zum Hauptinhalt
Noch auf der Suche. Oleksandr Ananich, 21 Jahre alt, aus Kiew (l.), erhofft sich vom M100 Young European Journalists Workshop Inspiration und hilfreiche Kontakte für seine berufliche Laufbahn. Mit 16 Jahren schrieb er bereits einen Artikel über den Alkoholismus in seiner Heimatstadt.

© Manfred Thomas

M100-Workshop für junge Journalisten in Potsdam: Fragen stellen ohne Druck

In Babelsberg hat am Freitag ein M100-Workshop für junge Journalisten aus Europa begonnen. Initiierte wurde der Workshop auch von der Stadt Potsdam.

Von Helena Davenport

Potsdam - Schritt Nummer eins: Fragen stellen. „Je mehr Fragen du dir stellst, desto mehr Erfolg hast du.“ Insgesamt sind es zwölf Schritte, die laut Galina Timchenko getan werden müssen, damit ein journalistisches Projekt erfolgreich sein kann. Die russische Journalistin und Gründerin des Onlinemediums Meduza führte am gestrigen Freitag durch den ersten Tag des M100 Young European Journalists Workshops (M100YEJ), der im Rahmen des M100 Sanssouci Colloquiums stattfindet. 15 junge Journalisten aus Armenien, Aserbaidschan, Belarus, Georgien, Moldau, der Ukraine und aus Russland hörten ihr gebannt zu.

Wie finanziere ich unabhängigen Journalismus? Darum geht es bei der achttägigen Veranstaltung im Medieninnovationszentrum Babelsberg. Ziel ist es, den Journalismus in den Ländern der Östlichen Partnerschaft der EU zu stärken. Die eigene journalistische Motivation, das eigene Vorhaben zu hinterfragen, war die erste Aufgabe.

Insgesamt hat es 60 Bewerbungen gegeben

„Lange Antworten sind deine Mission, kurze Antworten sind dein Mantra“, geht Galina Timchenko weiter im Programm. Und nun sind die Teilnehmer an der Reihe. Was denn ihre Mission sei, möchte Timchenko wissen. In der letzten Reihe gibt es eine Meldung: „Ich möchte Nachrichten aus der Ukraine verbreiten und so der Propaganda durch Russland entgegenwirken“, antwortet Oleksandr Ananich, 21 Jahre alt, aus Kiew.

Der Workshop findet schon zum 13. Mal statt. Initiiert wurde das Programm von der Stadt Potsdam und dem Verein Potsdam Media International. Bewerben konnte sich in diesem Jahr jeder aus den entsprechenden Ländern im Alter zwischen 18 und 27 Jahren. Insgesamt waren es 60 Bewerbungen, die Projektleiterin Sabine Sasse, auch selbst Journalistin, erhielt. Zusammen mit ihrer Assistentin, Sophia Wellek, suchte sie die 15 aussagekräftigsten Bewerbungen heraus. „Wir haben auch darauf geachtet, eine vielseitig interessierte Gruppe zusammenzustellen – es gibt hier einerseits Leute, die sich besonders für Technik interessieren, und andererseits Teilnehmer, die Künstler sind“, berichtet Sasse. Kooperationspartner sind unter anderem die European Youth Press und das Auswärtigen Amt. Ein weiterer Partner ist die Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche e.V. An die vier Tage Workshop schließt sich eine zweitägige Hospitanz in verschiedenen Redaktionen in Berlin an. Die Teilnehmer konnten im Vorfeld zwischen der Deutsche Welle, WeltN24, Alex Berlin, dem rbb und der Huffington Post Deutschland wählen.

Oleksandr Ananich schrieb mit 16 Jahren über Alkoholismus

Oleksandr Ananich, der junge Journalist aus der letzten Reihe, studierte erst Philosophie, dann Journalismus. Beide Studiengänge brach er ab. Journalismus in der Ukraine zu studieren, sei eher eine Art Inspiration gewesen, scherzte er während der Vorstellrunde beim Kennenlern-Dinner am Donnerstagabend. Mit 16 Jahren schrieb er über den Alkoholismus in seiner Heimatstadt. Die Chefredakteurin der dortigen Lokalpresse habe zuerst kaum glauben können, dass jemand in seinem Alter sich für solch ein Thema begeistern kann. Während der Maidan-Revolution war Ananich als Fotojournalist unterwegs – bei 28 Grad minus sei das Berichten nicht gerade einfach gewesen. Alles habe in Flammen gestanden und gleichzeitig habe die Polizei Wasserwerfer eingesetzt. „Ich war hauptsächlich damit beschäftigt, die Kamera vor dem Wasser zu beschützen. Dann war ich plötzlich pitschnass und meine Wimpern gefroren – wie bei den Titanic-Darstellern“, erzählt er lachend. Ananich hat sich beworben, weil er hofft, dass ihm der Workshop einige Türen öffnen kann. „Ich suche noch nach dieser einen Sache, der ich mich dann zu 100 Prozent widme“, sagt er.

Es gehe im Workshop nicht nur darum, von erfahrenen Journalisten zu lernen, oder von Möglichkeiten der Finanzierung zu erfahren, erzählt Sabine Sasse, sondern auch darum, Kontakte zu knüpfen: „Deswegen haben wir auch Volontäre aus der Nähe eingeladen. Wir möchten den jungen Talenten die Chance geben, sich untereinander und mit Leuten und Unternehmen aus dieser Region zu vernetzen“, erzählt Sabine Sasse. Durch das Alumni-Netzwerk seien auch die Teilnehmer der vergangenen Workshops noch immer in Kontakt. In der Facebookgruppe werden Jobangebote ausgetauscht sowie Ideen für künftige Projekte.

Am Ende des Workshops steht die Teilnahme am M100-Gipfel

Zwei Teilnehmer sind zum zweiten Mal dabei. Eine der beiden ist Elena Ostanina, 27 Jahre, ebenfalls aus der Ukraine (PNN stellten sie 2016 vor). Sie entschied sich Anfang der Jahres, nach Berlin zu ziehen und durch die Kontakte, die sie während des Workshops im vergangenen Jahr knüpfte, hatte sie einen leichteren Start. Sie organisiert als Assistentin den Workshop mit und arbeitet als Journalistin unter anderem für den russischsprachigen Fernsehkanal RTVD. „Die Russisch sprechende Minderheit in Deutschland ist die größte Minderheit in Deutschland – das wird oft übersehen“, erzählt Ostanina. Sie möchte sich für mehr Integration einsetzen. Außerdem nähert sie sich gerade dem Gebiet Projektmanagement: Sie arbeitet an zwei Projekten, mit denen sie die journalistische Bildung in Osteuropa stärken will.

Am Ende des Workshops steht die Teilnahme am Mediengipfel M100, der sich in diesem Jahr dem Thema „Demokratie oder Despotie? Die Renaissance der dunklen Mächte“ widmet. Die jungen Journalisten werden am 14. September im Orangerieschloss dabei sein, wenn rund 70 Medienmacher, Historiker und Politiker sich treffen. „Ich wünsche mir, dass einer der Jungen sich traut und fragt, warum die Berichterstattung aus ihren Heimatländern oft so einseitig ist“, sagt Sabine Sasse.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false