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Ziemlich beste Freunde. Der Flüchtling Jonas Alpha Souleymane Bah (r.) und der Potsdamer Jonas Ingenlath wurden vom Landesjugendring zusammengebracht.

© S. Gabsch

Landeshauptstadt: Lokalgeschichte und Club Mate

Das Projekt „Duo Story“ soll Flüchtlinge und Einheimische zu Freunden machen. Was Popcorn und Club Mate damit zu tun haben.

Potsdam - Erst mal einen Club Mate holen. Zielstrebig steuern Souleymane und Jonas durch die Supermarktregale zu den Flaschen mit dem gelben Getränk. „Als wir uns kennen gelernt haben, hat er noch was anderes getrunken, aber seit er bei mir probiert hat, nehmen wir beide immer das gleiche“, sagt Jonas, lacht leise und wirft seinem Kumpel einen verschwörerischen Blick zu.

Die beiden 17-Jährigen, Alpha Souleymane Bah, Flüchtling aus Sierra Leone und Jonas Ingenlath, Schüler aus Potsdam, sind über das Projekt „Duo Story“ des Landesjugendrings Brandenburg zusammengekommen. Alle zwei bis drei Wochen treffen sich die beiden, gehen auf den Rummel oder ins Museum. Der Jugendring hat die Patenschaften gebildet und 16 Jugendliche im Juli zusammengebracht. Jedes Paar kann monatlich ein Taschengeld von rund 30 Euro für Unternehmungen abrufen. Davon kann es Eintrittsgelder bezahlen, Fahrkarten, aber auch mal Popcorn.

"Keinen Unsinn im Kopf"

„Ich bin sehr froh, dass ich Jonas getroffen habe“, sagt Souleymane an diesem Mittwoch bei einem ihrer Treffen. Seiner Meinung nach passen sie gut zusammen. „Wir sind gute Jungen“, so drückt er es in recht flüssigem Deutsch aus, „wir rauchen nicht und haben keinen Unsinn im Kopf“. Freunde und enge Beziehungen, ohne die kann sich Souleymane nirgends zu Hause fühlen. Deshalb ist ihm der Kontakt auch so wichtig. „Mit Jonas kann ich besser Deutsch lernen, er hat mir ganz viel erklärt“, sagt der geflüchtete junge Mann.

Jonas hat über die Pfadfindergruppe von dem Projekt erfahren und sich gleich gemeldet. „Ich wollte meinen Teil leisten und fand es spannend, die Geschichte von einem Flüchtling zu hören“, erklärt der 17-Jährige. Überhaupt, Geschichte: Das ist die große Leidenschaft des Schülers, der die 11. Klasse an der Marienschule in Babelsberg besucht. Auch Souleymane interessiert sich für die Historie. „Ich habe ihm das Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte gezeigt und ihm auch viel über den Zweiten Weltkrieg erklärt“, berichtet Jonas. „Ich fand es sehr interessant, mehr über die Region zu lernen“, kommentiert Souleymane.

Persönliche Bindungen schaffen

Genau dieses Anknüpfen an gemeinsamen Interessen war für den Landesjugendring zentraler Bestandteil des Projekts. „Gleichaltrige sind bei altersspezifischen Themen und Problemen die wichtigsten Gesprächs- und Bezugspartner“, erklärte Maria Klamet aus dem Vorstand zum Start des Projekts. Integration durch Teilhabe – diesen Ansatz verfolgen zahlreiche Tandemprojekte, die von unterschiedlichen Trägern organisiert werden. Die Idee ist, über persönliche Bindungen, über direkten Austausch zwischen Flüchtlingen und lokaler Bevölkerung ein wirkliches Ankommen in der Gesellschaft zu ermöglichen – und zugleich für die Alteingesessenen den Mehrwert der Zuwanderung erfahrbar zu machen.

„Duo Story“ wird durch das brandenburgische Jugendministerium finanziert. Mittlerweile treffen sich allerdings von den ursprünglich acht Paaren nur noch drei regelmäßig, sagt Sara-Marie Ruthenberg vom Landesjugendring, die das Projekt leitet. „Scheitern kann bei Modellprojekten dazugehören“, sagt sie, aber ein wenig enttäuscht sei sie schon. „Bei den Tandems, die sich noch treffen, sind tolle Freundschaften entstanden, genau das war das Ziel“, sagt Ruthenberg. Allerdings habe man vielleicht zu viel Eigenverantwortung an die Jugendlichen abgegeben.

Bald soll es mehr Begleitung geben

Auch seien viele der Teilnehmer aus der Clearingstelle, die Unterkunft für Flüchtlinge, mit der sie kooperieren, inzwischen umgezogen. Trotzdem denkt Ruthenberg über eine Neuauflage für 2018 nach, allerdings mit einem etwas anderen Format. „Wir werden wohl doch mehr begleiten, oder regelmäßigere Treffen in der Gruppe organisieren, vielleicht auch in Kooperation mit den Pfadfindern oder anderen Organisationen.“

Souleymane kam vor etwa einem halben Jahr in Potsdam an. Hinter ihm lagen lange Monate auf der Flucht. Er spricht nicht gern darüber. Auf Fragen dazu antwortet der ohnehin schüchterne Sierra Leoner nur noch wortkarg, der Blick schweift nervös nach links und rechts. Ganz alleine brach er auf aus Freetown, der Hauptstadt des westafrikanischen Landes, 2015 war das. Fast seine ganze Familie war ums Leben gekommen. Mit dem Boot kam er übers Mittelmeer nach Europa. In Deutschland war er erst einige Zeit in Lörrach und kam dann nach Potsdam. Hier fühlt er sich wohl. „Es ist eine schöne Stadt, nicht zu groß, nicht zu klein.“ Und, ganz wichtig für ihn: „Ich habe hier noch nie Rassismus erlebt.“

Mehrere Monate war er in der Clearingstelle in der Potsdamer Innenstadt. Seit wenigen Wochen lebt er nun in einer Wohngruppe in Kleinmachnow, zusammen mit anderen Flüchtlingen und zwei jungen Deutschen.

Highlight Olympiastadion

Ein Highlight in den vier Monaten als Tandem war der Besuch im Olympia-Stadion. Hertha gegen Bayern. Da kommt auch Souleymane, der selbst zwei Mal pro Woche in Potsdam Fußball spielt, ins Erzählen: wie die Bayern ihre Führung trotz zwei Toren Vorsprung doch noch verspielte. Jonas lacht, legt dem Freund wie immer wieder den Arm um die Schultern. „Es ist schön, zu sehen, wie er sich in den Monaten entwickelt hat und auch immer besser Deutsch spricht.“

An diesem Mittwoch wollen die beiden ins Kino, aber zuerst einmal drehen sie eine Runde über den Weihnachtsmarkt – eine Premiere für Souleymane – und unterhalten sich über dies und das. Wo er sich in fünf Jahren sieht? Souleymane schaut ratlos. Nein, so weit im Voraus plane er nicht. Schritt für Schritt. Als erstes besser Deutsch lernen, und dann möglichst bald eine Schule besuchen. „Mein Vormund hat gesagt, dass ich sehr bald hier in eine Realschule gehen kann“, sagt er, lächelt, und nimmt noch einen Schluck Club Mate.

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