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Linker Protest gegen die Einheitsfeierlichkeiten.

© Andreas Klaer

Linker Protest gegen Einheitsfeier in Potsdam: Dank für vier Lagen Toilettenpapier

Nicht überall wurde in Potsdam die Einheit gefeiert. Linke Gruppen protestierten mit mehreren Veranstaltungen gegen das "Wendetheater".

Von Carsten Holm

Potsdam - Mit einer Veranstaltung gegen das „nationalistische Wendetheater” hat das linke Bündnis „Re:Kapitulation” gegen die Feier zum 30-jährigen Jubiläum der Deutschen Einheit protestiert. Mehr als 100 Besucher kamen am Samstag zu Vorträgen und Musik in den Lustgarten. Sprecherin Mia Winter sah im Wiederaufbau der Garnisonkirche, dem Streit mit den Hohenzollern um Rückgabeansprüche, aber auch angesichts der AfD und anderer rechtsextremer Bestrebungen „faschistoide Elemente” in Deutschland. Deswegen könne das Bündnis „die belästigenden Feierlichkeiten zur Deutschen Einheit nicht unwidersprochen lassen”.

Kongress im Freiland

Prominente Alt-Linke wie die Grünen-Mitbegründer Jutta Ditfurth und Thomas Ebermann, beide 69 Jahre alt, waren Referenten bei einem dreitägigen Kongress, zu dem „Re: Kapitulation” in Zusammenarbeit mit der Zeitschrift „konkret” ins alternative Kulturzentrum Freiland in der Friedrich-Engels-Straße eingeladen hatte. Ebermann, ein Vertreter des ökosozialistischen Flügels, hatte die Partei 1990 verlassen, Ditfurth folgte ihm wegen der Wende der Grünen zu einem sogenannten realpolitischen Kurs ein Jahr später.
Bevor sie sich, in einem Livestream übertragen, den Tiefen einer jahrzehntelangen Debatte um die Zukunft der radikalen Linken widmeten, erzählten Ditfurth und Ebermann Anekdotenhaftes aus ihrem Leben. Ditfurth, einst eine von drei Bundesvorsitzenden der Grünen, kandidierte bei der Europawahl 2019 erfolglos für die Liste ÖkoLinx. In Potsdam gab sie ihre Empfindungen preis, als sie 1989 im Fernsehen die Bilder vom Mauerfall sah: „Ich dachte: Scheiße. Jetzt wird dieses Land noch nationalistischer und bald gibt's dann Krieg.”

Wie Ebermann Maoist wurde

Ebermann, damals 19 Jahre alt, erzählte von einer Reise nach Rostock im Jahr 1969 mit einer Delegation Deutscher Friedensfrauen. Er war Studentensprecher in Hamburg, ließ sich von seiner Freundin begleiten, erfuhr nach der Ankunft jedoch gleich eine Abfuhr. Es sei „in der DDR nicht üblich, ein Bett zu teilen, wenn man nicht verheiratet sei”, wurde er beschieden. De Gruppe sei „gezwungen worden, Schweine zu besichtigen, die eine Rippe mehr haben” und ein Schlagerfestival zu besuchen, das die Ostsee als Meer des Friedens pries. „Das war der Höhepunkt meiner antikommunistischen Orientierung”, feixte Ebermann, „deswegen wurde ich Maoist, und daran ist die DDR Schuld”. Er war eine Zeit lang Mitglied des maoistischen Kommunistischen Bundes.

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"Wendedankfest" am Platz der Einheit

Mit der ihm eigenen bissigen Ironie begrüßte das Potsdamer „Komitee für preußische Leichtigkeit” (KpL) auf dem Platz der Einheit am Samstag eine Fülle von Passanten zu einem „Wendedankfest”. Das Motto. Es sei „Zeit für Dankbarkeit”. Neben einem großen Plakat mit Bananen-Fotos, auf dem ein Emblem des Bundesadlers von einer Gurke durchtrennt wird, hatten Besucher Gelegenheit, ihren Dank für die Einheit auf Zetteln zu formulieren. „Danke für die Königssärge, Make Preußen Great Again”, war da zu lesen, „Danke für Döner, Kebab + Tom Kha Gai”, „Danke für die hohen Mieten!” und „Danke für RTL und 4 Lagen Toilettenpapier!“. Ein älterer Besucher fragte seine junge Begleiterin, wer oder was Tom Kha Gai sei, und sie verriet es ihm: eine thailändische Kokosmilchsuppe. Ein vielleicht 15-Jähriger verstand den Scherz mit den Bananen und Gurken nicht. Sein Vater erklärte ihm, dass beide zu DDR-Zeiten zu den knappen Gütern zählten.

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