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Das Bürgerservice-Center im Potsdamer Rathaus.

© Andreas Klaer

Exklusiv

Leser schildern ihre Erfahrungen: Nicht mehr nur Tadel für den Potsdamer Bürgerservice

Die viel kritisierte Terminvergabe klappt inzwischen etwas besser – doch grundlegende Probleme bleiben.

Potsdam - Rund einen Monat nach der Ankündigung aus dem Rathaus, dass die Terminvergabe für den sogenannten Bürgerservice endlich wieder reibungsloser verlaufen soll, kommen von Potsdamern immer noch viele Beschwerden – allerdings auch einige lobende Stimmen. Das zeigen Reaktionen auf einen Aufruf der PNN, die aktuellen Erfahrungen beim Beantragen von Reisepässen, Ausweisen oder anderen wichtigen Dokumenten zu schildern. 

Wie berichtet waren Bürger:innen monatelang reihenweise bei dem Unterfangen verzweifelt, diesen Service in Anspruch zu nehmen. Denn die Termine, die ausschließlich über die Internetseite www.potsdam.de reserviert werden können, waren ständig ausgebucht. Das beobachtet Cornelia Kretschmer. „Ich brauche einen neuen Ausweis, weil meiner ausläuft.“ Seit drei Monaten versuche sie, einen Termin zu bekommen. „Ich schaue dreimal die Woche jeden Vormittag in den Terminfinder. Nichts“, ärgert sich die 48-Jährige.

"Eine Odyssee vom Feinsten"

Ähnliches schilderten ein halbes Dutzend andere Leser:innen, die keinen Termin buchen konnten. Carolin Huke berichtet, bis Mitte des Monats habe sie mehr als eine Woche lang versucht, einen Termin zu erhalten – erfolglos. „Dann habe ich angerufen: Beim ersten Mal haben sie mich bis zur Bandansage durchgelassen, beim zweiten Mal durchklingeln lassen und beim dritten Mal einfach aufgelegt.“ Erst in ihrem Urlaub habe sie früh um 8 Uhr die Seite aufgerufen – und einen Termin bekommen. Ihr Kommentar: „Eine Odyssee vom Feinsten.“ 

Hingegen schrieb Leser Michael Habermann, er habe am vergangenen Donnerstag um 7.45 Uhr online einen Termin für 8.20 Uhr erhalten – und 8.23 Uhr schon sein Anliegen erledigt gehabt. Auch mehrere andere Leser beschrieben in ihren Wortmeldungen, mit einem in den Morgenstunden gebuchten Termin seien sie schnell zu ihrem Ausweis gekommen: „Und die Damen an den Schaltern waren freundlich und kompetent“, meinte etwa die Babelsbergerin Regina Krenz.

Ein paar Funktionen fehlen

Jedoch kritisierte Habermann, anders als in anderen Kommunen gebe es in Potsdam keinen Erinnerungsservice und keine Bestätigungsmail über den gebuchten Termin. „Damit hat man die Daten, die zum Absagen eines Termins notwendig sind, nicht zur Hand – wenn man also nicht kann, ist es schwer, den Termin für andere frei zu machen.“ So ein Service sei aber einfach zu programmieren, meinte Habermann. Wiederholt hatte das Rathaus geklagt, viele Termine würden nicht wahrgenommen. 

Andere Leser kritisierten, auch Personen, die keinen Internetzugang haben, müssten ein barrierefreies Terminangebot erhalten. „Ich frage mich auch, wie das ältere Menschen ohne Internetkenntnisse machen sollen“, meinte Ute Dominiczak. Sie selbst versucht schon seit fünf Wochen vergeblich, einen Termin im Rathausservicecenter zu buchen.

Auch die Politik befasst sich mit dem Problem

Das Thema Bürgerservice stand jüngst auch auf der Tagesordnung im Hauptausschuss. Die Linken hatten beantragt, dass sichergestellt werden soll, dass alle Potsdamer:innen „innerhalb von vier Wochen dringende Ausweisangelegenheiten“ erledigen können. Zudem müsse das Internetportal barrierefrei gestaltet werden – und auch wieder Spontantermine vor Ort möglich sein. 

Das lehnt die Verwaltung bisher ab. Ferner forderte die Linke provisorische Außenstellen für den Bürgerservice zum Abbau der vom Rathaus beklagten Corona-Bugwelle bei der Arbeit.

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So konkret wollte die Mehrheit im Ausschuss den Auftrag dann aber doch nicht fassen. Auf Antrag der der SPD wurde der Beschlusstext geändert. Es blieb zwar der von den Linken beantragte Anfangssatz, Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) solle „die bedarfsgerechte Verbesserung“ des Bürgerservice „zu einem Schwerpunkt seiner Tätigkeit machen“. 

Allerdings soll nun lediglich dargestellt werden, wie sich die Lage bis Februar entwickelt hat. Verbunden haben die Stadtverordneten das mit der Aufforderung, „die Qualität und Verlässlichkeit des Bürgerservice dauerhaft wieder herzustellen“. Für das Ziel sollen kurz- bis langfristige Maßnahmen genannt werden.

Meier: Hohe Mitarbeiterfluktuation

Die zuständige Ordnungsdezernentin Brigitte Meier (SPD) sagte zu, man wolle weiter an Verbesserungen arbeiten. Allerdings habe man es in diesem Verwaltungsbereich mit einer hohen Mitarbeiterfluktuation zu tun, auch weil man mit anderen Behörden um Fachkräfte konkurriere. Auf Nachfrage von Wolfhard Kirsch (Bürgerbündnis) wollte Rathauschef Schubert nicht sagen, welche Zeitdauer er für die Terminsuche als angemessen empfinde. Schubert kündigte aber an, er wolle Kennzahlen aus anderen Kommunen liefern. 

In der Sitzung äußerte auch CDU-Fraktionschef Matthias Finken seinen Unmut: Seit Tagen versuche er, einen Termin zu ergattern, um Reisepässe zu beantragen. Dabei habe er sich an die Empfehlung aus dem Rathaus gehalten, gleich um 8 Uhr auf dem Internetportal nach Terminen zu suchen – doch es würden keine angezeigt. Plötzlich meldete sich SPD-Stadtpräsident Pete Heuer zu Wort, mit seinem Handy in der Hand. Just in diesen Minuten seien einige Termine im Bürgerservice verfügbar, „man glaubt es kaum“, flachste er. So kam es, dass CDU-Mann Finken noch in der Sitzung seinen Termin buchen konnte.

Leserin Susanne Albrecht hingegen schilderte den PNN das Beispiel ihres Bruders, der von morgens um 8 Uhr bis abends auf der Baustelle arbeite. Für solche Fälle gebe es kaum Möglichkeiten, auch keine Spätschicht im Bürgerservice. Dabei sei doch gerade in der Arbeitswelt Flexibilität angezeigt, findet Albrecht.

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