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Links und rechts der Langen Brücke: Der gebrochene Pakt

Henri Kramer fordert angesichts der aktuellen Proteste der linken Szene ein differenziertes Vorgehen der Potsdamer Stadtpolitik

Der Pakt ist gebrochen. Über Jahre gab es in Potsdam die unausgesprochenen Vereinbarung zwischen linker Szene und Stadt, sich gegenseitig in Ruhe zu lassen. Damit ist Schluss. Nach der Räumung eines symbolisch zu Weihnachten besetzten Hauses in Potsdam-West gab es am Mittwochabend einen Protestzug durch die Innenstadt, bei dem zwei Polizisten verletzt wurden. Zugleich rüstet die linke Szene verbal gegen die Stadt auf. Wie weit wird die Eskalation noch gehen? Kann die Stadtspitze die Schraube zurückdrehen?

Bei dem Konflikt geht es nicht nur um Wohnungsknappheit und hohe Mieten. Die von der kommunalen Pro Potsdam nach zehn Jahren erstmals vorgenommenen Pachtzinserhöhungen für alternative Wohnprojekte sowie eine als unangemessen hoch empfundeneWasserrechnung für das besetzte „La Datscha“ am Babelsberger Park haben die Szene erzürnt, ebenso die ungewisse Zukunft der Wagenburg auf Hermannswerder.

Vor allem beim Thema Pachtzinsen sollte die Stadt vorerst nicht zurückweichen. Die Erhöhungen basieren auf geltenden Verträgen, in denen sich linke Aktivisten der Wohnprojekte auch verpflichtet haben, ihre Häuser zu sanieren. Ob das geschehen ist und wie, lässt sich bisher nicht transparent nachvollziehen. Wie es anders gehen kann, zeigen die Beispiele der Kulturzentren „Archiv“ und „Freiland“, bei denen es im Verhältnis zur Stadt ein Geben und Nehmen gibt. In einen solchen Prozess muss die Stadt mit denWohnprojekten kommen. Auf deren Pflichten pochen und ihnen, wo es geht, entgegenkommen, im Bewusstsein des Werts einer bunten Stadt: Schließlich ist die linke Szene ein Aktivposten gegen Neonazis und für alternative (Lebens-)Kultur. Allerdings ist all dies kein Freibrief, bei Protestzügen, wie geschehen, Polizisten anzugreifen – hier fehlen klare Distanzierungen, auch aus der linken Stadtpolitik.

Zugleich spitzt sich das Mietenproblem zu, dem sich politisch bis auf Einzelmaßnahmen kaum beikommen lässt – den Einfluss des Potsdamer Wachstums auf den Wohnungsmarkt kann kein Stadthaushalt aufhalten. Und ein Wohnungsbauprogramm des Landes für Potsdam ist unwahrscheinlich. Es liegt an der Politik, dies zu erklären und keine falschen Hoffnungen bei den Potsdamern zu wecken.

Daneben bleibt die Symbolpolitik – siehe der Staudenhof mit seinen billigen Wohnungen, der bis vor Kurzem auf der Abrissliste für die historische Mitte stand. Angesichts der Dynamik der Wohnraum-Debatte dürfte der Klotz wohl noch ein paar Jahre länger stehen als gedacht. Ein Plattenbau als sozialer Kitt für Potsdam.

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