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Mit 150 leeren Stühlen haben Potsdamer Gastronomen auf dem Alten Markt gegen die andauernde Schließung ihrer Häuser protestiert.

© Andreas Klaer

Leere Stühle, leere Kassen: Potsdamer Gastronomen protestieren gegen Shutdown

Viele Gastronomen und Hoteliers sehen ihre Existenz durch die Coronakrise in Gefahr. Mit einer bundesweiten Aktion haben sie auf ihre Lage aufmerksam gemacht - auch in Potsdam.

Von Carsten Holm

Potsdam - Es ist Freitagmittag eine bedrückende Atmosphäre auf dem Alten Markt: Zwischen Nikolaikirche und Landtag stehen 150 leere Stühle in der Mittagssonne wie hölzerne Mahnmale des Protests. Gastronomen und Hoteliers wollen damit auf die existenzbedrohende Lage ihrer Unternehmen aufmerksam machen. Sie fordern ein baldiges Ende des sogenannten Shutdowns, der sie wegen der Coronakrise am 22. März zur abrupten Schließung der Lokale und Herbergen zwang. Leere Stühle, leere Kassen – das ist ihre Botschaft.

An der Aktion beteiligten sich Restaurants wie das Krongut Bornstedt, das Café Heider, Mea Culpa, die Brasserie zu Gutenberg, das Lindencafé und das Hafthorn. Den Protest unterstützten auch Hotels wie das Dorint, das Mercure sowie das Hotel am Luisenplatz. Groß-Gastronom René Dost, einer der Mitinitiatoren, kündigte an, die Demonstrationen würden nun jeweils am Freitag stattfinden, „bis wir unsere Forderungen durchgesetzt haben“. 

Die Restaurantchefs halten eine Aufstockung des Kurzarbeitergelds von 80 auf 90 Prozent für unabdingbar. „Unsere Mitarbeiter kommen mit dem Kurzarbeitergeld nicht klar“, sagte Dost den PNN. „Sie suchen sich andere Jobs, um dazuzuverdienen.“ Köche füllten in Supermärkten Regale auf, andere arbeiteten im Wachdienst, Kolleginnen aus dem Service jobbten bei Reinigungsfirmen.

Kritik an Bundesregierung

Dass die Bundesregierung beschlossen hat, den Mehrwertsteuersatz ab 1. Juli von 19 auf 7 Prozent zu senken, ist für den Gastronom, „nicht akzeptabel“. Dost drückt sich vorzugsweise drastisch aus: Die Reduzierung komme zu spät, „weil viele von uns bis dahin abgesoffen sind“. Zudem dürfe die Senkung „nicht befristet werden und nicht nur auf Speisen beschränkt werden, sie muss auch für Getränke gelten“. Strenge Hygieneauflagen nach der Öffnung der Restaurants bewertet Dost sehr kritisch: „Stellen Sie sich vor, da steht ein Kellner mit Mundschutz an ihrem Tisch und nuschelt etwas von einem Schnitzel mit Beelitzer Spargel. Haben Sie darauf Bock?“

Welche Wellen der Shutdown der Lokale in anderen Zweigen der Wirtschaft schlägt, wurde auf dem Alten Markt deutlich. Gekommen war auch der Getränkegroßhändler Bernd Krajewski aus Seddiner See. Er belieferte zu Vor-Corona-Zeiten 280 Restaurants. Das Virus hat ihm innerhalb von vier Wochen ein Minus von einer Million Euro beschert. Unterstützt hat den Protest auch Peter Reichel, Chef des Textilservice Reichel im Beelitzer Ortsteil Wittbrietzen. Er beliefert bundesweit Restaurants und Hotels, aber auch private Kunden für größere Feiern mit Mietwäsche. Er wird bis Ende April 50 000 Euro Umsatz einbüßen. „Aber wir sind seit 2004 auf dem Markt, wir überleben das“, sagte Reichel den PNN.

Der Protest in Potsdam war Teil eines bundesweiten Aufbegehrens. Vor dem Kölner Dom standen am Freitag 500 leere Stühle, hunderte waren es auch in München auf dem Odeonsplatz. In Koblenz stellten Gastronomen sogar 1200 Stühle an festlich gedeckten Tischen auf. Begonnen hatte die Aktion am Freitag vergangener Woche in Dresden mit hunderten Stühlen vor der Kulisse der Frauenkirche. 

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