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Dürfen Kitaträger Eltern vorschreiben, ihre Kinder impfen zu lassen? Über diese Frage ist in Potsdam ein Streit entbrannt.

© Julian Stratenschulte/dpa

LSB: Kita-Verbot für ungeimpfte Kinder: Streit um Kita-Zwangsimpfung

Der Landessportbund droht Eltern, ungeimpften Kindern den Kitaplatz zu verweigern. Aber darf ein Kita-Träger Eltern zur Impfung ihrer Kinder verpflichten? Das Vorgehen sorgt für Ärger.

Potsdam - Kann ein Kitaträger von Eltern verlangen, dass ihre Kinder gegen alle gefährlichen und ansteckenden Krankheiten geimpft sind – und den Eltern andernfalls sogar den Kitaplatz verweigern? Diese kontroverse Frage beschäftigt das Jugendamt und das Bildungsministerium. Anlass sind Beschwerden von Eltern, deren Kinder in Einrichtungen des Landessportbunds (LSB) betreut werden – der über seine Tochter Sportservice Brandenburg fünf Kitas und einen Hort in Potsdam betreibt.

So habe der LSB aktuell mit diversen Aushängen in den Kitas die Eltern aufmerksam gemacht, dass nur Kinder mit lückenlosem Impfstatus die Kitas besuchen dürfen, also gegen Krankheiten wie Keuchhusten, Mumps oder Masern geimpft sein müssen. Die Eltern hätten diese Aufnahmebedingungen mit ihrer Unterschrift unter den Kita-Vertrag akzeptiert, so die Argumentation des Trägers. So steht bereits in den Anmeldeformularen des LSB: „Ein ausreichender Impfschutz des Kindes ist Voraussetzung für den Besuch der Einrichtung und wird Vertragsbestandteil.“ Ansonsten sei der Kitaplatz in Gefahr, wurde auf Nachfrage deutlich gemacht.

Standpunkte aus Bildungsministerium und Jugendamt Potsdam sind ambivalent

Aus Sicht einiger Eltern entbehrt aber dieses Vorgehen jeder Rechtsgrundlage und versetze die Familien in eine Zwangslage – da in Potsdam mit dem bestehenden Mangel an Kitaplätzen ein Wechseln eine andere Einrichtung de facto unmöglich sei. „Und wie kann ein Träger, der damit wirbt, dass für ihn die Wünsche und Bedürfnisse der Kinder im Vordergrund stehen, sich anmaßen, eben diesen Kindern einfach zu kündigen?“, ärgerte sich eine Mutter. Die Entscheidung, das eigene Kind impfen zu lassen, sollte komplett bei den Eltern liegen, da sie die alleinige Verantwortung trügen. Die Entscheidung des Trägers gleiche aber faktisch einer Impfpflicht – durch die Hintertür. Dies verletze aber das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit.

Um in dem Streit die Faktenlage zu klären, haben sich die PNN nun an das Bildungsministerium und das Jugendamt gewandt. Die Antworten sind ambivalent. So werde in der Literatur vertreten, dass zumindest die freien Träger aufgrund ihrer Trägerautonomie die Aufnahme von nicht geimpften Kindern verweigern können, wie ein Sprecher des Bildungsministeriums antwortete. Dann aber bleibe die Verantwortung für die Bereitstellung eines bedarfsgerechten Angebotes beim örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe – also bei der Stadt Potsdam.

Stadt Potsdam könnte Träger mit Sanktionen belegen - doch es gibt noch eine andere Option

Die Landeshauptstadt könnte nun zweierlei tun, so der Sprecher: Entweder den Kitaträger mit Sanktionen belegen, da er nicht grundsätzlich allen Kindern offensteht. Oder die Stadt müsste ein alternatives Angebot zur Verfügung stellen. Sprich: eine andere Kita, wo eine Teilnahme eben nicht von einem bestimmten Impfstatus abhängig gemacht wird. Wäre keine alternative Kita verfügbar, so müsste sich die Stadt wohl einer Klage stellen, merkte der Sprecher abschließend an. So hatten in Potsdam bereits einige Eltern, die partout keinen Platz für die Kinderbetreuung finden konnten, Dienstausfall geltend gemacht.

Der LSB-Träger will indessen an seiner Verfahrensweise festhalten. „Wir leben ein bewegungs- und gesundheitsorientiertes Konzept. Die Nachfrage ist entsprechend groß“, sagte Geschäftsführer Andy Papke den PNN. Allerdings sei in Potsdam „unsererseits noch kein Vertragsverhältnis allein wegen fehlender Impfungen wirksam beendet worden“, so Papke weiter.

Die Stadtverwaltung wiederum teilte mit, Kitas könnten grundsätzlich von ihrem Hausrecht Gebrauch machen und interne Regelungen treffen. Bisher sei nur der LSB als Träger bekannt, der eine derart verpflichtende Impfvereinbarung in die Betreuungsverträge aufgenommen habe. Andere Kitas würden nur eine Beratung zu Impflücken fordern – daher seien auch Alternativen vorhanden, so ein Sprecher der Stadt. Die aktuelle Forderung des LSB nach der Schließung der Impflücken müsste gegebenenfalls juristisch geprüft werden. „Das obliegt aber nicht unserer Aufsicht“, betonte der Stadtsprecher. Insgesamt sei aber zu begrüßen, dass das Thema Impfen in den Fokus gerate – auch bei Erziehern habe man zuletzt Impflücken festgestellt.

Für alle Kinder und Eltern "wünschenswert", Infektionskrankheiten durch Impfschutz zu vermeiden

Immer wieder ist auch in Potsdam über zu niedrige Impfraten diskutiert worden, gerade in Vierteln wie der Brandenburger Vorstadt. Im Februar hatte zudem der Fall einer Kita in Bornstedt Aufsehen erregt, nachdem dort ein Sechstel aller Kinder an Windpocken erkrankt war. In der Einrichtung des Evangelischen Jugend- und Fürsorgewerks (EJF) hatte keine Impfpflicht bestanden. Ein EJF-Sprecher hatte damals gesagt, man suche mit Impfgegnern das Gespräch – um sie „zu überzeugen, dass es im Sinne aller Kinder und Eltern wünschenswert ist, Infektionskrankheiten, die sich in einer Gemeinschaftseinrichtung leicht verbreiten können, durch umfassenden Impfschutz zu vermeiden“.

Auch deutschlandweit wird aktuell diskutiert. Erst vergangene Woche hatte der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte Deutschlands (BVKJ), Thomas Fischbach, für alle Kindergartenkinder eine Impfpflicht gefordert. Zuletzt war auch im vergangenen Dezember im benachbarten Land Berlin ein Maßnahmeplan vorgelegt worden, um bei Kindern die Impfquoten auf 95 Prozent zu erhöhen. Demnach sollen Gesundheitsämter bei den Einschulungsuntersuchungen künftig neben einer Impfberatung auch gleich Impfungen anbieten.

Auch der Bundestag hatte im vergangenen Jahr die Gesetzeslage für Impfmuffel verschärft. Demnach müssen Kitas jene Eltern, die keine Impfberatung für ihre Kinder nachweisen können, künftig zwingend an das Gesundheitsamt melden. Bereits 2015 war eine verpflichtende Impfberatung vor der Aufnahme eines Kindes in eine Kita eingeführt worden. Wer sich verweigert, dem kann das Gesundheitsamt ein Bußgeld von 2500 Euro auferlegen.

Eine Impfpflicht gegen ansteckende Kinderkrankheiten wie Keuchhusten, Mumps oder Masern hatte der damalige Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) aber ausgeschlossen. In Westdeutschland gab es bis in die 1970er-Jahre nur eine Impfpflicht gegen Pocken, um diese Krankheit auszurotten. In der DDR waren mehr Impfungen Pflicht. Noch heute sind die Impfquoten in Ostdeutschland daher deutlich höher.

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