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Manfred Bille

© privat

Letzter SED-Bürgermeister in Potsdam: "Das Ende der DDR nie verwunden"

Am 6. Mai vor 25 Jahren wurde der letzte Oberbürgermeister der SED in Potsdam, Manfred Bille, nach nur einem Jahr abgelöst. Ein Rückblick.

Potsdam - Die Mauer hat sein Leben geprägt. Ihr Bau zerriss die Familie, und nach ihrem Fall kam er nicht mehr zurecht: Manfred Bille war der letzte Bürgermeister der SED in Potsdam. Er galt als guter Rhetoriker, Zuhörer und Vermittler und sollte, so prognostizierten die Brandenburgischen Neuesten Nachrichten bei Amtsantritt, „die Geschicke der Stadt maßgeblich mitbestimmen“. Doch es kam anders.

Mit den ersten freien Kommunalwahlen nach der Wende wurde Manfred Bille am 6. Mai vor 25 Jahren nach nur einem Jahr im Amt durch den Sozialdemokraten Horst Gramlich abgelöst. Verwunden habe er das Ende der DDR nie, sagt die Tochter des vor fünf Jahren verstorbenen Politikers, Andrea Breitkopf.

"Für andere da zu sein"

Als viertes von fünf Kindern wuchs der 1937 geborene Bille zunächst in Luckenwalde, später in Großbeeren auf. „Er war fünf, als an einem sonnigen Junitag 1942 eine amerikanische Fliegerbombe sein Leben beinahe ausgelöscht hätte“, erinnert sich sein sechs Jahre älterer Bruder. Die Familie überlebte im Luftschutzkeller, ein Erlebnis, das das Wesen seines Bruder geprägt habe, glaubt Günter Bille: „Für andere da zu sein.“

Anfang der 50er-Jahre trennten sich die Wege der Geschwister. Günter zog nach Westberlin, wo er studiert hatte. Manfred Bille blieb und ließ sich bei der Reichsbahn zum Fernmeldemechaniker ausbilden. 1957 wurde er in den Nachrichtendienst der Transportpolizei nach Berlin versetzt und wollte dort Karriere machen. Die Chancen auf den Besuch der Offiziersschule standen gut. Als jedoch bekannt wurde, dass drei Familienmitglieder einschließlich seines Vaters die DDR verlassen hatten, wurde Bille „aus Sicherheitsgründen entlassen“.

Getrieben von Kampfgeist und Neugierde

Fast 50 Jahre später schrieben die beiden Brüder über ihr Leben, das durch die Mauer viele Jahre getrennt und nahezu kontaktlos verlief, ein gemeinsames, bis heute nicht veröffentlichtes Buch. „Ich war von der Überzeugung nicht abzubringen, im besseren Deutschland leben zu wollen“, notierte der spätere Bürgermeister über diese Zeit. „Ich wäre nie auf die Idee gekommen, meinen Rausschmiss aus der Polizei zum Anlass zu nehmen, die Seiten zu wechseln.“ Nach einer Episode als Kraftfahrer stieg er mit 25 Jahren zum Betriebsleiter des VEB Kraftverkehr Neuruppin auf und trat kurz danach in die SED ein.

Von dort führte sein Weg zum Potsdamer Rat des Bezirkes, wo er die Geschicke des Bereichs Verkehr lenkte. Kurz vor den Wahlen 1989 hätten die Genossen der SED-Bezirksleitung ihn gefragt, ob er Potsdamer OB werden wolle, schreibt Bille. Getrieben von einer Mischung aus „Kampfgeist und Neugierde“ habe er eingewilligt – und war nur ein Jahr lang im Amt. Jenseits repräsentativer Aufgaben habe er jedoch auch hinter die Fassaden geblickt, erinnert sich seine Tochter, damals 27 Jahre alt. Der Sprechtag alle 14 Tage zeigte ihm ungeschminkt, „ wie es um die sozialen und politischen Verhältnisse in der Stadt bestellt war“, schreibt Bille selbst. Besonders sei ihm eine blinde Frau mit zwei Kindern in Erinnerung geblieben, die ihre „unsäglichen Wohnverhältnisse“ in Babelsberg schilderte.

Am Runden Tisch wollte er zwischen den Fronten vermitteln

Als einen besonderen Tag erwähnt Bille in seinen Memoiren den 1. September 1989, den Tag der Grundsteinlegung für das damals auf dem Alten Markt geplante Hans-Otto-Theater. „Die traditionellen Hammerschläge zur Grundsteinlegung widmete ich dem Leben und Sterben der tapferen Widerstandskämpfer, den Bau- und Theaterschaffenden der Stadt Potsdam und dem Wunsch, dass der Frieden in der Welt das Bauwerk schütze“, schrieb er darüber später pathetisch. Als sich zur Wendezeit die Fürsprecher eines Wiederaufbaus des Stadtschlosses profilierten, wurde der Baukörper des Theaters wieder abgerissen – obwohl schon 20 Millionen Mark hineingeflossen waren.

Im Herbst 1989 saß Bille an Runden Tischen und versuchte, zwischen den Fronten zu vermitteln. „Das hat ihn viel Kraft und schlaflose Nächte gekostet“, sagt Andrea Breitkopf. Nach Übergabe der Amtsgeschäfte an seinen Nachfolger Horst Gramlich mied Bille die Stadt. 1997 nahm sich sein Sohn Norbert das Leben. Für die Eltern und die drei Kinder ein schwerer Schock und großer Verlust, über den sie nie hinwegkamen, erzählt seine Schwester. Bille zog sich zurück, Ruhe fand er vor allem bei der Jagd.

Völlig unerwartet brach er am 25. Mai 2010 bei der Gartenarbeit zusammen, kurz vor seinem 73. Geburtstag. Und kurz nachdem er von seinem letzten Arbeitgeber, dem Nutzfahrzeughersteller Iveco Magirius AG, in den Ruhestand verabschiedet worden war.

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