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Landhaus Gugenheim: Schönes Understatement

Das Landhaus Gugenheim kommt bescheiden daher, erst im Inneren entdeckt man, wie durchdacht es einst geplant wurde. Zum Tag des offenen Denkmals kann man es besichtigen.

Tock, tock, tock. Eine Eichel aus 15 oder 20 Metern Höhe kann ganz schön knallen, selbst wenn sie auf dem Rasen landet. Die Eichen im Garten des Landhaus Gugenheim sind riesig und vermutlich so alt wie das Haus, das sie längst überragen. Es sollte damals ja auch ein Landhaus sein, ein Häuschen geradezu im Vergleich zu manch prächtigeren Villen in Neubabelsberg.

Architekt war Hermann Muthesius, der es 1921/22 im Auftrag von Fritz Gugenheim, Seidenfabrikant, errichten ließ. Es sollte ein Häuschen für den Sohn Hans werden, zur Vermählung. Muthesius galt damals als Experte unter anderem für englische Landhausarchitektur. Er baute aus rotem Backstein, das Obergeschoss bekam ein steiles Mansardendach und einen Balkon Richtung Griebnitzsee, den man heute nur noch im Winter vom Johann-Strauß-Platz aus sieht, wenn die Bäume kein Laub mehr tragen. Das Haus ist ein typischer Fall von noblem Understatement: Fast könnte man es übersehen. Nicht einmal ein prächtiges Portal hat es, nur eine Seitentür. Prächtig wird es erst, wenn man es betritt. Wenn man von der Halle in noch einen und noch einen Raum schreitet und jedes Fenster eine andere überraschende Sicht in den Garten bietet.

16 Bauwerke in neubabelsberg können am Tag des offenen Denkmals besichtigt werden

Zum deutschlandweiten Tag des offenen Denkmals am Sonntag, dem 10. September, kann das Haus besichtigt werden. Es ist eine von 15 in Privatbesitz befindlichen Babelsberger Villen, deren Besitzer an diesem Tag ihr Zuhause, in der Regel allerdings nur das Erdgeschoss, für fremde Besucher öffnen. „Das muss man mögen“, sagte Sabine Ambrosius von der Unteren Denkmalschutzbehörde der Stadt Potsdam beim Auftakttermin zum Tag des offenen Denkmals. „Wir freuen uns sehr, dass wir so viele Eigentümer dafür gewinnen konnten.“

Das bundesweite Motto des Denkmaltags lautet in diesem Jahr „Macht und Pracht“. In Potsdam will man das weniger streng verstanden wissen. Hier gibt es mehr Pracht, die Macht dazu könnte man in Potsdam als Erfolg interpretieren. Auch Fritz und Hans Gugenheim hatten unternehmerischen Erfolg, Ende des 19. Jahrhunderts wurde Berlin langsam zum Zentrum der Textilindustrie. Die Seidenfabrikantenfamilie ließ sich im damals noch ländlichen Neubabelsberg nieder. Der Stadtteil, in dem damals viele reiche Berliner Zuflucht vor der zu geschäftig und laut werdenden Stadt suchten, steht dieses Jahr zum Tag des offenen Denkmals im Mittelpunkt. 16 Bauwerke, die meisten Villen, können hier besichtigt werden. Darunter ist auch die Villa Treitel in der Virchowstraße 47 – das einzige derzeit noch unsanierte Objekt in dieser Seeblick-Straße, in der besonders viel und schön gebaut wurde. Noch vor gut zehn Jahren habe der Tag des offenen Denkmals oftmals auf Baustellen stattgefunden, sagte Sabine Ambrosius, heute sind in Potsdam die meisten der denkmalgeschützten Gebäude fertig saniert.

Die Geschichte des Landhauses ist typisch für Babelsberg

Einer, der viel Spaß daran hat, ist der Potsdamer Architekt Philipp Jamme. Sein erster Sanierungsfall war die Villa Mommsen in der Domstraße. Seitdem sind einige Objekte dazugekommen, die Arbeit mit den alten Architekturschätzen gefällt ihm. Dass manche Eigentümer die Denkmalschutzauflagen als problematisch empfinden, kann er nicht nachvollziehen. „Die Zusammenarbeit war ein offener Austausch, ein Aufeinanderzugehen. Und man lernt immer was dazu.“

Das Landhaus Gugenheim beispielsweise zeigt Muthesius’ Prinzip, die Funktionen und Nutzungen auch in baulichen Strukturen sichtbar zu machen und nicht, wie bis dahin üblich, zu verstecken. Kleine Fenster in der Fassade deuten an, wo sich ein Wirtschaftsraum, ein Bad oder eine Küche befindet. Die originale Villa wurde allerdings bereits wenige Jahre später mit einem Flügel erweitert, so geschickt, dass man dem Haus von außen zumindest nichts ansieht. Drinnen war nun Raum für eine größere Küche, eine Dienstbotentreppe ins Obergeschoss, wo es nun mehr Schlafzimmer gab.

Die Geschichte des Hauses ist typisch für Babelsberg: Die jüdischen Bewohner wurden von den Nazis enteignet, der Kaufpreis als Reichsfluchtsteuer konfisziert. 1939 erwarb die Schauspielerin Brigitte Horney das Haus. Dann kamen die Russen, die bis Mitte der 1950er viele Neubabelsberger Häuser besetzt hielten. nach dem Freizug wurde das Haus Volkseigentum und wurde his zur Wende als Internat, unter anderem für die Hochschule für Staat und Recht und die Filmhochschule genutzt. Nach der Wende wohnten hier eine Zeit lang Hausbesetzer, während die Alteigentümer um die Rückgabe kämpften. Seit 2007 gehört es nun einer Potsdamer Familie, die es denkmalgerecht sanieren ließ.

Die Geschichte Potsdamer Bauwerke nur lückenhaft festgehalten

Viel Material zum Haus ließ sich nicht mehr finden, immerhin die originalen Baupläne von Muthesius, ohne die Umbauten, sowie zwei Fotos aus den ersten Jahren. Bei der Recherche bekamen sie Hilfe von Denkmalpfleger Jörg Limberg. Neubabelsberg ist sein Spezialgebiet. Die Quellenlage für Potsdam sei sehr unterschiedlich, sagte Limberg. Die Unterlagen mancher Straßenzüge sind vollständig im Stadtarchiv erhalten, andere müssen bei der Eingemeindung Babelsbergs nach Potsdam oder während der Kriegswirren verloren gegangen sein. „Vieles findet man auch in Zeitschriften, in denen Architekten damals ihre Arbeiten zeigten.“

Zum Tag des offenen Denkmals wird es hier Jazzmusik geben, vielleicht auch im Garten, der ganz passend im englischen Stil angelegt wurde. Hinein geht es durch eine eiserne Pforte, die noch die Initialen von Hans Gugenheim trägt.

www.potsdamer-dreiklang.de

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