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Ingrid Rux, Monika Sass und Michael Rux (v.l.) genossen am Sonntag eine Kutschfahrt.

© Carsten Holm

Lockeres Pfingstwochenende: "Potsdam lächelt wieder"

Lange Schlangen vor den Testzentren, volle Tische vor Restaurants und Cafés - mit den Lockerungen zog neues Leben in die Stadt ein. Aber es herrscht nicht nur Fröhlichkeit.

Von Carsten Holm

Potsdam - Das Wetter war am Samstag und Sonntag durchwachsen, aber der Stimmungswandel in den Gesichtern der Passanten trotz der Maskenpflicht zu spüren: Sie freuten sich darüber, nach sieben Monaten coronabedingter Pause erstmals wieder im Freien sitzen zu können, die Sonne zu genießen, auch wenn sie am Pfingstsonntag vielleicht nur minutenweise schien – vor allem aber, um Kaffee und Kuchen an der frischen Luft bestellen und ihr Mittag- oder Abendessen in einem Restaurant einnehmen zu können. 

Es herrschte in der Stadt eine nicht ausgelassene, aber wohldosierte Form von Fröhlichkeit vor, seit am Freitag die rigiden Vorschriften der Bundesnotbremse ausgesetzt wurden. Eine kontinuierliche 7-Tage-Inzidenz von unter 100 hieß: Grünes Licht für die Außengastronomie und den Einkauf in den Einzelhandelsgeschäften der Stadt mit Maske, aber ohne Anmeldung und Corona-Test.

Dank der gesunkenen Corona-Zahlen darf die Außengastronomie in Potsdam wieder öffnen.
Dank der gesunkenen Corona-Zahlen darf die Außengastronomie in Potsdam wieder öffnen.

© Andreas Klaer

Neues Leben im Herzen der Stadt 

Neues Leben zog in die Brandenburger Straße ein, das Einkaufsmekka im Herzen der Stadt mit vielen Mode-, Schuh- und Kosmetikgeschäften. Vor der Bäckerei „Fahland” standen Stühle vor dem Geschäft, etliche Restaurants wie das vietnamesische „My Keng” lockten Gäste mit riesigen Sonnenschirmen, die auch vor Regentropfen schützten. 

Nach Monaten der erzwungenen Abstinenz versammelten sich wieder Gäste auf der großen Terrasse des „Café Heider” am Nauener Tor, im „Alex” in der Wilhelm-Galerie oder genossen einen Eisbecher nebenan im „Dolce Vita”.

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Kristina Hasenstein, Inhaberin von „Mode und Design Potsdam” in der Brandenburger Straße, freute sich für ihre Kundinnen, „die endlich ein Stück Normalität zurückbekommen und nicht mehr mit Terminbuchung und Test, sondern ganz spontan hineinkommen können, um etwas zu entdecken”. 

Auch Auswärtige, etwa aus Frankfurt (Oder), hätten den Weg zu ihr gefunden. Die Atmosphäre im Zentrum sei eine andere als in den vergangenen Monaten. Man könne sich zum Kaffee hinsetzen und entspannt Leute beobachten, gute Laune habe sich ausgebreitet: „Potsdam lächelt wieder.” 

Auch Touristen tummelten sich schon in Potsdam

Ob im Holländischen Viertel, am Hafen an der Pier der Weissen Flotte oder in den Schlössern und Gärten von Sanssouci: Viele Einheimische waren unterwegs, aber allmählich finden auch Touristen den Weg nach Potsdam. Das Museum Barberini war über Pfingsten ausgebucht, alle Viertelstunde erhielten 20 Besucher nach einer Fiebermessung Einlass. 

Die Weisse Flotte stach seit Samstag um 11 Uhr in Richtung Wannsee und über Caputh nach Werder (Havel) in See – ohne Gastronomie, aber mit der Erlaubnis immerhin, dass die Ausflügler sich vor Regenschauern unter Deck schützen können. 

Manche Potsdam-Besucher kamen von weit her. Isabella Peri, Landschaftsarchitektin aus Heidelberg etwa, ließ sich am Wochenende Preußens Glanz und Gloria von ihrer Potsdamer Freundin, der Stadtplanerin Marie Lück, zeigen: Sanssouci, den Babelsberger Park und das Holländische Viertel. „Eine schöne, beeindruckende Stadt”, sagte Peri.

Hotels haben noch geschlossen 

Sie hatte Glück, bei ihrer Freundin eine Bleibe zu finden. Denn weil die Hotels noch nicht öffnen dürfen, kamen sonst fast ausschließlich Tagesausflügler wie Jenny Hofmann und Michael Strohbach aus der Nähe von Burg bei Magdeburg. Sie spazierten durch die Gärten am Schloss Sanssouci, sahen den Rikscha-Fahrer Jan Kuppert und stiegen ein. Eine Stunde ging es entlang einiger Highlights der Stadt bis zur Historischen Mühle. „Es war wunderbar. Er hat alles gezeigt und erklärt”, sagte Strohbach, „die 30 Euro für uns zwei haben wir gern bezahlt.”

Ingrid Rux, ihre Mutter Monika Sass und ihr Ehemann Michael Rux kamen aus Schildow bei Oranienburg nach Potsdam und stiegen in eine Pferdekutsche von Bernd Sengebusch, der im Hauptberuf in Golm Enten, Gänse, Hähnchen und Kaninchen züchtet. Sie konnten nicht, wie für die Kremserfahrt erforderlich, einen aktuellen Corona-Test vorweisen, und sie staunten nicht schlecht, als Sengebusch kurzerhand eine Klappe unter dem Hänger öffnete und ihnen zum Preis von fünf Euro pro Person einen Selbsttest anbot.

Lange Schlangen vor den Testzentren 

Viele wollten das erste Mal seit langer Zeit ein Restaurant aufsuchen, entsprechend lang waren mancherorts die Schlangen vor den Testzentren. Ein paar Dutzend harrten etwa am Bassinplatz und am Brandenburger Tor für den in der Gastronomie erforderlichen Schnelltest aus. 

Wer in Babelsberg speisen, sich aber gleich in der Nähe testen lassen wollte, profitierte im Café Kellermann vom Prinzip des kurzen Wegs: Vorn, im eigentlich noch geschlossenen Café, residiert ein Testzentrum, ein paar Meter weiter im Sommergarten des Hinterhofs, lassen sich Rösti mit Lachs oder Burger verzehren. 

Auch viele Restaurants wie das „Otto Hiemke” in Babelsberg bieten die Utensilien für einen Selbsttest zum Selbstkostenpreis von fünf Euro an. „Aber der gilt im Gegensatz zu den Tests in den Zentren nur in unserem Haus”, weiß Inhaber Daniel Zander.

Der Babelsberger Torsten Prasse war mit seinem Sohn Felix am Samstag einer der wenigen Gäste auf der Terrasse des „Hiemke”, und Prasse freute sich „über das erste Radler im Freien nach langer Zeit”. Daniel Zander ist erleichtert, wenigstens draußen servieren zu können. Am Freitag waren alle 48 Außenplätze besetzt, als die meisten das Traditionsgericht des Traditionslokals bestellten: Boulette mit Schmorgurken.

Erst der Test, dann ein Bier 

Das Wetter spielte nicht recht mit. „Unsere Gäste verweilen nicht lange”, erzählte Zander den PNN: „Schnell essen, zwei Getränke, Danke sagen und wieder los”. Aber er habe auch Gäste begrüßt, „die sich bei uns testen ließen, nur um endlich mal wieder zwei Bier auf der Terrasse zu trinken”. Hoffnungsvoll blickt er auf Pfingstmontag: gutes Wetter mit Temperaturen bis 22 Grad ist angesagt, alle 48 Plätze sind gebucht.

Auch im Babelsberger Kiez hatten die ersten Bars und Kneipen Stühle nach draußen gestellt. Das „Happy Hour” in der Rudolf-Breitscheid-Straße empfing ebenso Gäste wie die Kneipe „Zum Löwen”. Ausgebucht waren am Freitagabend die Tische der Thalia-Kinobar „Konsum” – die Plätze hatten sich, wie es hieß, „fast ausschließlich Stammgäste” gesichert. 

Und dank der brandenburgischen Regelung, im Gegensatz zu Berlin keine Ausschankverbote von Alkohol nach 23 Uhr zu erlassen, wurde in Babelsberg auch der Samstag begrüßt. 

Die Geduld der Wirte wird auch für die nächste Zeit arg auf die Probe gestellt. Mario Kade, der Chef des über die Stadt hinaus bekannten Restaurants „Am Pfingstberg”, hat Luftreinigungsanlagen angeschafft, die nach seinen Angaben 95 Prozent der Keime und alle Aerosole herausfiltern. „Man sitzt bei uns drinnen sicherer als in den meisten Wohnzimmern”, sagt Kade. Allein: Innen ist der Betrieb nach wie vor nicht erlaubt.

Zahlreiche Stornierungen

Kade hat, um seinen Gästen den Besuch der großen Aussichtsterrasse komfortabel zu gestalten, vier Pavillons installieren lassen. Dennoch hätten die Restaurantbesucher wegen des Wetters „im Zug und im Regen gesessen”, 30 Prozent der Reservierungen seien storniert worden. Außerdem störe ihn, „dass ich wie ein Grenzbeamter am Eingang die Tests kontrollieren muss”. Das mache „keinen Spaß” und sei „nicht ansatzweise kostendeckend”. Sein Fazit der teilweisen Öffnung der Gastronomie: „Es muss jetzt draußen und drinnen richtig losgehen, sonst wird die Luft knapp.” 

Stornierungen gab es zuhauf auch auf dem „Königlichen Campingplatz Sanssouci” am Templiner See. Die Plätze, sagte Chef Dieter Lübberding den PNN am Sonntag, seien „voll ausgebucht” gewesen, am Samstag aber sei ein Viertel der Gäste nicht angereist. Manche hätten sich daran gestört, dass die Sanitäranlagen auf den brandenburgischen Campingplätzen geschlossen bleiben müssten, „anders als in Bayern, wo die Inzidenzwerte zum Teil höher sind als bei uns”. Geradezu kurios: Die Außengastronomie ist wie überall in Brandenburg erlaubt, die Besuchertoilette des Restaurants darf benutzt werden.

Manchen Gastwirten ist die Lage zu unsicher

Manchen Gastwirten ist die Lage zu unsicher, um ihre Restaurants jetzt zu öffnen. Viele Anfragen, wann sie ihre beliebte Tapas-und Weinbar „Mea Culpa” an der Dortustraße öffne, hatte etwa Inhaberin Maria Josefina Quero. Die Lage sei ihr wegen der Schwankungen des Wetters zu unsicher, sagte sie den PNN, „außerdem will ich abwarten, ob die Inzidenzzahlen weiterhin niedrig bleiben”. Sie und ihr Team seien „heiß darauf zu öffnen” und hätten sich schon etwas Neues für die Tapas-Karte überlegt: „Confierte Entenflügel von glücklichen Enten”. 

Genau gerechnet hat Jörn Rohde, Inhaber der Kneipe „Hafthorn” an der Friedrich-Ebert-Straße. Er hat am Montag vom Hotel-und Gaststättenverband und am Mittwoch vom Land erfahren, dass die Außengastronomie mit Testpflicht wieder geöffnet werden dürfe: „Sehr kurzfristig nach sieben Monaten Schließung, oder?“, fragt er. 

Er habe 6700 Euro allein für eine Gläserspülmaschine, die höchsten Hygienestandards entspricht, dazu 1800 Euro für sechs Pavillons im Hof ausgegeben. Er müsse nun aber „aufpassen”, dass sein Umsatz im Mai nicht über 20 Prozent des Umsatzes vom Mai 2019 klettere – sonst wird der staatliche Zuschuss zu den Investitionen reduziert, „und auch deswegen öffnen wir am Freitag, dem 28. Mai”. 

Den PNN-Lesern verrät Rohde ein bislang gut gehütetes Geheimnis. Er will im „Hafthorn” mit Unterstützung eines befreundeten Berliner Apothekers ein Testzentrum einrichten und seine Mitarbeiter dafür schulen lassen. „Zwei Vorteile bringt das unseren Gästen”, sagt Rohde: „Die Tests kosten nicht, wie in anderen Gaststätten, fünf Euro, sondern sind kostenlos. Und es gibt ein Zertifikat, das für 24 Stunden überall gilt.” (mit Kay Grimmer)

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