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Die Laubenganghäuser verdanken ihren Namen der Galerie auf jedem Geschoss, über die die einzelnen Studentenapartments zu erreichen sind.

© J. Bergmann

Laubenganghäuser im Park Babelsberg bleiben: Die Moderne bleibt

Die Schlösserstiftung lässt die Laubenganghäuser im Park Babelsberg bis mindestens 2040 stehen. Damit bekennt sie sich erstmals zu einer historischen Bebauung, die nicht von den Hohenzollern stammt.

Von Peer Straube

Babelsberg - Jahrelang war über ihren Abriss gestritten worden, nun bleiben die drei verbliebenen sogenannten Laubenganghäuser im Babelsberger Park doch langfristig erhalten. Die Schlösserstiftung will die als Wohnheime genutzten Gebäude bis Ende 2040 an das Studentenwerk Potsdam vermieten. Das sagte Mike Duckerschein, Leiter der Zentralabteilung des Studentenwerks, den PNN auf Anfrage. Noch sei der Vertrag zwar nicht unterzeichnet, aber der Stiftungsrat habe den Plänen bereits zugestimmt, bestätigte Stiftungssprecher Frank Kallensee.

Damit vollzieht die Stiftung zumindest eine teilweise Kehrtwende. Denn auch wenn der Abriss der Laubenganghäuser in den letzten Jahren nicht offensiv propagiert oder vorangetrieben wurde, so galt ihr Schicksal dennoch als besiegelt. Die 1949 von Henrik Fischer und Robert Lenz entworfenen Gebäude wurden in den Jahren bis 1951 errichtet. Augenfällige Besonderheiten der dreigeschossigen Gebäude sind die versetzt angebauten Treppenhäuser, in deren Fassade Glassteine eingemauert wurden, sowie die Laubengänge, über die die Studentenapartments zu erreichen sind und die den Häusern ihren Namen gaben. Schon zur Entstehungszeit dienten sie als Wohnheime der Studenten der Akademie für Staat und Recht „Walter Ulbricht“, in der kommende SED-Kader geschult wurden. Das Ensemble wurde später mit einer Mensa und mehreren Seminar- und Hörsaalgebäuden erweitert, die nach der Wende noch von der Juristischen Fakultät der Universität Potsdam genutzt wurden. Letztere wurden aber bereits vor acht Jahren abgerissen, um die historische Parklandschaft an dieser Stelle wiederherzustellen und Gleiches war perspektivisch auch für die Laubenganghäuser geplant.

Denkmalexperten: Erheblich baugeschichtlicher Wert

Dass sich die Stiftung nun doch – zumindest vorerst – anders entschieden hat, liegt an der Architektur der Häuser. Anders als die anderen Akademie-Zweckbauten gelten die Wohnheime als „exemplarisch für das Anknüpfen an die Klassische Moderne nach 1945“ in Ostdeutschland, wie im Architekturführer Potsdam nachzulesen ist. Denkmalexperten bescheinigen dem Ensemble einen erheblichen baugeschichtlichen Wert. So sei der Komplex der letzte seiner Art in Brandenburg, der sich auf das große Vorbild Hans Scharoun und dessen Idee einer „Wohnzelle“ beziehe. Scharoun hatte diese Idee nach dem Krieg für eine Neubebauung von ganz Berlin entwickelt. Entstehen sollte eine lockere Bebauung von Wohnhäusern, die nicht wie Mietskasernen wirken sollten, andererseits aber auch den vorkriegszeitlichen Strukturen mit ihrem Schwerpunkt auf Bauachsen eine Absage erteilten. Erstes Projekt sollte die Wohnzelle Friedrichshain werden, von der allerdings nur zwei Laubenganghäuser in der heutigen Karl-Marx-Allee verwirklicht wurden, weil diese noch auf dem Bauhaus-Stil basierende Moderne nicht mehr den Idealen sozialistischen Bauens entsprach. Schon insofern haben die Babelsberger Laubenganghäuser als letzte Zeugnisse der frühen Nachkriegsmoderne der DDR Seltenheitswert.

Dass die Gartendenkmalpfleger innerhalb der Schlösserstiftung dennoch erbittert für einen Abriss fochten, ließ der Stiftungssprecher durchblicken: Über die „unterschiedlichen bau- und gartendenkmalfachlichen Positionen“ sei im Wissenschaftlichen Beirat der Stiftung „intensiv diskutiert worden“, sagte Kallensee. Für einen Erhalt habe nicht zuletzt aber der Mangel an Wohnheimplätzen in der „wachsenden Universitätsstadt Potsdam“ gesprochen.

3,1 Millionen Euro für Sanierung der Laubenganghäuser

Das Studentenwerk hatte die Laubenganghäuser zuletzt zwischen Mitte und Ende der 1990er-Jahre mit erheblichem Aufwand saniert. Umgerechnet mehr als 3,1 Millionen Euro seien dafür seinerzeit ausgegeben worden, sagte Duckerschein. Die insgesamt 163 Wohnheimplätze seien zum Start des Wintersemesters alle belegt. Angesichts der Lage mitten im Welterbe und einer monatlichen Pauschalmiete zwischen 210 und 230 Euro dürften sie ohnehin zu den begehrtesten Studentenunterkünften der Stadt zählen.

Ursprünglich bestand das Ensemble sogar aus vier Laubenganghäusern. Das vierte war allerdings bereits im Zuge des Abbruchs der anderen Akademie-Bauten vor zehn Jahren gleichfalls abgerissen worden. Es sei „am weitesten in den Park hineingerückt“ gewesen und habe demzufolge das „höchste Störpotenzial“ aufgewiesen, sagte Kallensee. Das Gebäude habe diverse Sichtachsen zum Schwarzen Meer, dem künstlichen See, beeinträchtigt und die Wiederherstellung historischer Wege verhindert.

Mit ähnlichen Argumenten wollten die Gartenexperten der Stiftung auch den Abriss der verbliebenen Laubenganghäuser erzwingen. Neben der Modellierung des Geländes nach historischem Vorbild und der Anlage der alten Wege sollte auch die sogenannte Schanze, ein Wall, der noch aus der Zeit Wilhelms I. stammte, wiederangelegt werden. Nun müssen sich die Gartendenkmalpfleger mindestens bis 2040 gedulden. Über dieses Datum hinaus, sagte Duckerschein bedauernd, habe die Stiftung „kein Interesse am Erhalt der Gebäude“. Angesichts der bereits jetzt laufenden Debatte über eine Neubewertung der DDR-Architektur dürfte das letzte Wort aber nicht gesprochen sein.

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