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Klassenarbeit. Die Klasse 9a der Fontane-Oberschule mit Schriftsteller Andreas Sauter vor der Villa Quandt.

© Jana Haase

Literaturprojekt: Brandenburgs erster "Schulhausroman" ist fertig

Jacob, Selma und die Killerclowns: Oberschüler aus Potsdam und Nauen haben Brandenburgs ersten "Schulhausroman" nach Schweizer Vorbild geschrieben. Das Projekt soll weitergehen.

Eigentlich ist die erste Liebe schon aufregend genug: Unsichere Blicke, tastende Wortwechsel, Herzklopfen, Tagträumereien, Selbstzweifel und natürlich die berühmten Schmetterlinge im Bauch, wenn klar wird, dass die Gefühle vom anderen erwidert werden. Beim 14-jährigen Jacob fangen die Probleme dann aber erst richtig an: Denn er steht bei einem skrupellosen Geisterkönig in der Schuld. Dank dem hat er fantastische Superkräfte, kann wie eine Computerspielfigur im „creative Supermodus“ eigene Welten erschaffen und sogar fliegen. Im Gegenzug musste Jacob nur ein Schweigegelübde ablegen. Als er frisch verliebt seiner Flamme Selma dann doch vom Deal mit dem König erzählt, zieht der brutale Seiten auf: Er bringt Jacobs Eltern und Selma in seine Gewalt und jagt eine Horde blutrünstiger Killerclowns auf sie...

Eine Liebesgeschichte mit Horror- und Fantasy-Elementen

Klingt nach einer wilden Story? Ist es auch. Wild, blutig und ein bisschen durchgedreht, aber auch zärtlich und anrührend. „Zwischen zwei Welten“ heißt das Buch, das Schüler der Klasse 9a der Theodor-Fontane-Oberschule seit April unter Anleitung des Schweizer Autors Andreas Sauter geschrieben haben. Am Mittwochabend stellten sie es in der Villa Quandt vor vollem Haus vor – dort, wo das Brandenburgische Literaturbüro und das Fontane-Archiv zuhause sind. Mit dabei war auch die Klasse 9a der Graf-von-Arco-Oberschule in Nauen. Die Nauener Schüler haben mit „The Silent Dorf“ unter Anleitung der in Potsdam geborenen Schriftstellerin Paula Fürstenberg eine eigene Gruselgeschichte zu Papier gebracht. Spielort: Die verlassene NS-Kaserne in Elstal unweit des olympischen Dorfes von 1936. Dort bekommt es eine Clique von vier Freunden, die auf Abenteuer und Youtube-Klicks für einen selbst gedrehten Film aus sind, mit der Angst zu tun.


Das Projekt war eine Brandenburg-Premiere: Die Potsdamerin Sabine Meier Zur und die Caputherin Grit Weirauch haben die ursprünglich in der Schweiz entstandene Idee des „Schulhausromans“ erstmals nach Ostdeutschland geholt. Vor allem bildungsfernere Schüler sollen durch das Projekt erreicht werden und Selbstvertrauen gewinnen, so der Ansatz. Acht Doppelstunden Zeit gab es dafür. Ein 78 Seiten starkes Büchlein ist herausgekommen.

Ein gemeinsames Erfolgserlebnis für die Schüler

Den Schülern hat das Projekt spürbar Spaß gemacht. „Es war mal was anders – besser“, sagte der 15-jährige Konstantin den PNN: „Wir konnten unserer Fantasie freien Lauf lassen.“ Fast jeder habe eine kleine Geschichte im Buch unterbringen können, erzählt sein Klassenkamerad Julian, 14 Jahre alt. „Das war aber auch anstrengend.“ Vom vielen Schreiben habe ihm manchmal die Hand weh getan.

Für Deutschlehrerin Dagmar Kraneis hat sich das Experiment gelohnt: „Die Schüler haben sich super eingelassen auf den Autor“, sagte sie den PNN. Durch die gemeinsame Arbeit bis hin zur Präsentation vor Publikum – die Schüler hatten eine Lesung mit szenischen Elementen vorbereitet – hätten sich die Jugendlichen verändert, seien sicherer geworden. Das sei auch gut für die weitere Arbeit mit der Klasse, glaubt die Lehrerin: „Das war ein gemeinsames Erfolgserlebnis.“

Spielplatz, Bahnhof, Dönerbude: "Ein anderer Blick auf die Stadt"

Schreibcoach Andreas Sauter war ebenfalls von der Entwicklung der Schüler überrascht: „Man erkennt manchen nicht wieder.“ Für den in der Schweiz geborenen und seit langem in Berlin lebenden Autor, Jahrgang 1974, war das Projekt auch persönlich ein Gewinn: „Man kann in die Lebenswelt der 14-Jährigen eintauchen“, sagte er den PNN. In den Doppelstunden bat er die Schüler zum Beispiel, die für sie wichtigsten Orte in Potsdam zu beschreiben – mit erstaunlichem Ergebnis: genannt wurden der Bahnhof Rehbrücke, die Dönerbude, ein Spielplatz oder das eigene Bett. „Da wächst ein ganz anderer Blick auf die Stadt“, sagt Sauter. Auch Schriftstellerin Paula Fürstenberg, Jahrgang 1987, machte die Arbeit mit den Nauener Schülern Freude – und weckte Erinnerungen an die eigene Schulzeit: „Ich glaube, ich habe heimlicher geraucht damals als ihr heute“, sagte sie bei der Lesung. Beide Autoren wären auch bei einer zweiten Auflage wieder dabei, hieß es.


Die ist bereits in Planung, wie die Projektleiterinnen Grit Weirauch und Sabine Meier Zur sagten. Noch in diesem Jahr soll der nächste „Schulhausroman“ entstehen. Dann wolle man an Oberstufenzentren (OSZ) gehen. Im Gespräch sei man unter anderem mit dem OSZ in Werder/Havel. Für die Fortsetzung sind die beiden noch auf der Suche nach Partnern und Geldgebern für eine zweite Klasse. Mit 7000 Euro pro Klasse kalkulieren sie – bezahlt werden davon unter anderem die Honorare für die Autoren, der Druck und die Organisation. Für die Schulen ist die Teilnahme kostenlos. Für den ersten „Schulhausroman“ gab es Geld vom Land, den Städten Potsdam und Nauen sowie weiteren Sponsoren, die über die Stadtwerke-Plattform „Potsdam Crowd“ gefunden wurden. Die Trägerschaft hatte das Kunsthaus Strodehne übernommen.

Die zweite Auflage ist bereits in Planung

Bei den Fontane-Schülern Julian und Konstantin hat der Literaturfunken jedenfalls nachhaltig gezündet. „Wir versuchen gerade, eine eigene Geschichte zu schreiben“, verriet Konstantin. Es wird sicher wieder wild.

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