenknecht, Franka Potente und Moritz Bleibtreu. Cora hatte dem Schloss eigenhändig einen neuen Anstrich verpasst, zwei Jahre stand sie selbst in der Küche. Vor zwei Jahren erfuhr das Pop-Pärchen, dass eine alte „Amsterdam“-Scheibe bei ebay für 169 Euro gehandelt wurde – ein deutliches Zeichen: „Cora“ ist wieder im Kommen. Sie legten einen „Amsterdam“-Remix auf, ein neuer Song, „Liebe pur“, brachte es auf Anhieb in die Charts. Dort landete auch ihre aktuelle Scheibe „So lang es geht“, momentan ist sie auf Platz 89, hinter Avril Lavigne (82), aber noch vor Oasis (96).

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