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Seit 50 Jahren stehen die Attikafiguren des Potsdamer Stadtschlosses auf dem Dach der Humboldt-Universität, die Friedrich II. Mitte des 18. Jahrhunderts als Palais für seinen Bruder, den Prinzen Heinrich, errichten ließ. Ob die Figuren nach Potsdam zurückkehren, ist nach wie vor offen.

© Kitty Kleist-Heinrich

Landtagsschloss oder Humboldt-Universität: Potsdam oder Berlin: Wer bekommt die Attika-Figuren?

Zurück nach Potsdam oder in Berlin bleiben: Erneut wird über die geliehenen Attika-Figuren auf dem Dach der Humboldt-Universität diskutiert. Die will sie aber gar nicht zurückgeben.

Von Peer Straube

Potsdam/Berlin - Nach jahrelangem Stillstand kommt in den Streit um acht Attika-Figuren auf dem Dach der Berliner Humboldt-Universität wieder Bewegung. Gleich zwei hochrangig besetzte Diskussionsveranstaltungen in Berlin und Potsdam wollen sich mit der Frage beschäftigen, ob die Skulpturen in der Bundeshauptstadt bleiben oder nach Potsdam zurückgegeben werden sollten. Seit 50 Jahren zieren sie das Dach der Humboldt-Universität, ursprünglich stammen sie aber vom Potsdamer Stadtschloss und wurden nach dessen Zerstörung als Dauerleihgabe nach Berlin gegeben. Die Stadt Potsdam fordert die Rückgabe der Skulpturen, um sie wieder auf das neu errichtete Landtagsschloss zu stellen. Berlin lehnt das allerdings ab. Nach Auffassung des dortigen Landesdenkmalamtes sind die Figuren Teil des Denkmals Humboldt-Universität – eine Position, die auch die Schlösserstiftung als Eigentümerin der Skulpturen teilt.

Am 21. Oktober macht die Humboldt-Universität den Zwist zum Thema eines Kolloquiums mit dem Titel „Umstrittenes Erbe“. Ziel der Veranstaltung sei es, die „Vielfalt dieser Perspektivierungen aufzuzeigen und für die gegenwärtige Diskussion über den weiteren Verbleib dieser Skulpturen einen fachlichen Beitrag zu leisten“, heißt es in der Ankündigung auf der Internetseite der Hochschule.

Fachliche, historische und stadtpolitische Argumente über die Rückführung

Wenige Tage später, am 3. November, soll dann im Rahmen der Veranstaltungsreihe des Potsdamer Stadtforums, das sich viermal jährlich mit wichtigen Fragen der Stadtentwicklung beschäftigt, debattiert werden. Um 16 Uhr im Treffpunkt Freizeit sollen die Stadtschloss-Figuren dort Thema sein sowie die „fachlichen, historischen und stadtpolitischen Argumente für und gegen die Rückführung und die Positionen der SPSG, der Berliner und der brandenburgischen Denkmalpfleger“, wie es in der Einladung heißt.

Bereits Ende 2013 hatten die Stadtverordneten Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) den Auftrag erteilt, in Berlin auf eine Herausgabe der Figuren zu drängen. Grundlage für den damaligen Beschluss war ein Gutachten des Potsdamer Stadtkonservators Andreas Kalesse, der zu seinen Berliner Kollegen eine diametral entgegengesetzte Position vertritt.

Kalesse: Die Attika-Figuren gehören zwingend auf den Potsdamer Landtag

Die Aufstellung der Figuren auf der Humboldt-Universität sei seinerzeit eine Verlegenheitslösung gewesen, schrieb Potsdams Chefdenkmalpfleger. Weil eigens ausgelobte Wettbewerbe für einen Ersatz des im Krieg zerstörten Skulpturenschmucks nicht das qualitativ gewünschte Ergebnis lieferten, sei entschieden worden, ersatzweise die Figuren des Potsdamer Schlosses zu nehmen. Doch wirkten diese „völlig disproportioniert zu dem massigen Palais“ der Humboldt-Uni und hätten „nicht den geringsten Bezug“ zu dessen Architektur, argumentierte Kalesse. Die Figuren gehören zwingend auf den Potsdamer Landtag, bilanziert der Stadtkonservator. Zwar handele es sich um Erinnerungsarchitektur, doch hätten beim Bau des Parlaments bereits viele Originalteile des Schlosses Verwendung gefunden, um an die „gestalterische Kraft“ des Vorgängerbaus und an dessen Zerstörung zu erinnern.

Danach gab es im Mai 2014 das bislang letzte Gespräch zwischen Stadt, Berliner Landesdenkmalamt und Schlösserstiftung. Nun soll die Diskussion beim Stadtforum weitergehen. Jakobs hatte angekündigt, erst ein breiteres öffentliches Meinungsbild einholen zu wollen, bevor er sich in Berlin wieder an die Front begibt.

Auch die Humboldt-Uni will die Figuren nicht rausgeben

Auf Rückendeckung vom Bund kann er dabei nicht hoffen. Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU), die über ihren Staatssekretär im Stiftungsrat der Schlösserstiftung vertreten ist, sieht offenbar keinen plausiblen Grund, die Figuren nach Potsdam zu bringen. Ihr Sprecher Hagen Philipp Wolf verwies auf Anfrage auf die Gutachten des Berliner Landesdenkmalamtes, die in den Figuren eine „denkmalwerte Zeit- und Bedeutungsschicht“ der Humboldt-Uni sehen. Weil es sich beim Potsdamer Landtag ohnehin nur um eine Schlosskopie handele, sei „die Anfertigung und Aufstellung von Kopien“ der Attika-Figuren daher „der konsequente Schritt“, hieß es. Auch die Humboldt-Uni mag die Figuren nicht herausgeben: Nach Ansicht des Präsidiums gehörten sie dorthin, weil sie seit 1975 gemeinsam mit dem Hauptgebäude der Universität unter Denkmalschutz stehen, sagte Uni-Sprecher Hans-Christoph Keller den PNN.

Einstmals befanden sich 76 Skulpturen auf dem Dach des Potsdamer Stadtschlosses, 34 davon – jene an der Außenfassade – sollen wieder aufgestellt werden. Im Innenhof soll das Dachgesims leer bleiben, das hatte Landtagsarchitekt Peter Kulka so verfügt. Erst zwei Figuren, „Herkules“ und ein „Jüngling“, zieren seit Ende April wieder den westlichen, der Fachhochschule zugewandten Kopfbau. Sechs weitere Skulpturen hat der Stadtschloss-Förderverein bereits fertig restauriert, eine siebente ist bereits in Auftrag gegeben. Das Geld für die Aufstellung der nächsten beiden Figuren sei da, er hoffe, sie noch in diesem Jahr auf dem Schloss platzieren zu können, sagte Vereinschef Hans-Peter Brüggen den PNN. Jährlich sollen vier weitere – je zwei im Frühjahr und im Herbst – folgen.

Der Humboldt-Uni würde Brüggen im Falle einer Rückkehr der Originalfiguren sogar die Hand reichen. „Dann“, sagte er, „sammeln wir erst mal Spenden für die Berliner Kopien.“

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