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Wieder im Originalzustand. Lotte Lasersteins Gemälde „Selbstporträt vor Abend über Potsdam“. 

© Sebastian Gabsch

Laserstein-Gemälde ab 2024 in Dauerausstellung: Ein Bild hat seine Heimat gefunden

Lotte-Laserstein-Gemälde „Selbstporträt vor Abend über Potsdam“ im Potsdam Museum vorgestellt, bevor es – zunächst – ins Museumsdepot kommt.

Potsdam - Es gibt viele Selbstporträts von Lotte Laserstein. Immer wieder malte die Künstlerin sich bei der Arbeit. Mit Leinwand und Staffelei, mit einem Modell, einer Freundin, mit einer Stadtlandschaft im Hintergrund. Die Malerin hatte, das könnte man darin lesen, ein klares Verständnis von sich selbst und ihrer Arbeit. Ja, es war Arbeit und Broterwerb. Aber es war vor allem Kunst. Ihre ganz eigene Kunst.

Aus englischem Privatbesitz erworben

Die Freiheit, als Frau in der ersten Hälfte der 20. Jahrhunderts so zu denken, das war schon etwas Besonderes. Sehr deutlich ist genau diese Haltung dem Bild anzusehen, das jetzt die Sammlung des Potsdam Museums ergänzt. Das Bild „Selbstporträt vor Abend über Potsdam“ war im Sommer 2020 mit Hilfe der Ernst von Siemens Kunststiftung aus englischem Privatbesitz erworben worden. Nach seiner Ankunft in Potsdam ging es zunächst in die Werkstatt des Restaurators Oliver Max Wenske, der einen – einst nachträglich aufgetragenen – Kunstharzfirnis entfernte. Ohne den gelblichen Glanz erscheint das Bild nun wieder in seiner originalen Anmutung.

Berlin lehnte ab, Potsdam griff zu

Am Donnerstag (29.7.) wurde das Kunstwerk von Lotte Laserstein in einer öffentlichen Veranstaltung den Potsdamern vorgestellt. Museumschefin Jutta Götzmann erzählte noch einmal die Geschichte, wie die Berliner Nationalgalerie, die das Referenzgemälde „Abend über Potsdam“ zeigt, glücklicherweise ablehnte und das Werk daraufhin Potsdam angeboten wurde. Wo es im Grunde hingehört, obwohl Laserstein nie hier lebte, sondern Berlinerin war.

Ein weiteres Laserstein-Bild "Ansicht Potsdam", das dem Förderverein des Potsdam Museums geschenkt wurde.
Ein weiteres Laserstein-Bild "Ansicht Potsdam", das dem Förderverein des Potsdam Museums geschenkt wurde.

© Michael Lüder

Die Verbindung mit Potsdam steckt im Motiv. Denn im Hintergrund, hinter der sich gerade mit Hilfe eines Spiegels porträtierenden Malerin, ist eindeutig ihr Gemälde „Abend über Potsdam“ dargestellt. Dieses Werk, 1929/30 gemalt, zeigt eine Tafelrunde von Freunden auf einer Dachterrasse, von der man auf Potsdam schaut. Die Stimmung: irgendwie bedrückend, nachdenklich, gelähmt. Oder doch ahnungslos? Es ist der Vorabend der Naziherrschaft. Die Nazis werden die Mutter von Lotte Laserstein umbringen, ihre Schwester wird schwer traumatisiert überleben. Lotte selber gelingt im letzten Moment die Emigration nach Schweden. In Deutschland hat sie da längst Arbeitsverbot, sie darf weder unterrichten noch Aufträge annehmen. Ihre Werke werden in der Folge abgehängt und als entartet katalogisiert. Ihr großes Glück: Eine schwedische Galerie bietet ihr zum Jahreswechsel 1937/38 eine Ausstellung an. Mit der Zusage in der Tasche darf sie ihre Bilder einpacken und nach Schweden bringen. Wo sie dann bleibt. Als Malerin im Exil. Mit allen Konsequenzen: Sicherheit und Arbeit, aber auch Heimweh und ein Gefühl künstlerischer Entwurzelung.

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Das Bild „Abend über Potsdam“ hing in Schweden in ihrem Wohnzimmer, erzählte am Donnerstag die Kunsthistorikerin Anna-Carola Krausse, die in ihrem Vortrag den Neuerwerb und vor allem die Malerin sehr detailliert vorstellte. Laserstein wurde 1898 in Ostpreußen geboren. Und soll bereits als kleines Mädchen konstatiert haben: Ich werde nicht heiraten, sondern ich werde Künstlerin. Dass auch Frauen mit der Kunst ihren Lebensunterhalt verdienen konnten, erlebte sie bei ihrer Tante, die eine Malschule unterhielt und die auch Lotte unterrichtete.

Erst in 1980er-Jahren wieder im Bewusstsein der Kunstszene

Lasterstein studierte an der Akademie der Künste in Berlin und war eine erfolgreiche Malerin, sie verkaufte und hatte Ausstellungen, bis die Nazis sie aufgrund ihrer jüdischen Herkunft verfolgten. Erst in den 1980er-Jahren gelangte sie wieder ins öffentliche Bewusstsein der Kunstszene, auch der deutschen.

Potsdam ist ihre Vergangenheit

1950 im Exil entsteht also das „Selbstporträt vor Abend über Potsdam“. Laserstein steht im weißen Arbeitskittel vor einer Leinwand, deren Rückwand leicht zu sehen ist. Der Blick der Malerin geht zum Spiegel. Die Augen groß, ernst, ruhig und beinahe traurig. Das Bild im Hintergrund, die Potsdam-Szene, ist ihre Vergangenheit, ihr Leben an einem Bruchpunkt. Was folgte, war Schmerz und Leid, wenngleich, für sie selbst, auch ein Neubeginn, auf dem jedoch immer ein Schatten liegen wird.

Bild soll Grundstein einer kleinen Laserstein-Sammlung sein

Es ist ein großer und mehrschichtiger erzählerischer Spannungsbogen, der in dem Bild steckt und gelesen werden will. „Das Bild befindet sich jetzt in seiner geistigen Heimat“ sagte Kulturamtsleiterin Birgit Katharine Seemann. Es wird den Grundstein einer kleinen Laserstein-Sammlung legen und ab etwa 2024 in der neuen ständigen Ausstellung würdig präsentiert werden.

Zur Sammlung gehört auch kleine Ölskizze

Zur Sammlung gehört weiterhin jene kleine Ölskizze, die der Museums-Förderverein mit Hilfe des Rotary-Clubs sowie weiterer Spender erwerben konnte. Auch eine Geschichte: Die mit leichter Hand und Anmutung gefertigte Stadtansicht, ein Blick von der historischen langen Brücke auf Schwanentreppe, Lustgarten und Schloss, war Vorlage für ein großes Auftragswerk, das ebenfalls erhalten ist. Während der Fördervereinsvorsitzende die Skizze erwarb, entdeckte Jutta Götzmann das große Bild, das sie als Dauerleihgabe ans Potsdam Museum holen konnte.

Bis zur neuen ständigen Ausstellung werden beide, die kleine Skizze und das Selbstporträt, im Depot des Museums aufbewahrt. Auf Anfrage kann man sie sich, nach dem Umzug an den neuen Standort, der gerade bevorsteht, anschauen.

Lesetipp: Anna-Carola Krausse: ,Lotte Laserstein: „Meine einzige Wirklichkeit“‘ , 29,90 Euro, erhältlich im Museumsshop des Potsdam Museums

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